In Großstadt denken man sei auf dem Land?

Ich bin vor einigen Wochen durch eine Großstadt gefahren, wobei ich ehrlich gesagt kaum glauben konnte, dass das wirklich eine Großstadt mit über 300.000 Einwohnern sein sollte. Denn die Struktur war eher dörflich bis ländlich, was ich sogar nicht kenne. Ich bin auf dem Land aufgewachsen und es sah dort stellenweise genauso aus wie der Ort, in dem ich aufgewachsen bin, nur mit dem Unterschied, dass das eben sehr weit weg von meinem Elternhaus ist.

Ward ihr auch schon in einer Großstadt und habt den Eindruck gehabt, eher auf dem Land zu sein als in einer Stadt? Bei welchen Städten war das der Fall? Welche Faktoren begünstigen diesen Eindruck eurer Ansicht nach?

Es gibt viele Großstädte, die sehr ländlich strukturierte Viertel haben. Oft ist ja nur die eigentliche Kernstadt sehr dicht bebaut, während sich drum herum viele Stadtteile mit eher ländlichem Charakter gruppieren. Ich denke da nur an Berlin, das außerhalb des S-Bahn-Rings in weiten Teilen sehr dörflich wirkt und von vielen Seen durchzogen ist. Wenn man z.B. in Kladow, Lübars, oder in der Gegend um den Müggelsee unterwegs ist, dann kann man kaum glauben, dass man sich noch in Berlin befindet. Insbesondere die Seengebiete in Berlin mag ich sehr gern und sie haben fast den Charakter von kleinen Urlaubsorten mit Bootsanlegern und "Strand-Cafés".

Ich finde das überhaupt nicht ungewöhnlich. Ich bin mitten im Ruhrgebiet aufgewachsen, und damals gab es noch mehr Stahlwerke und so. Aber mein ursprünglicher Stadtteil trägt den Bestandteil "Dorf" im Namen und das sieht auch so aus.

Dort gibt es Bauenhöfe auf dem 14. Jahrhundert. Jeder kennt jeden und die Kirchengemeinden funktionieren noch. Es ist sehr grün, man kann stundenlang spazieren gehen und zwei, drei Stunden im Grünen ausreiten ist auch möglich. Wer die Wege kennt, der kommt komplett im Grünen ins Bergische Land. Und dabei geht es eben nicht nur um die Großstadt mit rund 360.000 Einwohnern. Denn die Stadt liegt in einem Ballungsraum mit gut sieben Millionen Menschen auf engstem Raum. Trotzdem haben viele Stadtteile einen ländlichen Charakter.

Ich finde das auch durchaus nicht ungewöhnlich, denn ich bin in einer Großstadt aufgewachsen, aber in einer sehr ruhigen Gegend. Wenn mich meine Verwandten besucht haben, die alle auf dem Land leben, dann haben sie alle gesagt, dass es bei uns ja noch viel ruhiger sei als bei ihnen. Darum finde ich das eigentlich auch ganz normal, dass es auch in Großstädten durchaus Bereiche gibt, bei denen man sich fühlt, als wenn man auf dem Land wäre.

Auch ich finde es nicht ungewöhnlich das man auch in einer Großstadt manchmal das Gefühl hat auf dem Land zu sein. Viele Großstädte haben die Struktur einer kleinen Stadt und sind nur an ein paar Flecken recht dicht besiedelt. Manchmal ist die Stadt auch so weitläufig das es einem so vorkommt als würden dort nicht viele Menschen leben bzw. das die Stadt nicht so dicht besiedelt ist. Dann hat man auch oft den Eindruck in einer kleinen Stadt oder einem Dorf zu sein.

In meinem Wohnort ist es auch so das man das Gefühl hat eher auf dem Land zu sein, obwohl in meiner Stadt mehr als 200.000 Menschen leben. Außerdem kennt gefühlt Jeder jeden wodurch sich dieses Gefühl noch verstärkt. Es kommt auch immer darauf an wo man vorher gewohnt hat oder welche Städte man gewohnt ist. Eine Freundin kommt aus einer deutschen Metropole und hat selbst in sehr großen Städten das Gefühl auf dem Land zu sein. Eine andere Freundin kommt auf einem einhundert Seelen Dort und denkt wenn Sie mich besucht Sie steht mitten in Hamburg oder Berlin. Ist also alles Ansichtssache.

Das stimmt, es hängt auch davon ab, ob man normalerweise ländlich oder großstädtisch wohnt, wie man eine andere Großstadt wahrnimmt. Während ich sogar in Berlin oder München an vielen Stellen das Gefühl habe, es wäre fast ländlich, sagen mir die Leute aus meinem kleinen Heimatort (wo ich geboren bin), dass sie z.B. München furchtbar stressig und chaotisch finden.

Auch das subjektive Sicherheitsgefühl ist recht unterschiedlich. Während ich mich sowohl in München als auch in Berlin fast überall ziemlich sicher fühle, hat mal ein Kollege von mir auf einer Dienstreise nach Berlin sämtliche Wege mit dem Taxi zurückgelegt, weil er Angst vor Kriminalität hatte.

@lacar, ich meine mit dem Gefühl, auf dem Land zu sein, das hier. Denn in der Gegend bin ich "in der Großstadt" aufgewachsen. Das entspricht dem Blick aus dem Elternhaus. Das ist alles nur wenige hundert Meter von meinem Elternhaus entfernt und mitten im verbauten und "dreckigen" Ruhrgebiet.

Es liegt auch daran, dass viele Großstädte ursprünglich ebenfalls ein Gebiet mit mehreren Kleinstädten oder Dörfern gewesen sind, die einfach nach und nach zusammengewachsen sind. Zwischen den früheren Ortskernen liegt daher häufig noch Grünland, und trotzdem befindet man sich inmitten einer Großstadt.

So ist es z.B. in München (Sendling, Großhadern etc. sind die alten Dörfer, und es ist auch noch der jeweilige alte Dorfkern sichtbar - im Stadtteil Sendling gibt es noch die Dorfkirche und gegenüber einen alten Bauernhof) oder in Berlin: Charlottenburg, Schöneberg, Köpenick etc. waren früher sogar eigenständige Städte. Und Richtung Wannsee oder am Müggelsee sieht man noch die ländlichen Strukturen recht deutlich.

Auch im Ruhrgebiet ist es ähnlich, und ich finde das angeblich graue Ruhrgebiet sowieso recht grün.