Wird die Regelstudienzeit zu wichtig genommen?
In diesem Beitrag hier wurde die Frage aufgeworfen, ob das Bachelor-System gescheitert ist, weil viele ihren Bachelor nicht in der Regelstudienzeit abschließen. Wenn man aber die Einhaltung der Regelstudienzeit zum Kriterium dafür macht, ob etwas gescheitert oder nicht gescheitert ist, dann bemisst man der Regelstudienzeit ja auch eine große Bedeutung bei und das würde ich hinterfragen.
Ich habe damals noch auf Diplom studiert und hätte bei meinem einen Studienfach eine Regelstudienzeit von 9 Semestern gehabt. Wir hatten aber Freischussregelungen, dass man Prüfungen bis zu einem bestimmten Semester wiederholen durfte und dann auch noch ein Semester oder zwei dranhängen darf und das habe ich auch genutzt. Beim Schreiben der Diplomarbeit habe ich mir mehr Zeit gelassen und dann war ich noch mehrere Monate als Student eingeschrieben, aber eigentlich schon fertig und diese Zeit habe ich dann auch gemütlich verstreichen lassen bzw. mich so langsam auf Stellensuche gemacht. Bei uns hat meines Wissens nach so gut wie niemand das Studium in der Regelstudienzeit beendet.
Aber so ist es ja auch viel gemütlicher. Das Schreiben der Diplomarbeit hat richtig Spaß gemacht, bis mittags schlafen und dann bis abends in Ruhe schreiben, hier mal was lesen, dort mal was nachschlagen, das war sehr entspannt und diese Entspannung hätte ich nicht gehabt, wenn ich mein Studium in der Regelstudienzeit abgeschlossen hätte.
Bei uns gab es auch ein Studium integrale, d.h. man konnte Lehrveranstaltungen andere Fachrichtungen besuchen. Das habe ich auch gerne gemacht und dadurch auch vielleicht die ein oder andere Stunde genutzt, die ich alternativ für mein Studium hätte verwenden können. Aber ich fand das ganz nett, da mal zu schauen, was die anderen so machen.
Zudem finde ich rückblickend, dass das Studium eine sehr schöne Zeit ist, man hat total viele Freiheiten und muss sich – außer um das Studium – um nichts groß kümmern. So schön hat man es doch später, wenn man arbeiten gehen muss, nicht mehr. Beim Studium kann ich mir aussuchen, ob ich das Seminar früh um8 Uhr besuchen will, in der Arbeitswelt kann ich das nicht. Ich erinnere mich auch noch genau an den letzten Tag bevor ich dann meinen ersten Job antrat, da habe ich das Ausschlafen nochmal richtig genossen.
Daher ist es mir aber auch unbegreiflich, warum manche so viel Wert darauf legen, unbedingt in der Regelstudienzeit fertig werden zu müssen. Damit der Ernst des Lebens noch zeitiger beginnen kann? Ich habe ja statt der 9 Semester 11 genutzt, also ein Jahr länger gemacht und mich hat nie jemand darauf angesprochen. Ein Dozent hat mir mal gesagt, dass die meisten Unternehmen die Regelstudienzeiten gar nicht kennen und dass die gar nicht wissen, ob man mit 11 Semestern noch im Plan war oder nicht. Die schauen nur auf die Noten und auf eventuelle Praktika.
Warum nehmen also manche die Regelstudienzeit so wichtig? Wie steht ihr dazu?
Die Regelstudienzeit ist nichts, was sich jemand aus Spaß an der Freude ausgedacht hat, dass ganze hat schon seinen Sinn. Viele Studenten bekommen Bafög und wenn man darauf angewiesen ist, dann wird es problematisch, sobald man die Regelstudienzeit überschreitet. Dann müssen viele mitunter einen Kredit aufnehmen und wenn man noch einige Jahre vor sich hat, ist dass mitunter dann auch wieder schwierig, denn diese Kredite sind auch an Bedingungen gebunden.
Das Bachelorsystem wird ja von vielen Leuten als gescheitert betrachtet, es gibt sogar schon Versuche es wieder rückgängig zu machen. Die knappe Regelstudienzeit ist nur ein Kriterium hierfür. In vielen Studiengängen mag sie gut bemessen sein, nach der Einführung des Bachelors ist sie in meinem Studiengang aber gänzlich daneben. Wenn an die 80-90% der Leute länger als die Regelstudienzeit studieren, dann ist da eben etwas falsch.
Und letztendlich ist die Regelstudienzeit ja auch da, damit es weniger Langzeitstudenten gibt. Diese dürfen dann natürlich weiter studieren, aber sie bekommen irgendwann keine Fördermittel mehr. Und letztendlich ist das auch eine Form von ''sitzen bleiben''. In der Schule war dies immer sehr negativ behaftet, an der Uni nun ist es ein bisschen was anderes, aber erstrebenswert ist es weiterhin nicht.
