Nach der Arbeit zu kaputt für Hobbies sein?
Ich hatte vor einigen Jahren die Situation, dass ich als eingeschriebene Studentin drei Jobs parallel hatte, um finanziell über die Runden zu kommen. Blöderweise waren die Jobs auch nicht gerade in der Nähe voneinander, sodass ich da größere Strecken zurück legen musste. Während der Semesterferien wurden dann flexiblere Arbeitszeiten (sprich Überstunden) verlangt, weil man als Student da von der Krankenkasse mehr arbeiten darf.
Ich fand diese Zeit extrem belastend, auch wenn ich anfangs nach passenden Strategien gesucht habe, um damit klar zu kommen. Gerade, wenn man als Student das Geld braucht und sonst die Miete in einer teuren Stadt nicht zahlen kann, beißt man auch mal in den sauren Apfel.
Im Endeffekt kam ich sehr oft nach Hause und war einfach nur kaputt. Ich bin halbtot ins Bett gefallen und hatte keine Energie mehr um Kontakte großartig zu pflegen oder mir Zeit für meine Hobbies zu nehmen. Ich konnte froh sein, wenn ich was für die Uni geschafft hatte.
Die Situation hat sich dann nach einigen Monaten geändert und damit verbessert. Ich habe mir aber in der Zeit viele verständnislose Kommentare einer Hausfrau anhören dürfen, dass das doch nicht sein könne, dass man zu kaputt für seine Hobbies wäre. Erging es euch auch schon so, dass ihr am Ende des Tages viel zu kaputt für irgendetwas gewesen seid? Wie kam es dazu und wie seid ihr mit der Situation umgegangen?
Mir ging es in meiner Studienzeit ganz ähnlich, nur dass die Konstellation der Belastungen eine etwas andere war. Ich befand mich im Probejahr und habe dementsprechend mehr oder weniger den Tag über einen Vollzeitjob, wurde nur eben kaum dafür bezahlt. Ich habe nebenbei am Wochenende also noch einen HiWi-Job gehabt, den ich glücklicherweise größtenteils aus dem Home Office erledigen konnte, der aber dennoch zeitintensiv war. Zudem habe ich an meiner Doktorarbeit geforscht und musste dafür manchmal nach dem vollen Arbeitstag inklusive Überstunden nochmal für 4 Stunden ins Labor, sodass ich um 22 Uhr erst meine Sachen packen und den Heimweg antreten konnte.
Wenn ich dann zuhause war, galt es meistens noch, etwas Theorie für den nächsten Praxistag vorzubereiten oder für das Examen ein paar Fragen zu kreuzen, bevor es ins Bett gehen konnte. Wo um alles in der Welt ich da noch meine früheren Tennisvereinsaktivitäten, mein Zeichenhobby oder Treffen mit Freunden hätte unterbringen sollen, weiß ich bis heute beim besten Willen nicht. Teilweise war ja noch nicht mal ein Abendessen drin, weil mir schlicht und einfach die Kraft dazu gefehlt hat, noch einen Finger mehr zu rühren als nötig. Selbstverständlich hat diese Zeit ihren Tribut gefordert, und retrospektiv würde ich diese Belastung sicherlich nicht noch einmal durchmachen. Aber weil ich diese Lage nun mal gut kenne, kann ich auch bestätigen, dass manchmal für Kreativität und Abwechslung kein Freiraum mehr bleibt, sofern man ihn sich nicht ganz bewusst einräumt und dafür andere Prioritäten zurückstellt.
Auch heutzutage gibt es noch Momente, wo ich völlig geschlaucht von der Arbeit komme und nichts mehr machen will, als zu essen und mich ins Bett zu legen - aber zum Glück sind diese seltener geworden. Oftmals schaffe ich es, pünktlich den Arbeitsplatz zu verlassen, und da mir meine Aufgaben immens viel Spaß machen und das Arbeitsklima super angenehm ist, empfinde ich den Job nicht als Belastung, sondern als Bereicherung meines Alltags. Komme ich mal richtig gut gelaunt, motiviert und fröhlich nach Hause, dann kann ich entsprechend den Abend auch noch voller Elan für meine kreativen Aktivitäten, sozialen Kontakte oder Partnerzeit nutzen. Das ist mir sehr viel wert und ich würde diesen Komfort auch nicht gegen bessere Bezahlung oder höheres Ansehen eintauschen wollen.
Ich selbst versuche so gut es geht, mich von der Arbeit nicht allzu sehr runterziehen zu lassen. Und nach Feierabend schließe ich mental mit dem Arbeitstag so gut es geht ab, und ich versuche dann schon oft, mich auch noch um meine persönlichen Interessen zu kümmern.
Häufig gehe ich nach der Arbeit ins Sportstudio. Außerdem mag ich es, abends ins Kino zu gehen, oder im Winterhalbjahr auch ins Theater. Zwischenzeitlich hatte ich auch mal selbst Theater gespielt, und das habe ich natürlich auch immer abends nach Feierabend gemacht.
Bei mir gab es, Gott sei Dank, noch nie eine Phase in meinem Leben in der ich zu müde oder kaputt gewesen wäre um soziale Kontakte zu pflegen oder meine Hobbys auszuüben. Meine Freunde sind mir einfach zu wichtig als das ich mich einfach nicht bei ihnen melden würde. Natürlich gab es auch schon bei mir sehr stressige Zeiten, aber für meine Freunde und Hobbys hatte ich immer Zeit und Lust. Natürlich musste ich in dieser Zeit ein paar Abstriche machen und konnte mich nicht so oft mit meinen Freunden treffen wie vorher, aber das ich mich gar nicht aufraffen konnte kam noch nie vor.
Aber einer meiner besten Freundinnen geht es momentan so wie dir. Sie studiert, hat noch eine Teilzeit Stelle und gibt nebenbei noch Nachhilfe Unterricht. Sie pflegt zwar ihre sozialen Kontakte, für ihre Hobbys hat Sie allerdings kaum mehr die Zeit geschweige denn die Energie. Wenn ich mich mit ihr treffe wirkt Sie auch immer sehr ausgelaugt und Sie freut sich sehr auf das Ende des Studiums weil Sie dann endlich wieder etwas mehr Zeit für sich und ihre Hobbys hat. Meistens sind solche Phasen immer nur temporär, auf Dauer könnte das nämlich wohl niemand aushalten.
So eine komplett lange Phase gab es bei mir auch nur selten und das aber schon bei meinem einzigen Job. Aber wenn da richtig viel am Tag los war, dann habe ich abends auch nichts mehr geschafft und bin nur noch ins Bett gefallen. Solche Phasen gibt es in meinem Job immer mal wieder, aber sie dauern meistens nur einige Wochen an, bevor dann wieder alles normal läuft.
Aber wenn man studiert und noch mehrere Jobs hat, um sich alles leisten zu können, dann sollte man es doch verstehen, dass man dann keine Zeit mehr für andere Dinge hat. Dass man dann noch Kommentare hören muss, dass das doch nicht sein kann, dass man zu kaputt für Hobbies ist, das kann dann vermutlich auch nur jemand sagen, der ein derartiges Problem noch nie hatte und es sich auch nicht vorstellen kann.
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