Schweigepflicht auch bei Androhung einer Straftat?

vom 03.07.2018, 09:02 Uhr

Nehmen wir einmal an, dass ein Mann bei einem Psychologen in Behandlung ist, weil er seine Eifersucht in den Griff bekommen will. Bei einer Sitzung aber ist der Mann anders als sonst. Er meint, dass er seine Frau mit einem anderen Mann gesehen hat und ehe er sie verliert, würde er sie töten.

Was darf ein Psychologe in diesem Fall machen? Macht er sich selbst strafbar, wenn er die Polizei einschaltet oder die Frau warnt? Muss ein Psychologe in dem Falle weiter schweigen oder muss sie sogar die Polizei einschalten und würde sich mit strafbar machen, wenn der Frau wirklich was passiert?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Erst einmal gilt fast immer die Schweigepflicht. Und das trifft auch auf Straftaten zu. Eine im Gespräch zugegebene Vergewaltigung oder ein Mord ändert daran nichts. Denn wäre die Schweigepflicht nicht ein so hohes Gut, würden viele Patienten gar keine Behandlung beginnen. Immerhin sind die Taten bereits passiert und bis auf eine möglicherweise gelungene Aufklärung ändert sich nichts.

Andere sieht es bei zukünftigen Taten aus. Wenn für Dritte eine "gegenwärtige" Gefahr droht, kann sich der Behandler auf den Notstand berufen und die Schweigepflicht brechen. Theoretisch muss er das sogar, um sich nicht selbst strafbar zu machen.

Das klingt in der Theorie total einfach, in der Praxis sieht es anders aus. Denn die Anforderungen sind hoch, weil die Schweigepflicht so ein wertvolles Gut ist. Also muss der Behandler abwägen, ob tatsächlich jetzt eine echte Gefahr besteht. Denn nur weil jemand sagt, ich bringe den oder die um, tut er das noch lange nicht.

Dein Beispiel zeigt das Dilemma sehr gut. Der Patient hat seine Partnerin mit einem anderen Mann gesehen und ist übersteigert eifersüchtig. Wie hat er sie denn gesehen? Mit einem anderen redend? Bei einer Umarmung? Beim Knutschen? Im Bett? Ist es also wahrscheinlich, dass die Partnerin ihn wegen eines anderen oder wegen des Stresses durch die ständigen Vorwürfe jetzt zeitnah verlässt?

Ist das jetzt nicht anzunehmen, besteht gar keine gegenwärtige Gefahr, selbst wenn der Patient es tatsächlich umsetzen würde. Was gleich die nächste Frage aufwirft: Würde er wirklich töten oder verletzen? Das muss der Behandler abwägen. Ist die Gefahr nicht gegenwärtig, muss er schweigen und hat die Chance, die Situation durch die Behandlung zu entschärfen.

Und wenn tatsächlich eine gegenwärtige Gefahr besteht, bleibt es weiter schwammig. Dann darf und soll der Behandler die Schweigepflicht brechen. Aber er soll das mildeste Mittel wählen. Ob das nun ein Anruf bei der Polizei oder bei der Partnerin ist, das ist auch nicht klar geregelt.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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