Jüngere Chefs nicht so kulant, wie ältere?

vom 20.02.2013, 17:28 Uhr

Als ich im Jahr 2001 in der Firma angefangen habe, in der ich jetzt arbeite, hatten wir ein wunderbares Betriebsklima. Morgens wurde erst mal vor Arbeitsbeginn Kaffee getrunken. Und auch am Nachmittag gegen 14:00 Uhr gab es noch mal eine kleine Kaffeepause, außerhalb der normalen Pausen. Das war irgendwie angenehm und hat eine familiäre Atmosphäre geschaffen. Und wenn mal viel zu tun war, hat man den Kaffee am Nachmittag eben ausfallen lassen, was ja kein Problem ist. Allerdings herrschten diese Zustände noch, als unser Senior-Chef alleiniger Geschäftsführer war. Sicherlich war das alles auch noch ein bisschen "Ost-Manier", aber wir haben trotzdem alle gerne unsere Arbeit gemacht.

Jetzt sind mittlerweile seine beiden Kinder, sowohl Sohn, als auch Tochter, auch Geschäftsführer. Er ist zwar offiziell schon in Rente, ist aber noch jeden Tag in der Firma. Allerdings haben wir festgestellt, dass jetzt "ein anderer Wind weht". Das Erste, was abgeschafft wurde, war die Kaffeepause am Nachmittag. Gut, mich hat das nicht so gestört, da ich zum Schluss eh nie mit hoch gegangen bin, wenn ich viel Arbeit hatte. Nun, zum Anfang diesen Jahres, wurde auch das Kaffee-Trinken am Morgen abgeschafft, die Kollegen fangen jetzt wirklich im 06:45 Uhr an und nicht mehr, wie vorher, erst um 07:00 Uhr.

Ein Kollege aus der Produktion meinte neulich zu mir, dass es gar nicht so schlecht war, wenn morgens, vor Arbeitsbeginn alle zusammen gesessen haben, denn so konnte man auch dienstliche Dinge besprechen, beispielsweise, was produziert werden muss und man konnte auch über die Liefertermine sprechen. Aber das gibt es nun nicht mehr. Ich habe nun schon von vielen gehört, dass es auch in anderen Familienunternehmen so ist, dass sich einiges ändert, wenn die Kinder den Betrieb übernehmen. Oft hat das auch Sparmaßnahmen bis hin zu Kündigungen zur Folge.

Habt Ihr diesbezüglich auch schon Erfahrungen gesammelt? Was denkt Ihr, woran es liegen könnte, dass jüngere Geschäftsführer immer "strenger" und nicht mehr so kulant, wie ältere sind?

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» Jacqui_77 » Beiträge: 2718 » Talkpoints: 19,87 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Also nach allem, was ich bisher von deinen Möglichkeiten in deinem Betrieb mitbekommen habe, finde ich nicht, dass deine Chefin wenig kulant ist. So etwas wie private Telefonate und Surfen im Internet gibt es in anderen Unternehmen gar nicht. Ebenso wenig wie ein bezahltes Kaffeetrinken am Morgen und am Nachmittag.

Ich kenne es von anderen Firmen so, dass man pro Tag zum Beispiel 45 Minuten Pause hat und in dieser Zeit dann auch zur Toilette ging und die verbliebene Zeit als Raucher zum Beispiel nutzte um schnell eine oder zwei Zigaretten zu rauchen. Oft wird auch verlangt, dass man vor Arbeitsbeginn an seinem Platz ist und diesen erst nach Feierabend räumt.

Dabei ist es natürlich dennoch möglich zum Beispiel vor Arbeitsbeginn einen Kaffee zu trinken oder mit Kollegen zu tratschen. Sofern es bei dir zum Beispiel notwendig ist, dass du gewisse Informationen aus anderen Abteilungen erhälst, so kannst du diese doch auch während deiner Arbeitszeit einholen oder? Und morgendliche Meetings hingegen scheinen ja nicht notwendig zu sein zur Ausübung deiner Arbeit.

Ähnliches kenne ich aus der Animation. Dort saßen wir allmorgendlich zusammen, durchaus auch mit einem Kaffee oder ähnlichem und es wurde der Tag geplant und kurzfristige Aufgaben wurden verteilt. Dort gab es dann allerdings auch Anwesenheitspflicht für alle ab einer gewissen Uhrzeit. Das war Arbeitszeit, die allerdings auch allgemein wesentlich länger war als in Bürojobs.

