Bereitet Heiraten heute weniger Freude als früher?

vom 06.08.2014, 09:58 Uhr

Ich hatte bisher schon häufiger das Gefühl, dass heiraten heute nicht mehr das ist, was es mal früher war. Früher war es ein gutes Zeichen, wenn man unter der Haube war und teilweise war es ja sogar so, dass es peinlich war, wenn man in einem bestimmten Alter noch nicht unter der Haube war, weil man dann nicht mehr als begehrenswert erachtet wurde und die Leute von einem glauben konnten, es würde etwas nicht mit einem stimmen. Meine beiden Großeltern hatten beide recht viele Kinder (3 und 5) und da waren alle relativ schnell geheiratet, nur eine Tante ist mit 35 Jahren immer noch nicht verheiratet. Da meine Großeltern in Polen in einem relativ kleinen Ort leben, gilt Heirat dort eigentlich immer noch als Ziel und man fragt sich manchmal natürlich schon, warum meine Tante keinen Mann gefunden hat.

In Deutschland ist das bei den älteren Generationen vielleicht nicht mehr so extrem gewesen, wie das in einigen Gegenden in Polen ist, dort sind die Leute einfach noch sehr religiös. Die jungen Generationen unterscheiden sich in Deutschland meiner Einschätzung nach aber schon sehr, denn da gilt Heiraten eigentlich nicht mehr als so erstrebenswert. Früher hätte wahrscheinlich noch jeder junge Mensch in seine spätere Lebensplanung eine Heirat mit einbezogen, heute ist das nicht mehr so. Viele von meinen Cousins und Cousinen haben inzwischen auch schon Kinder und sind verheiratet, obwohl sie nur wenige Jahre älter sind, als ich. Ich selbst möchte definitiv noch nicht heiraten, muss allerdings auch feststellen, dass ich hier in Deutschland in dieser Altersgruppe gar keine verheirateten Paare kenne.

Auch wenn ich Freundinnen von mir frage und mit ihnen rede, scheint Heirat kein großes Thema zu sein. Einige sind Single, streben in den nächsten Jahren aber auch keine Heirat an und viele die einen Freund haben, möchten dieses Thema auch erstmal hinausschieben. Oft stehen bestimmte Gründe im Weg, beispielsweise möchte man sich sicher sein, dass er der richtige ist, hat aber auch oft Angst davor, was von einem erstmal erwartet wird, wenn man verheiratet ist. Ich kenne auch Frauen, die es beispielsweise genießen, dass sie alleine wohnen und die befürchten, dass es sie in ihrer Lebensweise einschränken und die Beziehung zerstören könnte, wenn sie wegen einer Heirat mit ihrem Freund zusammenziehen müssten. Auch wollen sich viele erstmal auf ihr Studium und ihre Karriere konzentrieren und möchten in den nächsten Jahren keine Kinder haben oder so, was bei verheirateten mitunter ja auch oft erwartet wird und wo manchmal dann auch die Eltern den Wunsch nach Enkeln äußern.

Ich hatte bereits zwei Fälle in meinem direkten Umfeld, wo es vorkam, dass Frauen Hochzeitsanträge abgelehnt haben. Beide Paare sind übrigens noch zusammen, allerdings haben die Frauen direkt beim Antrag gesagt, dass sie gerne noch warten möchten. Dabei sind beide Paare bereits mehrere Jahre verheiratet. Ich finde dieses Phänomen interessant und es scheint mir einfach, als ob sich auch viele Frauen dieses klassische Familienbild gar nicht mehr wünschen. Viele Frauen heute wollen lieber Karriere machen und was vernünftiges lernen und haben Angst davor, dass sie nach einer Heirat zu Hause mit dem Kind bleiben müssen oder dass das ganze in ein Rollenverhalten über geht, wo sie dann letztendlich doch für Haushalt und Co. verantwortlich sein werden, obwohl sie das gar nicht wollen.

Mein Freund möchte auch schon seit längerem mit mir zusammen ziehen, allerdings sind wir uns einig, dass wir warten wollen, bis er sein Examen beendet hat und ich selbst muss sagen, dass es mir sogar lieber wäre, wenn man dann noch zwei bis drei Jahre warten würde. Ich mag meine neue Wohnung und genieße es, dass ich etwa den Haushalt und andere Dinge machen kann, wann ich will und mich nicht nach jemandem richten muss. Mit ihm zusammen zu wohnen könnte mitunter bedeuten, dass er mich beim Lernen einschränkt und das möchte ich derzeit nicht.

