Kind vor Studium ohne Perspektiven warnen oder zulassen?
Eine Bekannte der Familie hat zwei Söhne, die nun beide das Abitur in der Tasche haben. Der eine hat mit einer Ausbildung begonnen und diese abgebrochen, daher sind beide Söhne nun mehr oder weniger auf dem gleichen Stand. Nun haben sich beide für ein Studium entschieden. Der eine möchte Philosophie studieren und der andere Geschichte.
Meine Bekannte findet das natürlich nicht so gut, denn für beide Studiengänge gibt es keine besonders rosigen Zukunftsperspektiven. Wenn man nicht die Aussicht hat später an der Uni bleiben zu können, studiert man sich quasi in die Arbeitslosigkeit. Sie hat auch die Überlegung geäußert, dass der Notenschnitt der beiden einfach nicht reicht, um etwas vernünftiges zu studieren.
Nun weiß sie nicht so recht, wie sie darauf reagieren soll. Zahlen muss sie das Studium natürlich so oder so. Sie überlegt aber nun, ob sie versuchen soll es den beiden auszureden. Auch wenn sie den Studiengang interessant finden, sollten sie lieber etwas anderes studieren oder eine Ausbildung machen, da die Zukunftsperspektiven besser sind.
Würdet ihr euer Kind ein Fach studieren lassen, für das es am Ende keine guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt gibt? Würdet ihr vielleicht einfach darauf vertrauen, dass der Nachwuchs so gut ist, dass er doch eine Stelle findet oder an der Uni bleiben kann? Oder seht ihr das realistischer und würdet versuchen es dem Kind auszureden?
Ich würde gar nicht mal sagen, dass man mit solchen Studiengängen schlechte Chancen hat. Oftmals finden sich Absolventen solcher Fächer in Bereichen, die man nie vermuten würde. Denn in der Wirtschaft ist bekannt, dass man in den Geisteswissenschaften lernt, interdisziplinär zu denken und die Fähigkeit erhält, sich in neue Themenbereiche einzuarbeiten und viele berufsübergreifende Kompetenzen erwirbt.
Grundsätzlich sollte in meinen Augen jeder den Beruf wählen, zu dem er sich am meisten hingezogen fühlt und der seinen Interessen und Talenten entspricht. Was nützt die lukrativste Ausbildung, wenn man den Beruf nur halbherzig und desinteressiert einzig des Geldes wegen ausübt? Man wird so nie erfolgreich sein und glücklich im Leben wird man so erst recht nicht.
Oder besser gesagt: Ein sehr guter Historiker oder Philosophie-Absolvent hat mehr Zukunft, als ein schlechter Arzt oder Architekt.
Wo liegt den das Problem mit Philosophie? Die Arbeitslosenquote dort liegt unter einem Prozent. Viele Unternehmen suchen gezielt solche Absolventen. In der Unternehmensberatung sind die ebenso gesucht wie bei Stiftungen. Und das ist nur ein kleiner Teil der Möglichkeiten. Bei Geschichte sieht es dagegen tatsächlich schlechter aus, da sollte man Vitamin B haben.
Ich glaube, dass es schon auch möglich ist mit diesen Studiengängen etwas zu finden. Man kann ja auch in anderen Bereichen arbeiten. Generell würde ich als Mutter immer meine Bedenken äußern, wenn ich solche hätte, aber ich würde eben auch ganz klar sagen, dass ich mein Kind immer unterstütze. Wenn es ihm Spaß macht, dann muss er es machen und dann muss er eben sehen wie er sich danach finanzieren kann, denn das mache ich nicht sein Leben lang.
Gerade wenn das "Kind" alt genug ist um studieren zu können sollte man sich als Eltern zurückhalten und nicht ständig ungefragt seine Meinung und seine Ratschläge kund tun. Mal ehrlich, würdest du auf deine Eltern hören, wenn die dir von deinem Studium abgeraten hätten? Also ich ehrlich gesagt nicht.
Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann wird das auch durchgezogen, egal was die Leute sagen. In dieser Hinsicht bin ich sehr stur und zielorientiert, denn es geht um mein Leben und nicht um das Leben von anderen Menschen. Manche Erfahrungen muss man eben selbst machen und da können die Eltern dann gegen eine Wand reden, das ist dann eh egal.
Als Geisteswissenschaftlerin umgeben von Geisteswissenschaftlern, die durchaus solide Jobs haben und auch wirklich anständig verdienen, halte ich es schon für arrogant bis lächerlich zu glauben, dass man mit manchen Studienfächern "ohne Perspektiven" dasteht, genauso wie es meiner Erfahrung nach Bullshit ist zu glauben, mit einem halbherzigen BWL-Studium oder ähnlichem stünden einem automatisch alle Wege offen.
Wenn man sich geschickt anstellt, rechtzeitig das Netzwerken anfängt und jede Gelegenheit nutzt, Kontakte zu knüpfen und sich zu profilieren, kann man auch in den Geisteswissenschaften eine erfolgreiche Karriere hinlegen. Es ist nur etwas mühsamer, aber ich halte es schon für sinnvoll, wenn man schon das Geld und die Zeit investiert, etwas zu studieren, was man wirklich will und nicht nur auf Mama und Papa zu hören, die einen am liebsten in einer Bank oder bei Onkel Werner in der Werkstatt sehen wollen, weil es da eine Festanstellung gibt. Aber das heißt eben auch, von Anfang an aktiv zu sein und nicht nur Aristoteles zu lesen oder den Dreißigjährigen Krieg aufzudröseln.
Letzten Endes macht es also in meinen Augen den Hauptunterschied, ob man halbwegs clevere, sozial angepasste und flexible Nachkommen in die Welt gesetzt hat und nicht, ob diese brav die vorgezeichneten Wege in die Berufswelt über BWL, Maschinenbau oder Lehramt beschreiten.
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