Wird ein Großteil des Kindergeldes wirklich veruntreut?

vom 22.11.2018, 17:51 Uhr

Bei der ganzen derzeitigen Diskussion um die Erhöhung des Kindergeldes, wird ja auch oftmals argumentiert, dass gerade bei Hartz4 Familien, das Kindergeld gar nicht so wirklich ankommen würde, sondern die Eltern es meistens für Alkohol, Zigaretten oder technische Anschaffungen ausgeben. Kennt ihr diese Vorwürfe auch und was haltet ihr denn davon? Glaubt ihr, dass da etwas Wahres dran sein könnte oder sind das eurer Meinung nach mehrheitlich haltlose Behauptungen?

» baerbel » Beiträge: 1517 » Talkpoints: 601,73 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Wenn man sich anschaut wie sich die Mieten und die Nebenkosten in den letzten Jahren entwickelt haben dann ist das wahrscheinlichere Szenario wohl, dass das Kindergeld nicht auf den Kopf gehauen wird sondern schlicht und einfach für die laufenden Ausgaben benötigt wird.

Ich glaube außerdem auch nicht, dass die Zahl der kettenrauchenden Alkoholiker unter den Hartz4 Empfängern deutlich höher ist als in der Durchschnittsbevölkerung. Es bekommen ja auch relativ viele alleinerziehende Mütter Hartz4, die überhaupt nicht in das Klischee passen.

Benutzeravatar

» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


Wie soll eine Familie, die Arbeitslosengeld 2 bekommt, denn das Kindergeld verprassen? Da wird das Kindergeld voll als Einkommen der Eltern angerechnet. Sprich ein erwachsener Empfänger von Hartz 4 bekommt monatlich 416 Euro. Ist die Person alleinerziehend und erhält Kindergeld, gibt es 194 Euro Kindergeld, das voll auf den Regelsatz angerechnet wird. Folglich zahlt das Amt nur noch 222 Euro aus. Dazu kommt dann der Regelsatz für das Kind. Steigt das Kindergeld, kürzt das Amt den Anspruch auf Arbeitslosengeld um den Mehrbetrag. Wer von Hartz lebt, hat vom Kindergeld rein gar nichts.

» cooper75 » Beiträge: 13413 » Talkpoints: 516,13 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Natürlich lässt sich so etwas nie verallgemeinern. Natürlich kenne ich Fälle bei denen es genauso ist. Da wird dem Kind an der Supermarktkasse die Schokolade verweigert, weil man es sich „nicht leisten“ kann, aber auf dem Band liegen drei Schachteln Zigaretten. Aber dann gibt es eben noch Fälle in denen eine Alleinerziehende Mutter oder ein Geringverdiener ums Überleben kämpft. Es gab immer Menschen die das Kindergeld „verhaut“ haben und eben welche die es eben nur für die Kinder benutzen. Im Großen und Ganzen kann man aber sagen das Kinder sehr teuer sind und meist nicht viel zum einfach so ausgeben bleibt, selbst wenn man vorgehabt hätte das Geld für andere Sachen auszugeben.

Der Aussage das jemand der von Hartz 4 lebt nichts vom Kindergeld hat stimme ich aber nur bedingt zu: Zwar bekommt derjenige kein Kindergeld bzw. es wird angerechnet. Dafür bekommt derjenige jedoch dann den Regelsatz des Kindes und somit gleicht es sich wieder aus. Es wird nämlich bei jeder Familie individuell berechnet was sich mehr „lohnt“ der erhöhte Regelsatz oder das Kindergeld.

» Anijenije » Beiträge: 2730 » Talkpoints: 53,02 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Anijenije, welcher erhöhte Satz denn bitte? Nehmen wir an Eltern Und zwei Kinder, fünf und zwölf Jahre alt, leben vom Amt. Dann gibt es je 374 Euro für die Eltern. Das jüngere Kind erhält 240 Euro, das ältere bekommt 296 Euro. Ob und in welcher Höhe Kindergeld gezahlt wird, ist für die Familie unerheblich. Die bekommt immer 1.284 Euro. Ob das Geld komplett vom Amt kommt oder ein Teil vom Amt und ein Teil von der Kindergeldkasse ändert an der Höhe nicht einen Cent.

