Etwas nur verstanden, wenn man es erklären kann?

Ein Lehrer aus meiner früheren Schule hat im Unterricht stets darauf bestanden, dass man nur dann etwas wirklich verstanden und verinnerlicht hat, wenn man es anderen auch gut und verständliche erklären kann. Ansonsten ist es fraglich, wie gut man es wirklich verstanden hat. Inzwischen bin ich an der Uni und merke eher einen gegensätzlichen Trend, Leute die etwas besonders gut können, können es oftmals eher schlecht erklären.

Beispielsweise ist ein Bekannter von mir Professor und befasst sich mit Thermodynamik, konnte mir in dieser Hinsicht allerdings bisher noch nie etwas wirklich ausreichend erklären. Genauso habe ich Dinge die mein Mentor mir erklärt hat, auch erst verstanden, als ich selbst vertraut mit dem Bereich war.

Viele Menschen sind in ihren Bereichen einfach so gut und clever, dass sie es für normale Menschen gar nicht mehr richtig erklären können. Eine Erklärung ohne das entsprechende Fachwissen und Vokabular, ist für sie unvorstellbar. Wie ist das bei euch, denkt ihr immer noch, dass Menschen nur etwas verstanden haben, wenn sie es anderen erklären können?

Ich finde es schade, dass manche Akademiker sich offenbar so sehr von Laien abspalten, dass sie nicht mal mehr wissen, wie man einem Laien Wissen vermittelt. Das ist für mich aber essentiell in der Lehre, wenn man etwas wirklich verstanden haben will.

Ich habe an der Uni schon häufiger die Beobachtung gemacht, dass Menschen, die dort sind, kaum ein Talent für Didaktik haben. Sie gehen vermutlich nur wegen der eigenen Neugier in die Forschung und schlagen eine wissenschaftliche Karriere an. So habe ich schon Dozenten getroffen, die fachlich sehr kompetent waren, aber didaktisch eine absolute Vollkatastrophe. Gerade solche Menschen haben in meinen Augen nichts in der Lehre zu suchen, auch wenn sich das möglicherweise etwas krass anhört.

Ehrlich gesagt bin ich grottenschlecht darin, etwas zu erklären. Das hat jedoch absolut gar nichts damit zu tun, dass ich den Stoff nicht verstanden habe. Stattdessen fällt es mir immer unheimlich schwer, spontan die richtigen Worte zu finden und etwas so zu vermitteln, dass es auch andere verstehen. In meinem Kopf macht dann immer alles einen Sinn, aber wenn ich versuche, das Ganze in Worte zu packen, dann scheitere ich aber sehr oft daran.

Ich muss sagen, dass ich mündlich noch nie so gut war, da ich oft eben nicht die richtigen Worte finde. Schriftlich kann ich mich immer problemlos ausdrücken und schriftlich fällt es mir auch absolut nicht schwer, etwas zu erklären. Bei Klausuren schreibe ich auch immer direkt drauf los, ohne überhaupt lange nach einer passenden Antwort suchen zu müssen. Das funktioniert einfach automatisch bei mir. Allerdings ist es mündlich schon wieder ganz anders und da bin ich eher das komplette Gegenteil.

Ich finde also gar nicht, dass man etwas nur dann verstanden hat, wenn man es auch gut erklären kann. Manche Menschen sind mündlich besser, andere wieder schriftlich. Das hat ja nichts mit dem Verständnis zu tun. Wenn man das "Erklären" aber so auslegt, dass auch schriftliches Erklären gemeint sein könnte, dann stimme ich dem aber doch zu. Irgendwie muss man ja etwas erklären können, wenn man etwas wirklich verstanden hat, egal ob nun mündlich oder schriftlich. Eines von beidem sollte man aber können, wenn auch nicht beides, wie ich finde, auch wenn das viele natürlich auch können.

Ich finde, dass man das vom Einzelfall abhängig machen sollte. Bei mir persönlich ist es tatsächlich so, dass ich etwas erst dann wirklich verstanden habe, wenn ich es einem Laien so erklären kann, dass er selbst alles versteht. Mir hat das ehrlich gesagt immer beim Lernen für Klausuren geholfen, wenn ich den Stoff eben Laien erklärt habe und diese Lernstrategie hat sich bei mir ziemlich bewährt. Denn wenn der Laie Sachen nicht versteht, hinterfragt oder sogar Sachverhalte kritisiert, dann denkt man mehr darüber nach und dann geht man beim Lernen noch weiter in die Tiefe, weil man selbst einen ganz anderen Blick auf den Lernstoff erhält.