Wirken sich Alkohol und Drogen strafmindernd aus?

Mir ist aufgefallen, dass immer mehr Leute vor Gericht und wenn es darum geht den Tathergang und die Motive zu erläutern, angeben zur Tatzeit unter Alkohol oder Drogen gestanden zu haben. Scheinbar hofft man ja mit derartigen Aussagen auf ein milderes Urteil. Meint ihr dem ist wirklich so? Können sich Alkohol und Drogen denn wirklich strafmindernd auswirken, warum ist das so und würdet ihr bei Straftaten unter solchen Voraussetzungen auch mildernde Umstände gelten lassen?

Es kommt eben immer auf den Typus Mensch an und die Menge. Aber ja, es wirkt sich in Deutschland strafmildernd aus. Ich weiß nicht, wie es überall auf der Welt ist, aber hier ist es so, dass man volltrunkene Menschen durchaus strafmildernd dies begünstigt auslegt, weil Alkohol natürlich auch enthemmt, man nicht so klar denken kann und die Konsequenzen oftmals gar nicht richtig realisiert.

Jeder der hier mal volltrunken war, wird wissen, dass man durchaus mal lockerer mit der Zunge ist, mal hier und da stolpert, fällt usw. Man stelle sich nun Personen vor, die nüchtern schon sehr schnell gereizt sind und betrunken dann mal zuschlagen. Das entschuldigt nichts, aber es wird berücksichtigt, wenn der Pegel zu hoch ausgefallen ist. Bei einigen sinkt die Hemmschwelle, das Denken setzt teilweise aus oder fängt erst später nach dem Motto „scheiße, was habe ich getan“ wieder ein.

Bei Drogen ebenfalls. Gerade auch wenn es um Süchtige geht, muss man natürlich bei Drogen und Alkohol aufpassen. Denn wo ein Süchtiger pro Tag gefühlte 2 Gramm Koks nutzt, gehe ich schon mit einem halben Gramm wahrscheinlich den ganzen Tag fliegen. Wo ein Alkoholiker 10 Flaschen Bier trinkt, liege ich besinnungslos in der Ecke. Nur so als Beispiel und das wird im Übrigen auch vor Gericht berücksichtigt.

Ein Gelegenheitstrinker, der nach 10 Flaschen Bier durchaus schon im Vollrausch landen kann wird ganz anders beurteilt, als einer der täglich 5-10 Flaschen trinkt. Da kommt man nicht zwangsläufig so strafmildernd heraus.

Zunächst einmal "Danke" für diese sehr interessante Frage, die ich als Student der Rechtswissenschaften in Österreich (der sich gerade auf Strafrecht spezialisiert) natürlich sehr gerne beantworten werde.

Die grundlege Antwort ist "Jein" - man kann es schlichtweg nicht allgemein sagen. Dieses "Jein" möchte ich am Beispiel der Körperverletzung erläutern. Wenn ich jemanden, egal ob betrunken oder nüchtern,vorsätzlich am Körper (leicht) verletzte, erfüllte ich die Tatbestandsmerkmale der (leichten) Körperverletzung. Nun muss geprüft werden ob ich schuldfähig bin, also dass mir das Verschulden der Verletzung auch objektiv zurechenbar ist.

Dies ist nur auszuschließen wenn ich an einer psychischen Krankheit leide, oder so stark betrunken bin, dass ich zurechnungsunfähig bin, sprich über circa drei Promille Alkohol im Blut habe. Wenn dies nicht der Fall ist, werde ich normal wegen der Körperverletzung angeklagt und muss vor Gericht, wo sich dies sicherlich auf die Strafe mildernd auswirkt. Wenn der Täter aufgrund des Alkohols zurechnungsunfähig ist, ist er aber noch lange nicht straflos. So gibt es (in Österreich) das Delikt der "Begehung einer Tat im Zustand der vollen Berauschung", welches zumindest noch einen Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.

Einen speziellen Fall, wo sich eine Alkoholisierung nicht mildernd auswirkt ist die sogenannte "actio libera in causa". Dieser lateinische Rechtsbegriff bezeichnet das Verhalten, sich absichtlich zu betrinken, um die Hemmschwelle für eine Straftat zu überwinden. Dies kommt im echten Leben häufiger vor als man denkt, da der Ankläger (Staatsanwaltschaft) meist darum bemüht ist, dem Täter ein solches absichtliches Betrinken anzuhängen.

P.S. Das österreichische und das deutsche Strafrecht sind sehr ähnlich, also sind meine Aussagen auch für Deutschland gültig.