Was treibt Zusteller zur Entsorgung von Postsendungen?
Heute gab es wieder mal eine Meldung darüber, dass eine Zustellerin 1500 Briefe im Altpapier entsorgt hat. Außerdem soll sie 35 Briefe geöffnet und 670 Euro daraus entwendet haben. Die Frau hat alles zugegeben und wurde nun dafür bestraft.
Man hört ja immer wieder davon, dass Zusteller sich der Postsendungen anders entledigen, statt sie eben zuzustellen. Da gab es vor Jahren einen Fall, in dem ein Postbote die Sendungen verbrannt hat. Oder eben auch immer wieder Fälle, in denen die Post dann irgendwo in den Müll geworfen wird. Ich frage mich, was die Zusteller dazu treibt.
Meint ihr, dass viele Zusteller einfach mit der Auslieferung überfordert sind? Gibt es zu wenige Zusteller und wird es einfach zu viel? Oder sind das immer nur Einzelfälle von denen man hört? Hat es nichts damit zu tun, dass ein Zusteller zu viel Druck oder Stress hat und vielleicht nicht ausreichend bezahlt wird? Wie erklärt ihr euch das Verhalten?
Ich denke, dass das eindeutig an der Überforderung im Beruf liegt und an der Unterbesetzung. Der Job wird nicht sehr gerne gemacht und bei uns ist es so, dass für diese Jobs sehr gerne ungelernte Kräfte genommen werden - die ja normalerweise eh nicht viel Auswahl haben was lukrative Jobs angeht.
Dann kommt der Druck hinzu, weil man ja alles innerhalb einer bestimmten Frist schaffen muss, aber die Anzahl der Sendungen nimmt immer weiter zu. Da kann ich schon verstehen, dass man aus lauter Verzweiflung dann versucht die Last zu verringern, auch wenn das nicht wirklich die Lösung des Problems ist.
Ich habe auch mal Briefe ausgetragen, und der Job ist wahrhaftig nicht zu unterschätzen. Die Bezahlung ist mal mehr, mal weniger mies und die Mitarbeiter sind oft genug selbst auf die paar Öcken bitter angewiesen und können sich aus unterschiedlichen Gründen nichts Besseres suchen. Bei mir in der Schicht waren z.B. Rentner, deren Rente so gering war, dass sie sich trotz fortgeschrittenen Alters noch etwas dazu verdienen mussten und auch die eine oder andere allein erziehende Mutter, die nur frühmorgens Zeit hatte. Und die Qualifikation hielt sich meistens auch in Grenzen.
Wenn man also sowieso schon unter Druck steht, weil man das Geld unbedingt braucht, die Gesundheit vielleicht auch nicht (mehr) so top ist, dass man im Laufschritt zwischen Fahrzeug und Briefkasten hin und her hetzen kann und dann noch die Zahl der Zustellungen immer mehr erhöht wird, weil auch Personalmangel herrscht, kann ich völlig verstehen, dass manche Leute so überfordert sind, dass sie den Krempel einfach wegschmeißen.
Ich hatte beispielsweise auch unendlich viele Postwurfsendungen, die unverlangt eingeworfen wurden und die die Empfänger garantiert auch unbesehen wegschmeißen. Da hätte so schnell keiner bemerkt, wenn ich mir auf meiner Tour ein paar Straßen erspart und das Altpapier direkt entsorgt hätte. Die Versuchung ist hier durchaus gegeben, und ich war keine Rentnerin mit unter 500 Euro zum Leben und Bandscheibenproblemen.
Ich denke auch, dass es einfach die Überforderung der Zusteller ist. Über fast zwanzig Jahre hatten wir in meinem Elternhaus denselben Briefzusteller. Anfangs hatte er nur unser Dorf zu versorgen, die Pakete kamen extra mit einem anderen Zusteller. Dann bekam er ein Auto und musste auch die Pakete ausliefern. Und über die Jahre hinweg bekam er neben unserem Dorf, das auch wuchs und mehr Einwohner bekam, noch zwei weitere Bezirke aufgedrückt.
Dieser eine, inzwischen in die Jahre gekommene Zusteller machte kurz vor seiner Rente also inzwischen die Arbeit, die ursprünglich vier Personen gemacht haben! Und dazu kam noch, dass er bei uns auf dem Dorf so etwas wie eine mobile Poststation sein sollte. Er verkaufte also auch noch Briefmarken und nahm Briefe mit. Diese Arbeitsbelastung bei Wind und Wetter jeden Tag möchte ich nicht haben!
