Wird Deutschland zunehmend "entchristlicht"?
Eine Bekannte von mir ist der Ansicht, dass die Menschen in Deutschland immer empathieloser würden. Ihrer Ansicht nach liegt die Ursache dieser Entwicklung in der "Entchristlichung" Deutschlands. Denn dadurch würde auch die Nächstenliebe und Barmherzigkeit abnehmen. Was haltet ihr davon? Habt ihr von einer zunehmenden Entchristlichung schon etwas gehört oder gesehen? Seht ihr da einen Zusammenhang zur Empathie?
Christentum und Empathie sind aber nicht unbedingt ein Paar. Auch Moslems und Juden sind durchaus emphatisch. Ich habe hier gedacht, dass Du meinst, dass die Durchmischung mit muslimischen Migranten immer größer wird und das eine Entchristlichung wäre.
Ich glaube an keinen Gott, bin ich deswegen ein schlechter Mensch und habe keine Empathie? Die Aussage über den Zusammenhang finde ich wirklich dreist. Außerdem gibt es auch andere Religionen. Man ist doch nicht automatisch nett und fürsorgend nur weil man in einer bestimmten Religion getauft wurde.
Zudem hört sich entchristlicht irgendwie rechts an. Was ist so schlimm daran, wenn man auch Ausländer in Deutschland hat? Andere Kulturen, andere Einflüsse machen das Ganze doch nicht schlechter. Man kann empathisch werden durch Erziehung, das was man erlebt und nicht nur weil man gläubig ist.
Also wenn ich mir die alten Leute anschaue, wie freundlich die mit allen Generationen umgehen und wie sie auch mit ihren Jahrgängern umgehen, dann muss ich schon sagen, dass es glaube ich schon etwas damit zu tun hat, dass wir fast alle keinen wirklichen Glauben mehr haben.
Der Glaube dient meiner Meinung nach schon auch ein wenig, die Menschen etwas moralischer zu machen- es ihnen in den Sinn zu bringen. Dabei spielt es für mich aber keine Rolle, was das für ein Glaube ist. Man kann auch an nichts glauben und trotzdem ein guter Mensch sein.
Allerdings denke ich mir bei den älteren Menschen einfach immer wieder, wie anständig und nett die sind. Das, muss ich sagen, vermisse ich etwas bei den jüngeren Generationen. Natürlich gibt es auch unter den Jugendlichen oder jüngeren Menschen anständige Leute, aber so richtig höflich und zuvorkommend, das ist leider die alte Schule.
Nun kann man sich darüber streiten, ob das auf ein Verschwinden des Christentums zurückzuführen ist. Denn die meisten, die einen anderen Glauben haben, haben ebenfalls gewisse Moralvorstellungen, die sie auch streng verfolgen. Deshalb denke ich schon, dass es gut ist, wenn man einen Glauben hat- egal welcher. Eine Gesellschaft kann nicht funktionieren, wenn man nicht gewisse moralische Ziele verfolgt, so finde ich.
Nordseekrabbe, die moralischen Werte einer Gesellschaft sind aber nicht zwangsläufig an einen Glauben gekoppelt. Und zu behaupten, dass alles besser war, als jeder gefälligst noch zu glauben hatte, kann man auch nicht behaupten. Wo war denn das Mitgefühl mit ledigen Müttern? Wie christlich hat man Homosexuelle oder Kriegsdienstverweigerer behandelt? Wie human ist man mit den Arbeitern aus Ostpreußen umgegangen? Oder mit den Kriegsflüchtlingen nach dem Zweiten Weltkrieg?
@cooper75: Also ich bin fest davon überzeugt, dass eine Gesellschaft früher nur funktionieren konnte, wenn sie an etwas geglaubt hatten. Man spricht dabei auch für "Opium fürs Volk". Außerdem spreche ich davon, wie sich die älteren Menschen heute noch uns gegenüber verhalten und dass sie sehr anständig und zuvorkommend sind und dass ich das bei der Jugend von heute vermisse.
Natürlich gibt es nicht nur gute oder schlechte Seiten. Es kann auch sein, dass die Menschen nur noch auf sich schauen, weil jeder in seiner eigenen Welt lebt. Man muss heutzutage nicht mehr mit der ganzen Familie im selben Haus leben. Freunde braucht man auch keine mehr, wenn man sich nicht herum ärgern will, weil das Internet lässt uns doch schon gar keine Zeit mehr.
Freunde sitzen mit dem Smartphone da und unterhalten sich nebeneinander über Whatsapp oder eben gar nicht mehr. Das ist für mich eine Entwicklung, die nicht nur etwas mit der Religion aber auch etwas mit der Technisierung und Digitalisierung der Gesellschaft zu tun hat. Ich weiß aber trotzdem nicht, ob das der Grund ist, dass unsere Generation so egoistisch und unfreundlich geworden ist. Wahrscheinlich spielen mehrere Faktoren dabei eine Rolle.