Ich denke nicht, dass es mit älteren oder jüngeren Chefs zu tun hat. Auch gibt es meiner Meinung nach nicht das typische Familienunternehmen. Es gibt sicherlich Familienbetriebe, wo es locker zugeht, ebenso gibt es große Unternehmen, in denen die Mitarbeiter viele Freiheiten haben. Doch auch umgekehrt gibt es beides, also winzige Familienbetriebe, wo man quasi als Sohn aufgenommen wird und andere in denen Kontrolle vorherrscht.

Deine Beschreibung klingt so, als habe es früher zwei zusätzliche Pausen gegeben? Dazu privates Telefonieren und Surfen und vermutlich auch noch mal den einen oder anderen Tratsch? Wenn ich das so überschlage kommen dabei durchaus anderthalb bis zwei Stunden täglich zusammen. Das würde ich als Chefin ehrlich gesagt auch ändern.

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» Trisa » Beiträge: 3269 » Talkpoints: 20,14 » Auszeichnung für 3000 Beiträge


Mir ist diese Herangehendweise völlig fremd, Menschen an Hand von Merkmalen wie Geschlecht, Gewicht oder Alter in Gruppen einzuteilen und ihnen dann Gemeinsamkeiten zu unterstellen, die mit physischen Merkmalen nichts zu tun haben. Was kommt als Nächstes? Die Frage: "Verpacken übergewichtige Bäckereiverkäufer die Semmeln ordentlicher als schlanke? ;) So viele Chefs unterschiedlicher Altersklassen kann man ja gar nicht erleben, um wirklich statistisch tragbare Ergebnisse zum Führungsstil zu gewinnen.

Deshalb glaube ich auch in diesem Fall nicht, dass man pauschal alle "jüngeren" Chefs als ganz harte Hunde abstempeln kann, während Patriarchen der alten Schule sich entspannt zurücklehnen. Genauso gut könnte es ja auch umgekehrt sein: Ältere Vorgesetzte können ja auch einen traditionelleren Führungsstil pflegen und sehr auf Leistung drängen, während der Juniorchef lieber einen auf guten Kumpel macht. Außerdem hängt es ja beispielsweise auch vom Arbeitsanfall und der generellen Wirtschaftslage ab, ob man mal die Zügel schleifen lassen kann oder die Mitarbeiter zu Höchstleistungen motivieren muss, weil die Auftragsbücher voll sind.

» Gerbera » Beiträge: 11332 » Talkpoints: 52,90 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Oh nein, die reine Arbeitszeit wird auch zum Arbeiten genutzt, wie tragisch. Ich finde es eigentlich schon unverschämt, dass ein Arbeitnehmer in Frage stellt, dass ein Arbeitgeber darauf achtet, dass die Arbeitszeiten eingehalten werden müssen und Annehmlichkeiten der Vergangenheit angehören. Mit Kulanz hat es nichts zu tun. Aber ich denke, Dein Chef/ Deine Chefin wird sicherlich auch eine Kaffeepause erlauben, wenn Du die Zeit dann an die jetzige Arbeitszeit dran hängst. Mir stellt sich eine solche Frage ehrlich gesagt auch nicht wirklich, da es ja vom Seniorchef schon recht nett gewesen ist.

Man kann auch ohne stetige Pausen ein familiäres Arbeitsgefühl haben, aber letztendlich finanzierst Du doch durch diese Arbeit auch Dein Lebensunterhalt und solltest Du Deinen Job dann wechseln, so wie Du es vor hast, wirst Du Dich vermutlich sowieso komplett umorientieren müssen und solche Annehmlichkeiten nicht mehr so erleben.

Ich kann nicht sagen, ob man ausschließlich am Alter der Vorgesetzten etwas sagen kann. Es gibt auch junge Chefs, die eher ein kumpelhaftes Verhalten an den Tag legen und genauso gibt es ältere Chefs, die scheinbar gütig wirken. Genauso gibt es ältere Personen als Chefs, die sehr auf die Disziplin achten und auch darauf großen Wert legen!

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» *steph* » Beiträge: 18439 » Talkpoints: 38,79 » Auszeichnung für 18000 Beiträge



