Sind Kinder aus armen Verhältnissen ehrgeiziger?
Ich gebe Nachhilfe an meiner Schule und durch Zeitungsanzeigen, habe ich auch einige Nachhilfeschüler, aus anderen Schulen bekommen, die ich regelmäßig unterrichte. Vor kurzem nun ist mir etwas aufgefallen, was mir doch sehr auffällig schien und was ich hier mal diskutieren wollte. Beispielsweise habe ich Nachhilfeschüler im Alter von etwa zwölf bis achtzehn Jahren, die eben auch auf unterschiedliche Schulen gehen und aus unterschiedlichen Verhältnissen kommen. Besonders aufgefallen sind mit hierbei drei Schüler. Eine meiner Nachhifeschülerinnen kommt aus der unteren Sozialschicht, wenn ich das so sagen darf. Sie geht auf das Gymnasium, ihre Eltern haben aber nicht studiert und sind beide Hartz IV Empfänger. Besagte Schülerin legt nun einen unglaublichen Ehrgeiz an den Tag, sei ist sehr zielstrebig und hält auch mal zwei bis drei Stunden aus, ohne das sie eine Pause haben will. Wenn sie ein Thema nicht versteht, dann lässt sie mich nicht gehen, bis sie es kann. Das Geld für die Nachhilfe bekommt sie zwar von ihren Eltern, die Mutter hält davon aber nach eigener Aussage nichts und meint, dass es ihr eh nichts bringen würde, weil sie nur so viel lernen kann, wie ihr IQ hergibt, dass ist ihre eigene Aussage.
Dann habe ich zwei Nachhilfeschüler, die aus gehobenen Schichten kommen, wenn ich das so sagen darf. Einer davon geht auf die Realschule, der andere auf das Gymnasium, sie sind um ein paar Ecken herum irgendwo auch verwandt, wenn ich das richtig verstanden habe. Der Vater des einen hat eine Schraubenfabrik oder so in der Art und die Mutter des anderen führt eine sehr erfolgreiche Praxis und ist Kieferorthopädin, der Vater ist auch an der Firma des anderen beteiligt. Die Eltern der beiden zahlen mir für die Nachhilfe mehr, als ich verlangt habe, allerdings sind beide der Schüler unglaublich faul. Wenn ich ehrlich bin, bezweifele ich stark, dass der eine sein Abitur bekommen wird und der andere wird auch nur einen mittelmäßigen bis schlechten Realschulabschluss hinlegen. Die Eltern der beiden habe ich nur einige wenige Male getroffen, hatte aber damals durchaus den Eindruck, dass es sich um gestandene und gebildete Persönlichkeiten handelt, die sich auch sehr gewählt ausdrücken. Umso überraschter war ich über die Kinder, die so gar nicht dazu passen.
Da ich es mir mit diesen beiden immer sehr tue, war ich manchmal auch wirklich kurz vorm ausrasten und habe dann nebenbei mal das Mädchen erwähnt, welches sich so anstrengt und super Noten hat. Im Nachhinein denke ich mir aber, ob das in der Form nicht irgendwie normal ist. Klar kann man jetzt nicht sagen, dass die Haupt- und Realschule nur mit Kindern aus sozial gehobenen Schichten gefüllt ist, weil diese sich nicht anstrengen und das es auf dem Gymnasium nur Kinder aus sozial schwachen Familien gibt, aber letztendlich habe ich doch irgendwie den Eindruck, dass viele Kinder, die aus Familien kommen, in denen es finanzielle Probleme gibt, sich mehr anstrengen, als Kinder, die alles haben. Spontan fällt mir da auch noch eine Schülerin aus meiner eigenen Stufe ein, die so manch einen Schüler mit ihrer Punktzahl haushoch überragt, aber ansonsten für Freunde kaum Zeit hat, weil sie auf einem Bauernhof lebt und dort nachmittags immer kräftig mit anpacken muss.
