Sich am Arbeitsplatz mit anderen streiten?
Ich unterhielt mich kürzlich mit einer Kollegin, wobei diese meinte, dass sie mal zufällig einen richtig heftigen Streit zwischen der Chefin und ihrem Vertreter mitbekommen hätte. Die beiden hätten sich wohl angeschrien und trotz geschlossener Türe hätte man durch die Wände alles hören können. Hinterher wäre die Chefin wohl wutentbrannt aus dem Gebäude gerannt.
Ich bin noch nie auf die Idee gekommen, mich mit anderen am Arbeitsplatz zu streiten und komme immer sehr gut mit meinen Kollegen oder mit der Führung aus. Gut, es gibt vielleicht mal Differenzen, aber die kann man ja auch bereinigen ohne sich so zu fetzen. Habt ihr euch schon am Arbeitsplatz mit anderen gestritten? Worum ging es da? Achtet ihr da auf Diskretion oder ist es euch egal, ob es alle mitbekommen?
Mit meinem ersten Chef hat es regelmäßig und extrem lautstark gekracht. Da verlor man regelmäßig Mitarbeiter, die weinend aus dem Betrieb flüchteten und dabei den Schlüssel auf die Anmeldung warfen. Da anzunehmen, dass man Differenzen auch so bereinigen könnte, war vollkommen utopisch. Man würde sowieso zusammengebrüllt, ob man Schuld an der Situation war oder etwas gesagt hat oder nicht, war unerheblich.
Warum der ausflippte? Stress mit der Frau oder fachlicher Ärger wurde einfach weitergereicht. Da reichte etwas Staub auf dem Türrahmen, ein während der Sprechstunde doppelt vergebener Termin (damals hatte man noch Kalender aus Papier und glich mehrmals täglich ab), ein Kratzer beim Rasieren des Operationsfeldes, ein falscher Ton beim Sprüchlein am Telefon, ein falscher Gesichtsausdruck, zwei Minuten Warten auf den Tee, ein frischer Fleck auf der Kleidung oder ein vergessenes Namensschild.
Ich habe diese Ausbrüche immer vermeintlich demütig über mich ergeben lassen. Sprich, ich stand da und guckte nach unten. Dabei musste ich mir immer sagen, dass ich gleichmäßig atmen muss und ich musste mir kräftig auf die Wangen beißen. Sonst hätte ich gelacht und das hätte meine Situation wohl kaum verbessert. Aber da waren diese hektischen violetten Flecken am Hals und ich hatte immer einen Truthahn oder das HB-Männchen vor Augen. Oder ich bin im Geiste die Chancen für einen Herzinfarkt oder Schlaganfall durchgegangen.
Direkt reagiert habe ich nur, wenn keine Kunden da waren. Ansonsten habe ich das auf das Ende der Sprechstunde verschoben. Dann allerdings bin ich meinen Chef falten gegangen. Das wurde dann auch wieder laut, weil der ausflippte. Aber nach etwa 20 Minuten verebbte der Zorn, dann konnte man reden. Mit der Zeit hat er mich dann ordentlich behandelt. Das war hatte Arbeit.
Aber ich wollte nur in die Situation kommen, so verletzt zu werden, dass ich heulend die Brocken hinwerfe. Und morgens mit Weinkrämpfen aufwachen und Magengeschwüre haben wir eine Kollegin, die sich nicht wehren konnte, das sollte ich auch nicht. Den Job aufgeben, das war auch keine Option, weil ich den Zugang zum Wissen unbedingt behalten wollte.
Wenn es nicht anders geht. Wenn es nach mir ginge (ausgeprägtes Phlegma, Abneigung gegen Konflikte und schreien kann ich auch nicht) könnte man die "Differenzen" am Arbeitsplatz auch sachlich durch Gespräche und Verhandlungen regeln, aber man erkläre das mal denen, die angerannt kommen und anfangen zu toben! Es gehören immer mindestens zwei zur sachlichen Bereinigung von Differenzen.
Wenn mich also jemand unhöflich anpampt oder mir Vorwürfe macht, weiß ich mich schon zu wehren. Wer um des lieben Friedens alles schluckt und ja keinen Wirbel machen will, bekommt die schon erwähnten Magengeschwüre, Burnout oder ruiniert sich sonst wie die Gesundheit. Und kein Job ist mir das wert.
Entweder ich muss kündigen, was auch oft leichter gesagt ist als getan, oder ein paar klare Ansagen treffen, und wenn andere Leute dann anfangen zu schreien und mit den Türen zu knallen, kann ich auch nicht helfen. Wieso sollte ich Magengeschwüre bekommen, damit der Chef keinen Herzinfarkt bekommt? Besser der als ich.
Wenn es sich vermeiden lässt, dann möchte ich lieber auch keinen richtigen Streit am Arbeitsplatz haben. In den meisten Fällen kann man Differenzen ja auch in einem ruhigen Ton klären und eine Eskalation vermeiden. Wenn es aber schon eskaliert ist und ich lautstark an gemeckert werde, dann wehre ich mich auch. Zumindest sage ich dann mal in einem lauteren Ton meine Meinung zu der Sache, weil ich es einfach nicht einsehe, alles in mich hinein zu fressen, weil ich nichts sagen darf.
Mir ging es bisher nur ein Mal so, dass ich einen kleineren Streit hatte. Der Vorgesetzte war der Meinung mich immer wieder laufen lassen zu können, ohne genaue Angaben und immer wenn ich wieder bei ihm war wollte er das Nächste aus dem Regal, von dem ich ihm schon etwas mitgebracht habe.
Man muss dazu sagen ich bin extra mit einem Wagen los, also hätte das auch da Platz gehabt und irgendwann fing er dann an zu lachen und erklärte mir, dass er das gerne mal macht, weil es lustig ist. Da konnte ich dann auch nicht mehr an mich halten, weil das so viel verschwendete Zeit war, ich mich mit dem Wagen und den engen Gängen sehr abmühen musste.
Tatsächlich war ich wohl die erste Person, die diese und weitere Launen, mit anschreien seinerseits und so weiter, nicht so hingenommen hat. Ich habe ihm etwas entgegengesetzt und tatsächlich hat er sich dann bei mir bedankt, wenn ich ihm etwas gebracht habe und hat dann auch Bitte gesagt. Das hatten die Leute dort noch nie von ihm gehört. Er hatte mich dann auch sehr gerne, weil er mit mir auf einer Ebene reden konnte, die ganzen Ja Sager gingen ihm auf den Keks.
Natürlich sollte man so etwas vermeiden, aber man ist auch nur ein Mensch und wenn sich irgendwer immer daneben benimmt, dann sollte man ihm auch mal die Meinung sagen können. Ein lauter Streit muss nicht immer sein, aber wenn es reicht, dann reicht es.
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