Beim Sparverhalten gleich an Geiz denken
Hier in diesem Thread Zu hause gemachte Leckereien mit zum Weihnachtsmarkt nehmen erzählte ich von einer Bekannten, die versucht an allen Ecken und Kanten zu sparen. Ich habe erst mal bewusst nicht geschrieben, dass die Frau wirklich nicht viel zum Leben hat. Aber sofort wurde von einigen davon geschrieben, dass man sich einmal im Jahr was leisten kann und es wurde auch von Geiz geschrieben.
Mich machte das sehr traurig, weil ich denke, dass keiner weiß, wie es einem Menschen geht, der sich nicht so viel leisten kann, der an allen Ecken und Kanten spart und auch an Weihnachten jeden Cent umdrehen muss, weil dieser Mensch vielleicht eher seinen Lieben Geschenke macht, als sich selbst was zu gönnen. Ich habe selbst alleinerziehend von Sozialhilfe gelebt eine Zeitlang und ich fand es schrecklich, wenn man sah, was andere sich leisten konnten und man selbst kein Bein auf die Erde bekam, weil einfach Kindergartenplätze fehlten und keine Betreuung für die Kinder da war damals.
Denkt ihr bei Sparverhalten anderer Menschen gleich an Geiz? Ist es nicht beschämend für einen Menschen, wenn andere denken, dass er geizig ist, ist es nicht verständlich, dass sich dann die ärmeren Menschen immer mehr zurückziehen und von der Gesellschaft einfach ausgegrenzt werden? Misst man einfach zuviel an der Messlatte, die man selber lebt? Warum denken viele Menschen, dass sich jeder doch einmal im Jahr was leisten kann. Ist manchen Menschen nicht bewusst, was Armut bedeutet?
Einspruch! Im Originalbeitrag stand keine Silbe davon, dass die Frau so arm sei, dass sie selbst die 3,50 Euro für gebrannte Mandeln nicht aufbringen kann, sondern es klang eher danach, als hätte die Gute einfach nur Zeit und Muße übrig, um sich selber an den Herd zu stellen. Das ändert doch alles von der Bewertung her.
In diesem Fall würde ich die gute Frau schlicht auf den Weihnachtsmarkt einladen und ihr Glühwein und Leckereien spendieren, was immer sie möchte. So haben alle was davon, und niemand muss darben und sich traurig die Nase am Fenster platt drücken. Und ich bin auch alles andere als reich.
Mein Grundproblem war auch eher, dass es rein rechnerisch - und da bleibe ich dabei - keine große Ersparnis ausmacht, ob man die Zutaten selber kauft und so weiter. Dann kostet die selbstgemachte Tüte Mandeln eben nur noch 2 Euro, und schon ist die Ersparnis gar nicht mehr so riesig. Und ehrlich gesagt finde ich selber auch, dass man sich manchmal auch etwas verkneifen können muss. Ich hatte auch schon Jahre, an denen ich dem Weihnachtsmarkt aktiv aus dem Weg gegangen bin, um nicht in Versuchung zu geraten. Das ist traurig, aber manchmal muss man eben Prioritäten setzen, so hart es ist.
Ich finde die Aussagen aus dem von dir verlinkten Beitrag total lächerlich. Da soll man sich "was gönnen". Toll. Da ist es ja genauso intelligent, wenn ich jemandem, der am Rande des Existenzminimums lebt, einfach vorschlage, dass er einfach mehr Geld sparen soll für Notzeiten. Manchmal ist nicht genug Geld da zum sparen, das weiß ich selbst aus Studienzeiten. Da ist man froh, dass man einen Tag überhaupt was günstiges zu Essen kaufen konnte und nicht jeder will anderen auf der Tasche liegen. Manchmal reicht das Geld auch trotz Job nicht je nach Wohnort, Miethöhe und äußeren Umständen (Nachwuchs, Kinderbetreuung etc.).
Na ja, mag sein, dass Gerbera da spendabel wäre und so eine "arme Maus" einladen wollen würde. Aber seien wir ehrlich: wer hängt das schon als Betroffener an die große Glocke? Das Thema ist immer noch mit Scham verbunden, weil Menschen, die sehr viel sparen müssen entweder zu faul sind um zu arbeiten oder aber geizig sind. Viele arme Menschen wollen nicht auf andere Gelder angewiesen sein und es lieber auf eigener Kraft schaffen und nicht den Eindruck erwecken, die halbe Welt finanziell auszunutzen. Das sollte man respektieren.