Im Grunde könnte man doch denken, dass Kinder mit reichen Eltern gute Vorbilder haben und sich bemühen, genauso zu sein, genauso viel zu erreichen, wie ihr Vater oder ihre Mutter. Oftmals ist das aber nun nicht der Fall und die Kinder ruhen sich darauf aus, was sie haben und meinen, sich nicht mehr anstrengen zu müssen, wo sie doch nachher eh alles erben. Kinder die Eltern haben, die von Harzt IV leben und vielleicht sogar trinken oder überhaupt in Sachen Bildung nichts zu bieten haben, werden diesem armseligen Bild ja an sich jeden Tag ausgesetzt, allerdings scheint das ihnen wohl auch den nötigen Ehrgeiz zu geben, sich im Leben hochzuarbeiten, damit sie nachher nicht jeden Penny umdrehen müssen, wie ihre Eltern.
Ich finde das man das nicht immer so bestätigen kann, aber wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue, dann gibt es doch recht viele solcher Fälle. Meiner Eltern selbst sind weder reich noch arm, sondern kommen aus der guten Mittelschicht. Ich selbst werde später auf jeden Fall studieren, allerdings habe ich diese Entscheidung nicht gewählt, weil ich später mehr verdienen will als meine Eltern oder so, da diese eben nicht schlecht verdienen. Wie seht ihr das, sind Kinder aus armen Verhältnissen häufig ehrgeiziger, als Kinder, die schon alles haben? Wie schätzt ihr euch selbst ein?
Hier spielen sicherlich verschiedene Aspekte eine Rolle. Zum einen könnt eich mir gut vorstellen, dass Kinder aus ärmeren sozialen „Schichten“ das Gefühl haben, etwas beweisen zu müssen. Sie wollen sich besonders anstrengen, besonders viel erreichen, um zu zeigen, dass sie intelligent sind, dass sie erfolgreich sein können und nicht durch ihre Herkunft bestimmt werden.
Andererseits haben es Kinder aus gewissen sozialen Hintergründen vielleicht auch schwerer, da man ihnen oft mit Vorurteilen begegnet. Möglicherweise werden sie in vielen Situationen – in der Schule, im Freundeskreis etc. - unterschätzt, man traut ihnen weniger zu und fördert sie daher auch weniger. Um also das Gleiche wie andere zu erreichen, müssen sie sich mehr anstrengen, da ihnen vielleicht gewisse Unterstützungen fehlen.
Hier muss man aber auch bedenken, dass es Kindern häufig nicht gelingt, ihre „Schicht“ zu verlassen. Mädchen und Jungen, deren Eltern Akademiker sind, haben eine viel höhere Wahrscheinlichkeit dafür, später selbst einmal auf ein Gymnasium zu gehen, ihr Abitur erfolgreich abzulegen und zu studieren.
Pauschalisieren lässt es sich nicht, so weiss ich, dass es Leute aus ärmeren Verhältnissen gibt, die meinen, es würde doch eh nichts bringen, wenn sie sich anstrengen und dann gibt es aus besseren Verhältnissen stammende Menschen, die sich denken, sie müssten ja nicht so viel unternehmen oder lernen, um einen halbwegs guten Schulabschluss zu schaffen. Die argumentieren auch gern mal damit, dass Mama und Papa es schon richten oder meinen dann, sie könnten die Firma oder das Unternehmen weiterführen, ohne einen Finger zu krümmen.
Ich glaube aber, dass es in allen Schichten ehrgeizige als auch faule Schüler gibt. Dass Du nun in Deinem Umfeld, Crispin, solche Erfahrungen gemacht hast, werte ich einfach mal als einen simplen Zufall und nicht als eine mögliche Pauschalisierung von allen Schülern.