Bei uns auf dem Dorf hatte er dann wenigstens nicht das Problem, dass er nirgends parken konnte/durfte. Das käme bei einem Zusteller in der Stadt noch dazu. Und auf dem Dorf kannte er die Leute auch einigermaßen, konnte also Briefe auch dann zustellen, wenn Fehler im Namen oder der Adresse gemacht worden waren. In der Stadt sucht sich ein Zusteller da dumm und dämlich, wenn er es anständig machen will.
Dazu kommt dann noch, dass immer mehr Zusteller die deutsche Sprache nicht lesen können. Entweder haben sie einen Migrationshintergrund und können auch kaum deutsch, oder sie können einfach nicht gut lesen. Da bekommen wir dann schon einmal die Post sämtlicher Nachbarn. Oder letzt erzählte eine Freundin, die auch in einem Mehrparteienhaus wohnt, dass sämtliche Briefe für das Haus in den Hausflur gelegt wurden, damit sich jeder seine Post selbst heraussucht.
Dass manche Zusteller da zusammenbrechen und die Briefe einfach entsorgen, kann ich gut verstehen, aber nicht tolerieren. Die Versuchung ist einfach zu groß, denn es fällt ja auch nicht groß auf, wenn man es richtig macht.
Neben den schon genannten Sachen denke ich, dass auch noch andere Gründe wie Rache am übermächtigen und schlecht zahlenden Arbeitgeber und verdeckter Frust über die Arbeit und die Arbeitsbedingungen ein großer Faktor sind. Das habe ich von Leuten aus ähnlich schlecht bezahlten und harten Berufen auch schon selbst gehört. So hat mir mal ein Bäcker erzählt, er spucke jeden Morgen in den Brötchenteig, einfach, um seinen Arbeitgeber zu ärgern. Und es gibt ja immer wieder versteckte Videos, wo Arbeitnehmer am Arbeitsplatz die dollsten Dinge tun, um jemandem zu schaden.
Briefe wegzuwerfen, sie aufzumachen oder zu verbrennen ist da natürlich eine prima Methode, seinem Unmut, den man sonst nirgendwo abladen kann, Herr zu werden. Wer weiß, wie viele ansonsten halbwegs unbescholtene Briefträger nicht schon mal in die Versuchung gekommen sind oder an einem besonders schlimmen Tag eine Fuhre in den Müll abgeladen haben. Dann gibt es natürlich noch die kriminellen Elemente, die gar keine Skrupel haben, ihren Arbeitgeber bzw. seine Kunden zu beklauen.
Es ist aber auch wirklich ein sehr harter Job, Knochenarbeit und schlecht bezahlt noch dazu. Wenn man das immense Aufkommen dank des Internet-Handels in den letzten zehn, fünfzehn Jahren dazuzählt, arbeiten die Leute mittlerweile ständig am Rand der Überforderung. Oder eben darüber.
Also ich meine es gibt schon einen Unterschied, ob ich nun bewusst Post öffne, Geld daraus entwende und mich somit auch strafbar mache, wenn ich diese Briefe dann verschwinden lasse, oder ob ich die Briefe liegen lasse, weil ich überfordert bin.
Letzteres kann ich sehr gut nachvollziehen. Für mich wäre das kein Traumberuf, auch wenn ich von Bekannten weiß, dass man irgendwann gut in das Ganze hinein kommt. Trotzdem braucht man, wenn man die Post nicht regelmäßig, zum Beispiel als Aushilfskraft austrägt, wirklich Nerven und Zeit.
Denn man kann nicht davon ausgehen, dass man so auf Zack ist, wie die Postboten, die das sonst unter dem Jahr so machen. Viele sind sicher überfordert und schmeißen vielleicht Werbung oder Gratiszeitungen einfach weg. Wir hatten auch eine Zeit lang eine Postkraft, die alles nur bei uns auf einen Stapel vor die Türe gelegt hatte, weil sie überfordert war, die anschriftmäßige Post in die Schlitze zu geben.
Eine Nachbarin hat sich daraufhin bei der zuständigen Stelle beschwert und ab sofort wird nichts mehr am Boden liegen gelassen und jede einzelne Zeitung wird in den Schlitz geworfen.
Bei der Entsorgung der Postsendungen würde ich auch davon ausgehen, dass die Zusteller mit ihren Job überfordert sind und einfach nicht wissen, wie sie die vielen Briefe verteilt bekommen sollen, die aber eben alle verteilt werden müssen, wenn sie den Job behalten möchten. Ich denke mal, dass solche Gedanken dann dazu führen, dass man die Post auch auf anderem Wege loswerden kann und der Wagen dann auch leer ist, wenn der Arbeitstag vorbei ist. Trotzdem hoffe ich natürlich, dass das nur Einzelfälle sind, von denen man hört.
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