@Gerbera, da stand aber auch nichts davon, dass sie nur zu geizig ist. Das Bild hat sich der Leser des Beitrags selbst gemacht und beim Sparverhalten sofort an Geiz gedacht. Keiner geht ja auch gerne hin und sagt, dass er arm ist und sich deswegen nichts leisten kann. Und denkt dann auch jeder an Geiz statt an Armut? Muss man immer betonen, dass jemand arm ist, wenn er einfach sparen will und sich etwas nicht leisten kann oder will?
Ich gehe nicht gerne auf Weihnachtsmärkte und deswegen werde ich die Bekannte von mir auch nicht einladen. Ich habe ihr eben zwei Tüten meiner Mandeln gebracht, damit sie diese wenigstens hat. Am Weihnachtsmarkt zahlt man fast 4 Euro für 100 Gramm. Selbst gemacht zahlt man für 300 Gramm 3,50 Euro. Also etwas über 1 Euro für 100 Gramm. Da ist die Ersparnis riesig, finde ich.
Du findest also, dass man sich einfach was verkneifen muss? Die Frau ist schon etwas älter. Es wird nie wieder so sein, wie es bei ihr mal gewesen ist. Sie arbeitet in Altersteilzeit um eben auch ihre Rente noch ein wenig aufzubessern und lebt dennoch am Existenzminimum. Wenn sie nicht mehr arbeiten kann, wird es ihr finanziell noch schlechter gehen. Darf sie sich also bis ans Lebensende dann nur noch sagen "Ich muss mir was verkneifen"? Das kann man in jungen Jahren machen, wenn es mal eng wird aber weiß, dass auch bessere Zeiten kommen.
Tut mir Leid, aber für mich klingt es schon nach Geiz wenn ich lese, dass man die schöne Atmosphäre auf dem Weihnachtsmarkt gerne kostenlos mit nimmt, aber nichts für Essen und Trinken ausgeben will. Typische Gratismentalität eben.
Ich glaube, dass jeder, der mal studiert hat und keine reichen Eltern hat weiß wie es ist mit sehr wenig Geld auszukommen. Es ist für Studenten fast normal, dass ihr Einkommen unter Sozialhilfeniveau liegt und, dass vor allem am Anfang eines Semesters am Ende des Geldes noch sehr viel Monat übrig ist. Ich finde es deshalb immer etwas anmaßend wenn mir jemand erzählen will, dass ich ja überhaupt nicht wüsste wie es wäre mit wenig Geld zu leben. Der Weihnachtsmarktbesuch war übrigens trotzdem jedes Jahr drin.
Aber was Armut bedeutet weiß ich tatsächlich nicht. Ich hatte mein Leben lang immer ein Dach über dem Kopf, Zugang zu sauberem Wasser, medizinischer Versorgung und so weiter. Ich habe nie erlebt was es bedeutet ein Leben zu führen, das absolut keine Perspektive bietet, so, dass man sogar den Tod in Kauf nimmt nur um aus diesen Leben raus zu kommen.
Diamante hat geschrieben:Du findest also, dass man sich einfach was verkneifen muss? Die Frau ist schon etwas älter. Es wird nie wieder so sein, wie es bei ihr mal gewesen ist. Sie arbeitet in Altersteilzeit um eben auch ihre Rente noch ein wenig aufzubessern und lebt dennoch am Existenzminimum. Wenn sie nicht mehr arbeiten kann, wird es ihr finanziell noch schlechter gehen. Darf sie sich also bis ans Lebensende dann nur noch sagen "Ich muss mir was verkneifen"? Das kann man in jungen Jahren machen, wenn es mal eng wird aber weiß, dass auch bessere Zeiten kommen.
Ja, finde ich. Schließlich geht es hier - ehrlich gesagt - nicht um sauberes Wasser oder die Miete vom nächsten Monat, sondern um reinen Luxus, und wenn es wirklich völlig ausgeschlossen ist, dass die 3 Euro abfallen können, dann ist das eben so. Schade und traurig, zweifelsohne, aber offensichtlich nicht zu ändern. Zumindest lese ich hier nichts von Ideen, wie man die 3 Euro doch irgendwie auftreiben soll.
Und mein Vorschlag, die Dame dann in Gottes Namen auf einen Weihnachtsmarktbesuch einzuladen, wurde ja auch herablassend abgeschmettert, weil viele Leute ja keine Almosen wollen, weil es ja eine Schande sei, wenig Geld zu haben. Dann gehen mir auch die Ideen aus und ich denke mir, dann bleibt wirklich nur der Verzicht.
Diamante hat geschrieben:Du findest also, dass man sich einfach was verkneifen muss? Die Frau ist schon etwas älter. Es wird nie wieder so sein, wie es bei ihr mal gewesen ist. Sie arbeitet in Altersteilzeit um eben auch ihre Rente noch ein wenig aufzubessern und lebt dennoch am Existenzminimum.
