Als neuer Nachbar sich vorstellen altmodisch geworden?
Im Mietshaus meiner Eltern ist es immer noch so, dass sich die neuen Mieter dort bei den Nachbarn vorstellen. Eine Bekannte von mir ist nun auch in ein Mehrfamilienhaus gezogen und sie meinte, dass sie das nicht macht, weil das ziemlich altmodisch ist und die Nachbarn sie schon irgendwann kennenlernen würden.
Wenn ihr in ein Mietshaus zieht, in dem mehrere Parteien wohnen, stellt ihr euch bei den Nachbarn vor oder empfindet ihr das auch als altmodisch? Wie sieht das aus, wenn man in ein Haus zieht, in dem man alleine wohnt und die unmittelbaren Nachbarn nicht direkt neben einem Wohnen, sondern in einer Siedlung verteilt? Wenn also alles freistehende Häuser sind, sollte man sich dann in der Nachbarschaft vorstellen oder ist sowas veraltet?
Ich denke eigentlich nicht, dass man das als modern oder veraltet bezeichnen kann, ich denke eher, dass das auf die Menschen ankommt und auch auf die Region, in der man lebt. Es gibt einfach viele Menschen, die verklemmt und schüchtern sind oder meinen sie wären dafür zu gut, hätten keine Zeit. Wenn man nicht möchte, kann man immer einen Grund finden, den man vorschieben kann. Andere Menschen sind da offener und wollen sich schon eher vorstellen und Kontakt mit den Menschen knüpfen.
Auch wird das von der Region abhängen. Wenn man auf das Land zieht, sind die Menschen da vielleicht umgänglicher und kontaktfreudiger, als in der Großstadt und wenn man ein Reihenhaus kauft oder ein freistehendes Haus auf dem Land, wird es nicht so wahnsinnig viele Nachbarn geben, denen man sich vorstellen kann. Auch ist man da vielleicht in bestimmten Situationen eher auf die Nachbarn angewiesen. In der Großstadt wahren viele eher die Distanz, man hat in Hochhäusern viele Nachbarn, von denen man eben auch viele so gut wie gar nicht sieht.
Ich selbst habe mich bei meinem Umzug vor zwei Jahren nicht vorgestellt, musste ich auch gar nicht. Ich habe mir gedacht, ich bin nicht hier, um Freundschaften zu knüpfen. sondern um zu studieren. Die beiden Familien unter uns sind aber selber gekommen und haben sich vorgestellt. Das war nicht so toll, weil beide unglaubliche Labbertaschen sind und meine Mitbewohner deswegen nicht einmal den Bus verpasst hat. Und die untere Familie möchte dauernd, dass wir ihren Kindern Nachhilfe geben. Manchmal wäre man mal besser für sich geblieben, wenn man ohnehin wenig Zeit hat, denke ich mir.
Ich finde es überhaupt nicht altmodisch. Im Gegenteil, für mich wäre es unvorstellbar, mich nicht bei meinen Nachbarn vorzustellen. Denn wenn wir mal ehrlich sind hat man von einer guten Beziehung zu seinen Nachbarn nur Vorteile. Angefangen mit der Butter, die am Sonntag beim Backen auf einmal fehlt, über Post und Blumen, um die sich im Urlaub gekümmert werden will, bis hin zu netten gemeinsamen Abenden - ich finde es toll, Nachbarn zu haben, auf die ich mich verlassen kann.
Ich wohne in einem Miethaus mit vier Parteien und offen gesagt habe ich mich nur mit einer Partei bekannt gemacht als wir hier eingezogen sind. Das hat ganz einfache Gründe: die alte Dame unter uns ist faktisch nie zu Hause und die zwei Herren nebenan sind auch fast nie zu Hause, sodass man sich nie antrifft. Wem soll man sich also vorstellen, wenn eh niemand anzutreffen ist? Ich weiß nicht mal, wie diese Nachbarn überhaupt aussehen und würde sie nicht erkennen, wenn ich sie im Treppenhaus treffen würde, könnte ja genauso gut ein Gast sein von jemandem im Haus und nicht der Mieter selbst.
Ob es altmodisch ist, weiß ich nicht und selbst wenn, ist es mir auch egal. Als ich in meine aktuelle Wohnung gezogen bin, habe ich mich nicht groß vorgestellt, weil ich lieber anonym bleibe. Zwar grüße ich höflich, halte die Tür auf, helfe auch mal mit einer schweren Kiste und mache weder Krach noch Dreck, aber ich habe keinerlei Interesse an näherem Kontakt mit meinen Nachbarn.
Meine Amazonlieferungen und meine Einkäufe bekomme ich schon selber gebacken, und nur damit man Gefallen von anderen Leuten abgreift, möchte ich diese nicht belästigen und umgekehrt auch meine Ruhe. Meine Wohnung in diesem Mehrfamilienhaus ist mein Rückzugsort, wo ich nichts und niemanden sehen und hören will, und schon gar kein Schwätzchen im Treppenhaus halten oder gar mitbekommen, welche Gerüchte unter den ganzen gelangweilten Rentnern mal wieder kursieren.
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