Anonymes Bewerbungsverfahren auch in Deutschland?
In Deutschland genießt man aufgrund der zum Teil liberalen Regierung sehr viele Freiheiten. Dies spiegelt sich auch im Wirtschaftsliberalismus wieder. Um möglichen Konjunkturschwankungen entgegen zu wirken, versucht man mittels angebotsorientierten Maßnahmen die Gegebenheiten für Unternehmen derartig zu verbessern, sodass sie mehr Arbeiter einstellen können. Damit gelingt es der Regierung die Depression zu überwinden.
Leider führen diese Maßnahmen oftmals dazu, dass Arbeitgeber ungerecht selektieren. Sie werden nur noch unzureichend reguliert und dies manifestiert sich in Armutslöhne und Diskriminierung. Bewerber werden beispielsweise aufgrund ihres Geschlechtes abgelehnt.
In Frankreich herrscht ein anonymes Bewerbungssystem. Jegliche Information, die nicht für die Erkennung der Qualitäten des Bewerbers notwendig ist, wird ausgelassen. Dazugehören Bewerbungsfoto und Name, da diese Rückschlüsse auf die Herkunft und Geschlecht geben können.
Findet ihr man sollte ein derartiges Bewerbungsverfahren auch in Deutschland implementieren? Würde dies dazu führen, dass es weniger ungerecht auf dem Arbeitsmarkt abläuft?
Ich habe von einzelnen Betrieben in Deutschland sogar schon gelesen, dass das Bewerbungsverfahren so gewünscht und praktiziert wird. Dies hauptsächlich natürlich von großen Unternehmen. Generell finde ich die Idee klasse, da so Menschen mit Migrationshintergrund und das jeweils andere Geschlecht nicht mehr ausgeschlossen werden.
Was ich mich aber dabei immer gefragt habe: Spätestens wenn der Arbeitsvertrag ausgefertigt wird, kommen doch die Details über Namen und Geschlecht zum Vorschein. Da kann die Autowerkstatt sich doch immer noch gegen eine kopftuchtragende Türkin entscheiden (jetzt ganz klischeehaft formuliert). Was bringt das anonyme Bewerbungsverfahren dann?
Gibt es bereits schon sehr lange in Deutschland und wurde als Pilot von einigen großen Firmen auch eingeführt, die Reaktionen darauf sind allerdings gespalten, denn Diskriminierung kann man damit sicherlich nicht ausschalten. Genauso wie zum Beispiel viele Personaldienstleister (nein nicht Zeitarbeitsfirmen) für die direkte Vermittlung im ersten Schritt in der Regel anonymisierte Profile, die auch das Layout der Leiharbeitsfirma haben verschickt, da stehen auch keine Namen mehr drin, nur noch die Kürzel, also beispielsweise A.M. für Anton Müller, häufig steht auch kein Geburtsdatum dabei oder auch das Geschlecht ist nicht immer genannt. Bei Interesse der Firma gibt es die Informationen dann aber im zweiten Schritt.
Zudem ist es in Deutschland auch schon lange nicht mehr verpflichtend überhaupt ein Foto bei der Bewerbung beizufügen, normalerweise werden Bewerbungen ob mit oder ohne Foto auch tatsächlich gleich behandelt, vielleicht nicht in 100% aller Firmen aber da wird tatsächlich der Prozess deutlich liberaler mittlerweile.
Und egal wo, ein Bewerbungsprozess ist spätestens ab dem Moment nicht mehr anonym wo zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen wird, denn dann steht die Person einem direkt gegenüber und man weiß ob männlich oder weiblich, kann das ungefähre Alter abschätzen (das geht auch vorher schon, anhand der einzelnen Stationen im Lebenslauf, selbst wenn dort keine Jahreszahlen, sondern nur ungefähre Angaben zu Betriebszugehörigkeiten stehen) und auch Indizien für die ethnische Abstammung erahnen, ebenso wie man sich dann ja auch mit Namen vorstellt und dann auch hierüber Abteilungen zur Herkunft geschlossen werden können. Also von einem anonymen Prozess kann man da dann auch nicht mehr sprechen und das auch nicht in Frankreich, denn auch dort wird zu Gesprächen eingeladen. Übrigens sind auch die anonymen Bewerbungen in Frankreich nicht flächendeckend und es wird sich in einem ähnlichen Format wie in Deutschland beworben, nur tatsächlich eigentlich immer ohne Foto.