Ja, ich finde auch, dass man sich dann einfach mal etwas verkneifen muss. Das muss nämlich jeder, der nicht Milliarden auf dem Konto hat. Es geht hier nicht um Dinge, die man unbedingt benötigt, es geht um einen kleinen Moment Luxus und Genuss.
Und warum sollte man unbedingt Mitleid mit jemandem haben, der in Altersteilzeit arbeitet? Wer sich dazu entscheidet, voll für weniger Geld zu arbeiten, nimmt die Einbußen hin, damit er früher und ohne Abschläge in Rente gehen kann. Dass man dann in der Arbeitsphase und in der Auszahlungsphase den Gürtel enger schnallen muss, das weiß doch jeder.
Ich weiß auch nicht, warum man eine Einladung gleich so rundweg schlecht macht. Ich halte es wie Gerbera und lade bei Bedarf einfach ein. Und da stelle ich mich ganz sicher nicht hin und sage: "Ich lade dich ein, du hast ja so wenig." ich beschließe dann, dass ich etwas zu feiern habe oder dass ich mich wegen was auch immer so freue, dass die Rechnung auf mich geht. Und schon ist das Problem gelöst. Genauso wie ich nicht sage, dass ich jemanden ins Kino einlade, weil der ja sonst nie rauskommt. Ich jammere dann diskret, dass ich niemanden finde, der Film XY mit mir sehen möchte und ob ich Person A einladen darf, damit ich nicht allein gehen muss.
Ja, ich weiß, wie doof ist es, wenn die soziale kulturelle Teilhabe kaum möglich ist. Aber der Weihnachtsmarkt ist kostenlos. Muss es unbedingt Glühwein oder Mandeln geben, um sich daran zu erfreuen? Ich trinke nie Glühwein und kaufe nie gebrannte Mandeln. Mir hat komischerweise noch nie jemand unterstellt, entweder arm oder geizig zu sein, obwohl ich mit den unterschiedlichsten Menschen auf Weihnachtsmärkte gehe. Und die Mandeln kaufe ich tatsächlich aus Geiz nicht und sage auch, dass ich die zu teuer finde.
Ich würde nie jemanden aufgrund seines Sparverhaltens als geizig bezeichnen. Ich habe den anderen Beitrag nicht verfolgt und verstehe die Diskussion darum gerade überhaupt nicht. Für mich macht es keinen Unterschied ob jemand arm ist und sparen muss oder ob jemand einfach sparsam lebt weil er es so mag. Jeder darf Leben wie er will, das schließt auch das Kauf und Konsumverhalten mit ein. In einem anderen Beitrag habe ich gelesen das es einige hier im Forum gibt die Snacks mit ins Kino schmuggeln weil Ihnen die Snacks dort zu teuer sind. Da fanden es noch alle okay, aber über die Frau wird sich aufgeregt weil Sie ihre eigenen Mandeln mit auf den Weihnachtsmarkt nimmt?
Wie gesagt: Das hat nichts damit das Sie das tun muss weil Sie sich den Weihnachtsmarktbesuch nicht anders leisten kann. Sondern damit das es doch jedem selbst überlassen ist ob er sich so etwas „gönnen“ will. Ich habe schon immer gearbeitet und wohne schon seit Jahren in einer günstigen Wohnung, dadurch blieb mir immer einiges an Geld übrig für Vergnügungen. Ich habe also bei Dingen wie dem Weihnachtsmarktbesuch nicht aufs Geld geachtet und mir einiges „gegönnt“. Rückblickend kann ich darüber nur den Kopf schütteln. Es bleibt ja nicht bei den gebrannten Mandeln, es kommen ja noch andere Dinge hinzu wie Glühwein und etwas zu Essen. Da können zu zweit schon mal Fünfzig Euro drauf gehen. Dann bleibt es auch nicht bei dem einen Besuch sondern es werden drei oder vier.
Dann hat man gerne mal zweihundert Euro für etwas ausgegeben von dem man, wenn man ehrlich ist, überhaupt nichts hat. Das gemütliche Feeling bekomme ich auch zu Hause mit Freunden bei einem Glühwein oder indem ich, ohne etwas zu konsumieren, durch die beleuchtete Stadt spaziere. Versteht mich nicht falsch, ich gönne mir auch sehr gerne einmal etwas. Aber nur weil jemand bei manchen Dingen sparen will, wie bei einem Weihnachtsmarktbesuch, muss es nicht zwangsläufig heißen das derjenige geizig ist.
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