» cooper75 » Beiträge: 13413 » Talkpoints: 516,13 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


baerbel hat geschrieben:Bei der ganzen derzeitigen Diskussion um die Erhöhung des Kindergeldes, wird ja auch oftmals argumentiert, dass gerade bei Hartz4 Familien, das Kindergeld gar nicht so wirklich ankommen würde, sondern die Eltern es meistens für Alkohol, Zigaretten oder technische Anschaffungen ausgeben

Und was ist deine Quelle dieser Behauptungen? Also mal abgesehen von der üblichen Klischeepflege und Stammtischdebatten? Wer argumentiert so? Ich persönlich habe erst vor ein bis drei Wochen in irgendeinem Spiegel-Artikel gelesen, dass dem laut ernsthafter Erhebungen eben nicht so ist und dass das Geld sehr wohl in den meisten Fällen bei den Kindern ankommt.

Wenn es denn, wie hier schon geschrieben wurde, überhaupt dafür reicht und die Miete nicht zu teuer ist oder ein Teil für Strom draufgeht. Denn beides ist unter realistischen Gesichtspunkten in den Regelkosten nicht ausreichend abgegolten und viel zu niedrig berechnet, aber das ist ja ein hinlänglich bekanntes Problem.

» Verbena » Beiträge: 4943 » Talkpoints: 1,99 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Verbena hat geschrieben:Wenn es denn, wie hier schon geschrieben wurde, überhaupt dafür reicht und die Miete nicht zu teuer ist oder ein Teil für Strom draufgeht. Denn beides ist unter realistischen Gesichtspunkten in den Regelkosten nicht ausreichend abgegolten und viel zu niedrig berechnet, aber das ist ja ein hinlänglich bekanntes Problem.

Auch das ist wieder eine übliche Verallgemeinerung. In der Wirklichkeit ist es ja so, dass das Amt eine angemessene Miete bezahlt und dabei auf regionale Gegebenheiten eingeht. Wenn man nicht gerade in einer der ganz großen Städte in Deutschland wohnt, dann bekommt man die Miete anstandslos vom Amt erstattet. Zumal das Amt ja auch nachweisen muss, dass es möglich wäre woanders günstiger zu wohnen. Und in den meisten deutschen Städten kann man schon noch recht günstig wohnen, wenn vielleicht auch nicht gerade im Stadtzentrum.

Ansonsten denke ich aber schon, dass sicherlich oftmals, wenn man es denn so nennen will, Kindergeld veruntreut wird. Das ist aber auch recht normal, wenn ich das Kindergeld einfach auf den Regelsatz anrechne. Das heißt ja nichts anderes als das in der Haushaltskasse für alle anderen Dinge mal eben pro Kind fast 200 Euro fehlen und das Kindergeld dann diese Lücke schließen muss. Das ist eigentlich ein Unding und widerspricht ja völlig der Förderung von Kindern.

Da sollte man lieber das Kindergeld in Sachleistung auszahlen oder es eben nicht als Einkommen anrechnen. Wir geben doch soviel Geld für allen möglichen Blödsinn aus, da kann es doch nicht an den paar Millionen Euro scheitern, die man sparen will in dem man Kindergeld auf die Regelleistungen anrechnet. Und wenn man eben verhindern will, das Kindergeld veruntreut wird, dann muss man es eben anders auszahlen.

Kostenlose Essen in den Schulen und Kitas zum Beispiel, kostenlose Museumsbesuche und konsequente Übernahme von Sportvereinen oder Musikschulen. Da reichen die Leistungen ja oft nicht für aus. Da gäbe es auch sicher noch ganz viele andere Möglichkeiten, wo man sich sicher sein könnte, dass das Geld dann auch wirklich nur für die Kinder verwendet wird.

» Klehmchen » Beiträge: 5487 » Talkpoints: 1.012,67 » Auszeichnung für 5000 Beiträge



Bei Arbeitslosengeld 2 ist es doch politisch gar nicht gewollt, dass das Kindergeld für die Kinder da ist. Die offizielle Rechnung geht so: Die Kinder erhalten den Regelsatz vom Amt, der Regelsatz der Eltern wird um das Kindergeld gekürzt. Eltern müssen damit vom Kindergeld leben. Das ist so gewollt.

Klehmchen, das mit der Miete ist so eine Sache. In meiner Stadt gibt es günstigen Wohnraum für Familien, beziehungsweise Familien finden Wohnungen, die billig genug sind, weil sie winzig sind. Aber Singles müssen oft vom Regelsatz einen Mietanteil übernehmen, weil es eben nichts gibt. Und wir haben viele billige Wohnungen mit Nachtspeicheröfen.

Aber es gibt keinen günstigen Tarif mehr dafür. Es gibt dann zwar einen Zuschuss zu den Stromkosten, aber der reicht nicht. Das ist wie beim Durchlauferhitzer. Sozialtickets kosten erheblich mehr als im Regelsatz vorgesehen und so weiter. Es reicht eben oft doch nicht ansatzweise.

» cooper75 » Beiträge: 13413 » Talkpoints: 516,13 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^