Im Streit gesagte Dinge zu Herzen nehmen?

Ich gehöre zu den Menschen, die sich vieles zu Herzen nehmen. Keine Frage, dass das nicht immer gerade gut ist. Nun ist es auch so, dass ich mir durchaus auch Dinge zu Herzen nehme, die im Streit gesagt wurden. Dabei weiß man ja eigentlich, dass dort oft Worte fallen oder Sachen gesagt werden, die man eigentlich nicht so meinte und die im Eifer des Gefechts herausgerutscht sind.

Ich versuche das durchaus zu ändern und eben ein dickeres Fell zu bekommen, was das betrifft. Aber mir fällt das doch schwer. Allerdings ist eine Freundin da komplett anders und meint, dass man alles vergessen sollte, was im Streit gesagt wurde. Immerhin würde man das Meiste davon ja doch nicht ernst meinen und es wäre dann nur gut, wenn man das eben abharken würde.

Wie ist das bei euch? Nehmt ihr euch im Streit gesagte Dinge zu Herzen? Oder meint ihr, dass es im Affekt gesagt wurde und vergessen werden sollte? Könnt ihr die Dinge dann einfach so vergessen? Oder macht ihr euch im Nachhinein doch noch Gedanken darüber?

Im Streit gesagte Dinge nehme ich mir genau so zu Herzen, als würde man mir sie in entspannter Runde um die Ohren klatschen. Wieso sollte man durch einen Streit quasi einen Freibrief für ausfallende Worte bekommen. Darf man im Streit auf die Menschen einharken als gäbe es kein Morgen? Wie soll man das Gesagte denn einfach vergessen oder ignorieren? Als erwachsener Mensch gibt man die Verantwortung doch nicht ab, weil ein Streit aufkommt. Man sollte sich doch soweit unter Kontrolle haben, das man das Gesagte auch nach dem Streit noch vertreten kann.

Es mag schon sein, das man im Eifer des Gefechts Dinge sagt, die man vielleicht lieber für sich behalten hätte. Ich gehe aber davon aus, das es sich um die Wahrheit handelt, die bisher einfach nur nicht ausgesprochen wurde. Daher würde ich es mir wahrscheinlich sogar doppelt zu Herzen nehmen. Bei Kindern und Teenagern würde ich wohl nicht so viel darauf geben, das ist mir jetzt einfach noch nie passiert. Selbst wenn mein Sohn richtig sauer auf mich war, hat er mir nie böse Dinge gesagt. Es würde sicher im ersten Moment schmerzen, aber hier würde ich schon versuchen zu relativieren.

Ich nehme mir sogar die Dinge, die im Streit gesagt wurden mehr zu Herzen als andere Dinge, die gesagt werden. Diese Dinge, die im Streit gesagt werden sind Dinge, die derjenige wohl schon lange angestaut hat und die er dann ohne nachzudenken loslässt. Das zeigt mir, dass es eine ehrliche Meinung ist, die bei demjenigen, der sie sagt auch voll ernst gemeint ist. Er oder Sie wollte es vielleicht nicht sagen, aber mir ist dann auch lieber, dass solche Sachen ausgesprochen werden. Ich denke aber über solche Sachen besonders nach, die mir im Streit an den Kopf geworfen werden.

Da geht es mir ähnlich. Ich glaube nicht daran, dass man im Streit oder im Affekt Dinge sagt, die man "nicht so meint". Vielleicht vergreift man sich im Tonfall oder verwendet stärkere Schimpfwörter, als wenn man vorher nachdenkt, aber der grundliegende Vorwurf bleibt in meinen Augen immer derselbe. Ich würde von daher sagen, dass gerade im Streit, wenn die Fetzen fliegen, eher die ehrlichen Meinungen und Ansichten von Menschen zum Ausdruck kommen, als wenn man diplomatisch verkleidet, bedacht und beschönigend sagt, was einem am anderen nicht passt.

Aber ich würde hier zwischen Form und Inhalt differenzieren. Wenn man mich etwa im Affekt als blöde Kuh bezeichnet oder ähnliches, komme ich eher damit klar, als wenn man meinen Charakter demontiert oder mir grundlegende Defekte vorwirft. Natürlich erwarte ich eine Entschuldigung, wenn sich die Wogen geglättet haben. Schließlich musste ich auch schon öfter zu Kreuze kriechen, weil ich im Eifer des Gefechts beleidigende Ausdrücke verwendet haben. Aber generell glaube ich nicht, dass jemand es nicht so "meint", weil oft genug etwas hinter der Fassade brodelt und kaum jemand spontan irgend etwas erfindet, um den anderen zu kränken.

Nicht nur Kinder und Betrunkene sagen immer die Wahrheit, sondern auch die Menschen, mit denen man sich gerade streitet und die einen deswegen Sachen an den Kopf werfen, bei denen sie sich unter normalen Umständen viel zu sehr bremsen würden. Daher finde ich nicht, dass man im Streit Sachen sagt, die man nicht so meint.

Im Streit sagt man am ehesten die Dinge, die man wirklich so meint und verstellt sich da nicht. Daher verstehe ich nicht, wie man hier annehmen kann, dass das ein Versehen gewesen sein könnte und dass das nicht so gemeint war. Wer das wirklich denkt, verleugnet die Realität und verdrängt alles statt entsprechende Konsequenzen für sich daraus zu ziehen.

Ich nehme mir auch schnell Sachen zu Herzen, die mir gesagt werden und da mache ich keinen großen Unterschied, ob mir die Sachen in einer ruhigen Minute gesagt werden oder mitten in einem Streitgespräch. Ich sehe es sogar auch so, dass einem in einem Streit auch schon mal Dinge herausrutschen, die man sich in ruhigen Momenten nicht zu sagen traut.

Das sind dann natürlich Sachen, die einem in der Situation gesagt werden, die sich aber angestaut haben und die sich der Streitpartner vielleicht auch schon öfter hat im Kopf umhergehen lassen, ohne sie auszusprechen. Deswegen wüsste ich ehrlich gesagt nicht, warum ich mir Dinge, die in einem Streit gesagt werden, nicht so zu Herzen nehmen sollte.