Wie dem auch sei, ich finde es schon wichtig, dass die Kinder selbst einen Ansporn und einen Ehrgeiz, ein Ziel vor Augen haben. Das geht in einer Familie mit sehr guten finanziellen Verhältnissen genauso wie in einer Familie, in der das Geld eben mehrmals umgedreht werden muss. Da sollten Eltern selbst dennoch auch ein Vorbild sein und ihre Kinder selbst motivieren können und sie nicht nebenher laufen lassen.
Im Übrigen finde ich es keine Schande, wenn man nicht studiert hat. Es gibt Leutem die haben's mehr mit dem Lernen und dann gibt es eben Jugendliche, die brauchen eine praktische Arbeit. Beides kann man auch mit einem gesunden Ehrgeiz und einem gesunden Willen erreichen, aber ich sehr hier die Eltern schon klar als Vorbilder. Nur heisst es nicht, dass man ohne Studium zwangsläufig Hartz IV beziehen muss, auch mit einem Studium ist es möglich, irgendwann mal Hartz IV beziehen zu müssen, aber das nur nebenbei.
Wenn nun die Mutter Deiner einen Nachhilfeschülerin sagt, die Nachhilfe bringe nichts, ist es einfach ein Hinnehmen der IST-Situation und nicht unterstützend. Ich glaube, das Mädchen muss viel kämpfen, um ihre Ziele überhaupt erreichen zu können, also im Sinne von, dass die Eltern an sie glauben oder dass sie selbst an sich glaubt. Solch ein Verhalten, kann ich mir vorstellen, gibt es wohl eher in sozial schwächeren Familien. In reicheren Familien versucht man die Kinder vermutlich anders vom Lernen zu übrzeugen.
Kinder von Familien aus sozial schwächeren Schichten, die Hartz-IV-Empfänger sind, haben kaum oder wenig Chancen. Die Bildungschancen dieser Kinder sind gleich Null in Deutschland. Wenn sie Glück haben, erreichen sie das Hauptschul-Niveau. Wer bitte soll diesen Kindern helfen in Mathematik und Naturwissenschaften? Wer bringt ihnen Textverständnis bei? Meint ihr, dass der Großteil der Hartz-IV- empfangenden Eltern dazu in der Lage ist? Einige Eltern, die unverschuldet in diese Misere geraten sind, helfen ihren Kindern aus diesem Dilemma durch eine gute Bildung raus zukommen. Dann entwickeln viele der Kinder einen gesunden Ehrgeiz, mit dem sie es auch schaffen können und vor allem wollen. Sie unterscheiden sich von den anderen Kindern der gleichen finanziellen Ausgangslage durch Fleiß und Strebsamkeit. Wenn sie Nachhilfe bekommen, wissen diese Schüler, dass die Eltern dafür auf einige Dinge verzichten müssen und bemühen sich um so mehr, die Nachhilfestunden zu einem eigenen, vollen Erfolg zu machen. Dadurch kommen sie auch weiter und erreichen ihr Ziel.
Welche Vorbilder aber haben die anderen, die sich in erster Linie an den Eltern orientieren? Wenn es nicht ganz starke Charaktere sind, die nicht so enden wollen wie die Eltern, bedeutet das für sie, dass sie sich mindestens doppelt so sehr anstrengen müssen wie ein vergleichsweise guter Schüler aus einem besseren Elternhaus. Wobei man da sagen muss, das denen auch oft die Motivation fehlt, obwohl sie bessere Vorbilder haben. Im Normalfall entscheidet die Herkunft immer noch über den Schulerfolg und die möglichen Bildungschancen. Und dieser Erfolg ist eben in der Gruppe der sozial schwächeren Schüler wesentlich schlechter als in der Mittel- oder Oberschicht. Wollen diese Schüler schulisch erfolgreich sein, müssen sie – falls sie nicht äußerst begabt sind – sich also sehr viel mehr anstrengen. Sie werden gezwungenermaßen ehrgeizig. Und den Ehrgeiz behalten sie auch bei, bis sie ihr Ziel erreicht haben.