Letztendlich habe ich den Eindruck gewonnen, dass Heiraten heute nicht mehr die gleiche Freude bereitet wie früher, weil Frauen heute eben auch ohne einen Mann glücklich und unabhängig sind und noch vor Jahren der Wunsch nach einem Kind und einem Mann der das alles dann finanziert, größer war als heute. Viele scheinen in einer Heirat sogar Einschränkungen für sich selbst zu sehen und entscheiden sich bewusst dagegen. Habt ihr ähnliche Eindrücke bekommen in den letzten Jahren? Denkt ihr dass es unterschiedliche Gründe dafür gibt, warum viele junge Leute sich heute nicht mehr so darauf freuen, mal zu heiraten?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Ich glaube, dass es auch heute noch genug Menschen gibt, die eine Heirat anstreben. Heute steht man nach einer Heirat eben als Frau nicht mehr unbedingt am Herd, sondern ist gleichgestellt. Das ist doch auch kein Schritt, den man fürchten muss. Immerhin kann man doch der Person, mit der man sein Leben verbringen will dies auch zeigen. Man muss es heute nicht mehr und so entscheiden sich viele dagegen, weil auch sicherlich nicht jeder eine große Feier bezahlen mag, aber man muss einfach auch nicht einen gemeinsamen Nachnamen haben um zu zeigen, dass man sich liebt.

Früher war es ja auch so, dass man zusammenbleiben musste, weil es sich nicht schickte sich wieder zu trennen oder sich gar scheiden zu lassen. Solche Zeiten sind eben vorbei und jeder kann selber entscheiden, was er will. Die Heirat ist dann vielleicht in einigen Köpfen ein Bestandteil aus alten Zeiten, die die Aufgabe der eigenen Person symbolisiert. Wobei dies ja gar nicht der Fall ist. Was soll sich denn durch so einen Schein schon ändern? Festgekettet wird man dadurch sicher nicht.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Vielleicht solltest du dabei bedenken aus welchen Gründen man früher geheiratet hat. Nicht selten war dann das erste Kind offiziell eine Frühgeburt, weil man eben schnell geheiratet hat, damit das Kind nicht unehelich auf die Welt kommt. Dieses Denken gab es sogar noch Ende der 1960er Jahre in ländlichen Gegenden Deutschlands. Immerhin sind zwei der Geschwister meines Vaters aus diesem Grund vor den Traualtar getreten.

Und je weiter man zurück geht in der Geschichte, desto größer haben allein die Schwangerschaften zur Ehe geführt. Dazu haben Frauen damals meist keinen Beruf erlernt und die Eltern wollten sie versorgt wissen. Aus diesem Grund gab es eher seltener Liebesheiraten, sondern die Ehen wurden von den Eltern arrangiert. Heute sind aber Frauen nicht mehr auf einen Versorger angewiesen und deswegen ist eine frühe Heirat auch nicht mehr wichtig.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge



Man kann doch heute auch alles haben, ohne verheiratet zu sein. Früher war es eben so, dass man - wie Punktedieb schon andeutete - keinen Sex haben durfte. Sobald mit einer Schwangerschaft bewiesen war, dass man Sex hatte, musste man das schnell mit einer Heirat legitimieren. Auch konnte man nicht zusammenziehen. Einen Partner zu haben und zu heiraten waren einfach ein und dasselbe. Heute kann man das trennen.

Und wozu muss man dann überhaupt noch heiraten? Für den steuerlichen Vorteil. Für die Kinder. Wobei das auch immer mehr nachlässt, je mehr Rechte Väter bekommen.

Die Ehe war eine Institution, um Frauen zu versorgen und Kinder zu legitimieren und diese dadurch ebenso versorgt zu wissen. Es ging dabei nie um Liebe. Die kam erst viel später. Und heute hat die Liebe eben diese Institution überholt. Man kann sie auch ohne Ehe ausleben.

...und man fragt sich manchmal natürlich schon, warum meine Tante keinen Mann gefunden hat.

Wahrscheinlich, weil sie auf die Liebe gewartet hat und nicht auf den nächstbesten Versorger. Meine Mutter musste sich auch von ihren Eltern anhören, dass sie noch ein spätes Mädchen wird wie ihre Cousine, die mit 30 noch keinen Mann hatte. Meine Mutter hat dann eine unglückliche Ehe geführt. Schon bei der Hochzeit dachte sie an Scheidung. Ich glaube, der Cousine erging es letztlich besser. Sie hat nie geheiratet.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Welches "früher" ist denn gemeint? Ich finde, dass man da schon differenzieren sollte. Denn es war sehr lange der Fall, dass man aus wirtschaftlichen Gründen geheiratet hat und nicht aus Liebe. Also dass man aus "Freude" geheiratet hat, wenn man quasi wirtschaftlich abgesichert sein wollte bzw. musste, schließe ich auch eher aus. Das waren reine Zweckbeziehungen, nicht mehr und nicht weniger.

Dass man aus Liebe und purem Vergnügen heiratet ist doch eher eine "neumodische" Erscheinung, wenn man so will. Also welchen Zeitraum du genau meinst solltest du etwas genauer präzisieren. Nur weil man heutzutage vielleicht seltener heiratet als früher, muss nicht unbedingt heißen, dass die "Freude" daran fehlt.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


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