Als Ärztin für Krankenschwester gehalten werden?

Eine Bekannte von mir ist Ärztin, wobei sie schon seit über 30 Jahren Berufserfahrung hat. Sie war kürzlich auf Reisen und am Flughafen im Ausland hat sie dann erlebt, wie eine Frau kollabiert ist. Sie hat dann Erstversorgung geleistet und zufällig eine Krankenschwester in der Nähe gehabt, sodass die Versorgung gewährleistet werden konnte.

Jedenfalls ist dann laut ihrer eigenen Aussage ein Mann um die Ecke gekommen, der wohl Arzt war und der meine Bekannte für eine Krankenschwester gehalten und sie auch so angesprochen hat. Scheinbar war es für ihn gar nicht möglich, dass auch eine Frau Ärztin sein kann.

Meine Bekannte hat sich sehr darüber aufgeregt und sie meinte, dass ihr das in ihrem Leben schon häufiger passiert sei und sie das so gar nicht nachvollziehen könne, da unter den Medizinstudenten und -absolventen deutlich mehr Frauen als Männer wären. Könnt ihr nachvollziehen, dass man als Ärztin für eine Krankenschwester gehalten wird? Wie würdet ihr in so einem Fall reagieren? Woher kommt so ein Denken?

Vielleicht liegt es daran, dass es einfach mehr Krankenschwestern als Krankenpfleger gibt. Das wäre ja eine Möglichkeit. Da denkt man dann vielleicht einfach eher, dass eine Krankenschwester zufällig dort war und geholfen hat. Ich würde da jetzt mal keine Böswilligkeit unterstellen. Ich glaube auch nicht, dass ich mich darüber großartig aufgeregt hätte. Es kommt sicherlich darauf an, wie der Arzt denn mit deiner Bekannten gesprochen hat.

Mein Vater beispielsweise geht auf die 80 zu und für ihn sehen alle Leute unter 50 allmählich wie Teenager aus, weswegen er sich hin und wieder schwertut, eine Ärztin zu identifizieren, wenn diese in seinen Augen aussieht wie eine Schwesternschülerin von 18 Jahren. Und ganz aus der Luft gegriffen ist das Vorurteil schließlich auch nicht, gerade wenn man nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist und sich nicht wirklich dafür interessiert oder einen direkten Einblick hat, wie das Geschlechterverhältnis bei Medizinern jetzt im 21. Jahrhundert aussieht. Viele Leute leben bekanntlich auch heute noch nach traditionellen Geschlechterrollen, und da sieht es eben auch im Job so aus wie in der Schwarzwaldklinik. Und damit meine ich nicht nur 80-jährige Greise.

In diesem Fall würde ich mich wahrscheinlich auch zumindest ein wenig ärgern, aber letzten Endes kann man den Leuten ihre sexistischen Vorurteile leider nicht austreiben. In meinen Augen ist schon viel gewonnen, wenn man seine eigenen Vorurteile hinterfragt und beim nächsten Mal vielleicht selbst ein vergleichbares Fettnäpfchen verhindert, wenn man beispielsweise einem männlichen Grundschullehrer begegnet oder ähnliches.

Ich habe das im Krankenhaus schon erlebt. Meine Station hatte eine noch recht junge Stationsärztin und ich habe mehrmals mitbekommen, dass sie von älteren Leuten mit "Schwester" angesprochen wurde und das, obwohl sie ein Namensschild getragen hat auf dem sowohl der Titel als auch die Funktion vermerkt war.

Ich glaube das liegt wirklich am Alter der Patienten, denn ich glaube nicht, dass jemand in meinem Alter denken würde, dass die Frauen immer die Krankenschwestern sind und die Ärzte natürlich männlich sind. Außerdem hat man in jungen Jahren meistens bessere Augen und schaut auf die Namensschilder.

Ich denke mal, dass das von dem Mann gar nicht böse gemeint war, sondern dass er wirklich nicht darüber nachgedacht hat, dass eine Frau auch Ärztin sein kann. Richtig nachvollziehen kann ich es trotzdem nicht, da es doch nichts neues mehr ist, dass auch Frauen Medizin studieren und als Ärztinnen arbeiten.

Aber aufregen würde ich mich dann auch nicht länger, nur im ersten Moment würde es mich wohl schon ärgern. Aber wenn man sich dann dem Menschen vorstellt und sagt, dass man Ärztin ist, dann wird es ihm bestimmt auch unangenehm sein.