Viele andere Schüler aus der Oberschicht sehen das nicht so eng. Weil ihnen bisher alles ohne Zutun in den Schoß gefallen ist, geben sie sich oft nicht erst die Mühe zu lernen. Vielleicht sind sie der Meinung, dass die Eltern das schon richten und sie selbst können faul sein und sich ausruhen. Eventuell glauben sie auch, dass ihnen der Erfolg zufliegt, weil die Eltern eben Geld haben. Ehrgeiz zu entwickeln, das ist nicht ihre Sache. Wahrscheinlich ist es ihnen auch egal, ob die Nachhilfestunde was bringt oder nicht. Es ist ja nicht ihr Geld.
So pauschal lässt sich das sicher nicht sagen und wahrscheinlich hängt das wie in den meisten Fällen von ganz vielen verschiedenen Faktoren ab.
Ich habe schon Leute erlebt, die nicht wirklich sonderlich bemüht waren gute Noten zu erzielen, weil sie eh mal die Firma erben werden oder, weil die Eltern eh das Studium bezahlen und zwei Semester mehr oder weniger dann auch kein Problem waren. Andererseits können aber auch Eltern, die nicht arbeiten, schlechte Vorbilder sein, wenn die Kinder merken, dass man auch ohne Arbeit durch gefüttert wird, oder, dass man als "Hausfrau" vom Geld des Partners leben kann.
Aber Tatsache ist in Deutschland ja schon, dass ein Kind aus der sogenannten Unterschicht härter arbeiten muss. Schon in der Schule ist es ja so, dass solche Kinder von Lehrern unbewusst schlechter benotet werden, also besser als ein sozial besser gestelltes Kind sein müssen um die gleichen Noten zu bekommen. Und später im Studium wird BAFÖG nicht über die Regelstudienzeit hinaus gewährt und Stipendien und ähnliches hängen in den allermeisten Fällen auch von guten Leistungen ab.
Ich schließe mich hier denen an, die meinen, dass man nicht pauschalisieren kann, ob Kinder mit schwierigerem finanziellen Hintergrund tatsächlich ehrgeiziger sind. Tatsächlich habe ich natürlich auch schon mitbekommen, dass diese Kinder sich mehr ins Zeug legen müssen, um etwas zu erreichen. Dass das aber dann auch die Mehrheit tut, ist meiner Beobachtung nach nicht so.
Ich sehe das ja an meinem Pflegekind, dessen leibliche Eltern nur Hauptschulabschluss haben und sofort das Kind runterzogen, wenn es mal etwas nicht sofort begriffen hatte, da sie dem Kind dann immer wieder einbleuten, dass auch für sie der Hauptschulabschluss reiche. Ich will den Hauptschulabschluss sicher nicht schlechter machen als er ist. Aber es zeigt doch auch, dass etliche Kinder von klein auf gar nicht angehalten werden, ehrgeizig zu sein beziehungsweise gar kein erstrebenswertes Ziel vermittelt bekommen haben. Und diese Kinder tun sich sicher auch schwerer einen gewissen Ehrgeiz zu entwickeln und den auch den Eltern gegenüber durchzusetzen.
Ich finde nicht, dass man das pauschalisieren kann. Ich denke, dass das unter anderem nicht nur von den Vorbildern und vom Charakter abhängig ist, sondern auch vom Alter der Kinder. Du sprichst von einer Altersgruppe von 12-18 Jahren. Da kann ehrlich gesagt sehr viel passieren. Dann kommt es noch darauf an, wie die Schüler in der Schule den Unterricht erleben, ob sie ausreichend gefordert werden und ob ihnen Lernen überhaupt Spaß macht.
In dieser Altersgruppe kommt dann noch erschwerend hinzu, dass man in der Pubertät ist und sich unweigerlich mehr für das andere Geschlecht interessiert und nicht unbedingt für die "langweilige" Schule. Daher finde ich nicht, dass die drei Schüler repräsentativ für die jeweilige Schicht sind.
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