Wann und warum setzt Verbitterung beim Menschen ein?
Es gibt ja durchaus sehr verbitterte Menschen, die mit ihrer Art ziemlich negativ auf ihre Mitmenschen wirken. Was ist aber die Ursache für diese Verbitterung und warum setzt sie beim Menschen ein? Meint ihr, dass jeder Mensch bei entsprechenden Erfahrungen und Ereignissen verbittert wird oder ist das eurer Ansicht nach eher eine Frage des Charakters und der inneren Einstellung?
Zu einer Verbitterung kann es kommen, wenn eine Form der Enttäuschung von Grundannahmen, Werten oder Vertrauen erlebt. Die Situation bewertet man dabei persönlich als wichtig. Oft ist dies in Reaktion mit einer anderen Partei. Es wird etwas als ungerecht, oder als Kränkung empfunden und kann auch abstrakt sein. Man empfindet zum Beispiel die Welt im allgemeinen als ungerecht. Eine meiner Ansicht nach sehr bedenkliche psychische Generalisierung.
Die Verbitterung hat viel mit Frustration gemeinsam. Wobei bei der Frustration diese oft in Verbindung mit eigenen Taten zu betrachten ist, die fruchtlos im Sand verlaufen. Die Verbitterung impliziert eher eine Form der Hilflosigkeit durch etwas das von außen auf einen trifft und man fühlt sich nicht imstande diesbezüglich etwas zu verändern. Die Verbitterung ist wie die Angst eine reaktive Emotion auf eine äußere Gegebenheit. Hier jedoch beispielsweise in Form einer Kränkung, Vertrauensbruch, oder Herabwürdigung.
Mittlerweile wird eine Form der klinisch relevanten Verbitterung diskutiert. Der sogenannten der Posttraumatischen Verbitterungsstörung (englisch: Posttraumatic Embitterment Disorder/PTED). Es ist eine schwere Verbitterungsreaktion bei grober Verletzung von Grundgerüsten der eigentlichen Persönlichkeit. Diese sind feste Grundannahmen und Werte, die für eine Person immens wichtig sind. Beispielsweise hat man in einer Beziehung die fundamentale Wertorientierung, dass Loyalität und Treue in einer Partnerschaft sehr wichtig sind.
Kommt es dann doch zum Betrug des Partners kann dies eine schwere Verbitterungsreaktion auslösen. Bei einer massiven Erschütterung seiner persönlichen Grundwerte kann eine krankhafte Reaktion mit Verbitterung als Leitemotion ausgelöst werden. Weitere Symptome wären unter anderen auch Selbst- und Fremdaggression. Auch phobische Reaktionen sind denkbar. Beispielsweise kann es dazu führen, dass man Orte meidet, welche mit der Kränkung in Verbindung gebracht werden.
Um dies jedoch genau beurteilen zu können ist eine klinische Testung vonnöten. Es gibt dazu ein Messinstrument - den Berner Verbitterungsbogen. Persönlich bin ich jedoch noch nicht ganz zufrieden mit der empirischen/klinischen Anwendbarkeit des Fragebogens. Da das Konstrukt der Verbitterung in der Psychologie jedoch erst seit einem Jahrzehnt vermehr Aufmerksamkeit bekommt, kann man noch nicht sehr viel von einem der ersten Messinstrumente erwarten. In der Persönlichkeitspsychologie sind 10 Jahre noch keine Zeitspanne, um ein "neues" Konstrukt bzw. ein klinisches Krankheitsbild geläufig zu machen.
Was einen nun genau verbittert hängt von der persönlichen Bedeutung zusammen, die eine Situation in sich trägt. Es ist eine besonders schmerzhafte Emotion, da die Verbitterung oft in Verbindung mit Umständen bzw. Personen steht, die einem wirklich wichtig sind. Ist die persönliche Bedeutung geringer ist auch die Verbitterung abgeschwächt, oder gar nicht vorhanden. Hier setzt auch die Therapie an. Zentral ist hierbei die Vergebung, um eine neue Perspektive einzuleiten.
Ganz laienhaft wiederum würde ich behaupten, dass es zumindest zum Teil eine Charakterfrage ist, ob jemand an Widerständen wächst oder verbittert, wobei man natürlich auch nicht aus den Augen verlieren sollte, dass manche Menschen wirklich extreme Schicksalsschläge aushalten müssen. Auf die würde ich dann auch nicht mit dem Finger zeigen und sie fragen, wieso sie nicht positiv mit dem Erlebten umgehen und an Reife und Weisheit dadurch gewinnen.
Aber wenn man von einem ganz normalen 08/15 Leben ausgeht, frage ich mich oft, wieso manche Leute ständig das Gefühl haben, zu kurz zu kommen, von Neid zerfressen werden und mit ihrem Schicksal hadern, während andere, denen objektiv gesehen auch Schlimmes passiert ist, nicht verbittern, sondern am Erlebten reifen und daraus lernen. Ich vermute, dass die Antwort im individuellen Weltbild und der Lebenserfahrung liegt, mit denen jeder unterschiedlich umgeht.
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