Es geht mir ja auch darum, dass die Studenten bei uns sehr gestresst, nahezu krankhaft darauf erpicht sind, dass Studium in Regelstudienzeit zu schaffen, denn nicht jeder möchte nach der Uni vor einem Schuldenberg stehen. Du schreibst etwas von langsam und gemütlich verstreichen lassen, bei uns ist es eher ein Kampf ums überleben. Und ehrlich gesagt finde ich es auch besser, wenn man sich für sein Studium anstrengen muss, anstatt jeden Tag einen Mittagsschlaf machen zu können. Das hört sich schon eher nach dem Klischee vom faulen Studenten an, was so viele haben. So stressig wie es bei uns ist, ist es übertrieben, aber so locker wie du es beschreibst, ist es auch wieder irgendwie sinnfrei.
Beim Bachelor kannst du dir übrigens auch nicht mehr aussuchen, ob du das Seminar morgens um 8 besuchen willst. Entweder hast du Anwesenheitspflicht, musst die Punkte schaffen oder so brauchst die Sachen dringend für die Klausur. So ist es bei uns, bei Geisteswissenschaften und Lehrämtlern ist das was anderes, aber da gibt es derzeit ja auch schon viele Diskussionen, weil es eben nicht sein kann, das die einen locker flockig vor sich hin studieren, während die anderen sich abrackern müssen.
Dass das dem Arbeitgeber egal ist, ist klar, bei uns interessieren die sich nur dafür, wer einen Doktor hat und bestensfalls noch, in welchem Bereich dieser gemacht wurde. Noten sind da ganz egal. Aber man muss sich eben auf seinem Bereich behaupten und wenn man während der Doktorarbeit mit zwei Semestern Verzug versucht in einem guten Forschungskreis zu landen, stehen die Chancen auch nicht mehr so rosig. Daneben haben sich letztes Jahr auch viele Studenten bis und beeilt, weil sie nicht in den Doppeljahrgang kommen wollten. Diese Sorge war unbegründet, da die Uni von den 300 Neuzugängen direkt 210 rausgeschmissen hat, innerhalb der ersten beiden Semester. Aber grundsätzlich hat es bei uns auf jeden Fall Vorteile es rechtzeitig zu schaffen, besonders wen man promovieren will, Bafög bekommt oder ein Stipendium bekommen hat.
Ich habe ein naturwissenschaftlich/wirtschaftliches Fach und eine Sprache studiert. Beim ersteren gab es einen Numerus Clausus, man musste einen Einserdurchschnitt im Abitur haben und ich habe oft gehört, dass es dafür dann im Studium lockerer zugeht und dass Fächer ohne NC am Anfang durch schwere Klausuren aussortieren. Vielleicht ist das bei dir so? Ich musste zudem in einzelnen Schwerpunkten eine bestimmte Anzahl an Seminaren besuchen, aber welche, konnte man sich aussuchen und da hat man die genommen, die eher nachmittags lagen.
Bei der Sprache war es sogar noch einfacher. Auch da konnte man sich die Seminare aussuchen und es wurde in jedem eine benotete Leistung erbracht. Wenn die aber schlecht bewertet wurde, konnte man das Seminar im nächsten Semester einfach bei eine anderen Dozenten wiederholen und hat dann den Leistungsschein mit der schlechten Note verschwinden lassen. Richtige mündliche Prüfungen hatte ich auch, für die musste ich auch lernen und das war auch mal stressig, aber im Großen und Ganzen waren die beiden Fächer entspannt.
Rückblickend betrachtet hätte ich da sogar noch ein drittes Fach studieren können, aber da ich nun schon arbeite und es an der Uni nur noch Bachelor-Fächer gibt, lasse ich das. Ich promoviere übrigens auch, da hat es auch keinen interessiert, wie lange ich studiert habe, sondern sie haben sich an der Bewertung meiner Diplomarbeit orientiert. Bei die scheint es schwieriger zu sein, aber man muss ja nicht immer die besonders schwierigen Fächer wählen.
Mittlerweile ist die Anwesenheitspflicht doch schon vor vielen Jahren abgeschafft worden, sodass viele Studenten das eben ausnutzen und in der Zwischenzeit arbeiten gehen oder sich anderweitig für die Prüfungsleistungen vorbereiten. Als ich noch studiert habe, gab es Studenten, die hat man nur zu den Prüfungen gesehen, sonst gar nicht. Das war schon irritierend, wenn man plötzlich Gesichter gesehen hat, die man zuvor noch nie gesehen hat, aber die gehörten irgendwie doch dazu.
Abgesehen davon habe ich festgestellt, dass nur Studenten die Regelstudienzeit als besonders wichtig ansehen. Das liegt nicht immer am Bafög, sondern sie haben an sich selbst den Anspruch, schnell fertig zu werden, um schneller arbeiten zu können. Aber wirklich relevant ist die Studiendauer für den Arbeitgeber nicht.
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