Was hat denn das Verhalten der älteren Bevölkerung mit deren Verhalten in der Jugend zu tun? Die meisten Menschen werden im Alter milde. Meine Onkel waren bis zu ihrem Tod mit über 70 Jahren sehr nette, höfliche und umgängliche Menschen.
Beide haben in ihrer Jugend mit langen Mänteln und Lesepfeifen ausgerüstet hinter Bäumen gewartet und im Dunkeln heimkehrende Frauen mit einem tiefen guten Abend zum Kreischen gebracht. Der eine hat die Leute geschmissen, weil er nicht gesiezt worden ist und der andere hat für eine Wette um einen Kasten Bier eine Straßenbahn geklaut. Das waren ganz normale Jugendliche ihrer Zeit.
Das, was du anführst, hat jede Generation über die Jugend gesagt. Ob das nun Wandervögel, Turner, Rock'n'Roll oder Miniröcke waren. Die Jugend ist immer unmöglich und aus denen kann nichts werden. Und die sind gefühlt immer unhöflich und unfreundlich.
Soso, früher war mal wieder alles besser? Dann hat mein Vater wohl halluziniert, als er im top christlichen Bayern knapp nach dem Zweiten Weltkrieg völlig mittellos dastand und mitnichten mit "Barmherzigkeit und Nächstenliebe" empfangen wurde, sondern mit seiner Familie viele Jahre lang als billigste, schwer arbeitende Hilfskraft ausgenutzt wurde, bis es ihnen gelungen ist, ein bisschen was beiseite zu legen und sich ein Häuschen zu bauen?
Und wie cooper schon erwähnt hat, war man damals zu ledigen Müttern, Gastarbeitern, Menschen mit Behinderung oder sonstwie von der Norm abweichenden Leuten durchweg nicht gerade christlich eingestellt. Von daher bin ich eher froh darum, dass die Zeiten, als man noch allsonntäglich in die Kirche getrabt ist und sich christliche Sachen angehört hat, um dann daheim Weib und Kind zu verdreschen, vorbei sind.
Und wenn man sich die ganzen Stammtischparolen und das Gehetze außerhalb von Facebook ansieht, entdecke ich auch nicht gerade viele Hinweise darauf, dass die älteren Generationen, die noch mit christlichen Grundsätzen erzogen wurden (sprich auf dem Land noch vom Lehrer und vom Pfarrer Watsch'n bekommen haben), "freundlich mit allen Generationen" umgehen. Das sind oft die schlimmsten Hetzer, auch wenn sie kein Facebook haben und nicht auf WhatsApp übereinander herziehen. Religion spielt meiner Erfahrung nach sowieso kaum eine Rolle, wenn es um Anstand und Toleranz geht.
Na ja, nur weil ich meine Meinung äußere ist das jetzt kein Grund sarkastisch oder unfreundlich zu werden. Man muss auch andere Meinungen gelten lassen. Aber zugeben muss man schon, dass das Christentum nicht mehr so verbreitet ist, wie noch vor einiger Zeit. Gerade bei uns erlebe ich es alltäglich, dass Menschen aus der Kirche austreten. Und das ist ja das Thema der Überschrift.
Man könnte sich fragen, worin die Ursache liegt, dass die Kirche ihre Mitglieder nicht mehr halten kann. Für mich ist die Kirche an sich einfach eine Institution, die nicht mit der Zeit gegangen ist. Das äußert sich in den zähen Messen und in den ewigen Parolen, die immer wiederholt werden. Beten kann ich auch zu Hause. Aber macht das wirklich jeder? Das ist hier die Frage. Und ob man einen Glauben braucht oder nicht oder früher alles besser war, das muss wohl jeder selber entscheiden.
Nordseekrabbe, worauf möchtest du denn nun hinaus? Dass Christen oder generell Gläubige netter sind? Das ist einfach nicht der Fall. Oder dass immer weniger Menschen der Kirche angehören? Das ist definitiv der Fall. Für seine Kirchensteuer möchte man auch was geboten haben.
Was nützen Geistliche, die im Wechsel Gemeinden betreuen und Gottesdienste, die wochenweise in anderen Kirchen stattfinden? Krankenkommunion? Klar, maximal einmal im Monat. Mir hat übrigens das Mitgefühl, dass die Gemeinde mir in meiner Kindheit entgegengebracht hat, vollkommen gereicht, um mich gegen die Mitgliedschaft in dem Verein zu entscheiden. Die hätten sich mal lieber mehr um ihre eigenen Angelegenheiten gekümmert und sich weniger christlich überlegen gefühlt.
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