Jetzt stellt sich dann eben die Frage, wenn jemand Vorurteile hat, dann ändern die sich nicht schlagartig in allen Fällen, nur weil man ein persönliches Gespräch hatte, die bleiben in der Regel bestehen und dann wurde jemand eingeladen, den man dann ja doch wieder ablehnt, auch wenn die Qualifikationen noch so gut und passend sind. Daran wird man in den meisten Fällen nichts ändern können. Da kann man dann eben weiter überlegen, ob es da fair ist den Bewerbern die entsprechende Hoffnung zu machen, man hat ja zum Gespräch eingeladen und damit den ersten Schritt geschafft?
Außerdem gibt es sogar tatsächlich mittlerweile Gründe, warum man Bewerber mit bestimmten Staatsangehörigkeiten ablehnt, so bescheuert das auch klingt, aber wenn man zum Beispiel eine Stelle zu besetzten hat, mit hoher weltweiter Reisebereitschaft inkl. der USA und gerade die USA regelmäßig bereist werden müssen, wie soll das umgesetzt werden, von jemanden der eine Staatsangehörigkeit hat, mit der man nicht in die USA einreisen darf? Wie soll da sicher gestellt werden, dass dann alles reibungslos funktioniert? Fair ist das vielleicht auch nicht, da weder der Bewerber etwas für seine Herkunft kann, noch der Arbeitgeber etwas für die Politik in den USA, der Arbeitgeber ist aber dafür zuständig, das der Bewerber auch seinen Job ausführen kann.
Gibt es doch und es steht nach wie vor jedem frei, wie er seine Bewerbung gestaltet. Auch wenn es nicht gefordert ist, kann man seine Bewerbung so abgeben, dass diese neutral ist. Gleich wird man so oder so nicht behandelt, denn spätestens wenn es zum Vorstellungsgespräch kommt sieht man wer vor einem sitzt und dann fängt es auch dort wieder an mit den Vorurteilen.
Somit müsstest du das komplett Anonym gestalten, von der Bewerbung bis zum unterschriebenen Arbeitsvertrag aber wer will das denn bitteschön? Ich sehe mir auch die Leute gerne an, die ich für mich arbeiten lassen würde und ja, ich habe meine Vorstellungen wie jeder andere auch. Werden diese nicht erfüllt, aus welchen Gründen auch immer, dann war es das mit der Stelle und du findest immer jemanden der Diskriminierung schreit, auch wenn es ein ganz anderer Grund war.
So hatte ich auch schon Bewerber vor mir im Endeffekt sitzen die einen Migrationshintergrund hatten. Ich habe nichts gegen Ausländer, aber es müssen halt Vorschriften eingehalten werden und ich lege wert darauf, dass in meinem Unternehmen deutsch gesprochen wird. Sprich ich stelle auch nur Menschen ein, die die Landessprache beherrschen und nicht nur "ich nix sprechen deutsch".
Da durfte ich mir auch schon anhören, wie Diskriminierend das ganze doch sei warum ich diese nicht einstelle. Aber dadurch dass sie nicht die gleiche Sprache sprechen wie 100% der Belegschaft, kann es zu Missverständnissen kommen, es ist aufwendiger sie einzuarbeiten und brauchen dann auch einen Ansprechpartner mit der Landessprache, was es für mich wieder teurer und komplizierter macht.
So ein anonymes Bewerbungsverfahren bringt doch nichts. Wie schon angemerkt worden ist, würden dann doch spätestens bei den Vorstellungsgesprächen die Vorurteile zum Tragen kommen und wenn Unternehmen vorher die Bewerbungen wegen der Vorurteile ausselektiert hätten, kann das doch nach dem Vorstellungsgespräch nachgeholt werden. Daher ist es doch ein Trugschluss, wenn man sich einbildet, dass man durch anonymisierte Bewerbungen größere Chancen auf einen bestimmten Arbeitsplatz hätte. Wenn die eigene Nase den Personalern nicht gefällt, dann kommt man da so oder so nicht rein.
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