Meiner Ansicht nach hängt das doch gar nicht vom Alter oder vom Geschlecht ab, sondern einfach von den Zielen des Chefs und vom Charakter. So kenne ich auch ältere Arbeitgeber, die sehr auf effizient getrimmt sind und dann darauf aus sind, dass Produktionsabläufe stark vereinfacht und optimiert werden, um das Beste aus dem Unternehmen rauszuholen. Besonders auffällig ist das dann, wenn ein anderer, weicherer, Arbeitgeber zuvor abgelöst worden ist, weil der keine Lust mehr auf den Posten hatte und es damit zum "Regime-Wechsel" gekommen ist. Das hat mit dem Alter aber nichts zu tun und ich frage mich, wie man auf so einen Blödsinn kommt.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Es liegt nicht alleine an dem Wechsel der Generationen, es haben sich auch die rechtlichen Grundlagen geändert. Du schreibst davon, dass morgens vor dem Arbeitsbeginn alle zusammen saßen und gefrühstückt haben und nebenbei das dienstliche behandelt wurde. Früher konnte man das unbezahlt lassen, heute wäre das nicht mehr der Fall und verursacht damit auch Kosten die im Endeffekt erst einmal keine Einnahmen generieren. Firmen die angeschlagen sind, für diese ist das gar nichts, aber das weiß der kleine Mitarbeiter auch nicht.

Auch wenn die Mitarbeiter auf die Gutschrift der Arbeitszeit verzichten würden, bleiben die Ausgaben bestehen und der Arbeitgeber muss diese auch zeitlich aufführen und entsprechende Abgaben leisten. Das gilt dann auch für die entsprechenden Versicherungen. Nächstes Problem, ist der Arbeitsbeginn 6 Uhr und man sitzt dann vorher zusammen, ist das noch Nachtarbeit. Andere Zulagen die damit jedem zustehen, andere Versicherungsbeiträge usw. Weitere Kosten. Nur weil es "nett" ist, muss es der kleine Mann nicht verstehen warum das nicht mehr gemacht wird.

Kulanz ist etwas anderes, und weil es die Senioren noch so gehalten haben und man da Nachsichtig war oder sie es auch einfach unter den Tisch gekehrt haben und auch die Beziehungen in die entsprechenden Ämter vorhanden waren wenn die Kontrolle kam, muss das der Junior noch lange nicht haben. Auch in den Ämtern wird man bissiger und legt seinen Fokus auf die kleineren Unternehmen als auf die Großen, denn z.B. ist Baden Württemberg nicht umsonst ein Steuerparadies für Großunternehmen, da die Steuerfahndung so klein ausgestattet ist, dass die komplette Steuerfahndung des Landes an einem großen Unternehmen 3 Jahre brauchen würde bis die Kontrolle fertig ist. Das ist in anderen Bundesländern z.B. NRW nicht der Fall. Also stürzt man sich auf die kleineren Unternehmen, die man in wenigen Tagen oder Wochen abfrühstücken kann, sein Mehrergebnis hat und gut ist. Da wir dann alles umgedreht und wenn nur ein Euro vergessen wurde zu versteuern, dann hat es sich schon gelohnt. Was so an Steuerausfall generiert wird, ist eine Schattenzahl.

Ich bin nun auch Unternehmerin, kein Greis und auch niemand der das Unternehmen übernommen hat, sondern auch die Gründerin. Ich gehe damit anders um, als wenn es vor die Nase gesetzt wird. Gründer "leben" ihr Unternehmen, die die übernehmen führen oftmals nur noch und richten sich danach, was sie auf den Unis gelernt haben und bestenfalls ist etwas abgefärbt von den Eltern, wenn sie von klein auf mit im Betrieb waren und das kennengelernt haben. Aber es hat auch jede Person seinen anderen Führungsstil und andere Prioritäten, dem einen ist es wichtig am Jahresende eine fette Tantieme zu bekommen, dem anderen das die Produkte gut sind usw.

Was man als streng empfindet und was nicht, ist ebenfalls eine Einstellungssache. Ich empfinde mich schon als streng und Ordnungsliebend, aber wenn ich so die Resonanz aus der Belegschaft bekomme werde ich da als Sozial gehandelt mit "der man reden kann". Ich bemühe mich, soweit ist es richtig und ich kann erklären, warum ich etwas nicht umsetzen kann was die Belegschaft sich wünscht auch in einfachen Worten. Menschen die Meckern wenn ihr Problem damit nicht aus der Welt geschafft wird, findest du überall aber die breite Masse ist zufrieden und bei mir gibt es kein "zusammen sitzen vor Arbeitsbeginn" es gibt Gleitzeit, eine bezahlte Frühstückspause von 15 Minuten die der reinen Selbstkontrolle der Mitarbeiter unterliegt sowie eine Mindestpause von 30 Minuten bzw. bei minderjährigen eine Stunde.

Die Pausen können die Mitarbeiter verteilen wie sie lustig sind, der eine will nicht Frühstücken dann geht er halt 45 Minuten in Pause. Stempelt die 30 Minuten aus, die 15 Minuten bezahlte Pause hängt er dran. Andere nutzen die Frühstückspause am Nachmittag zum Kuchen Essen im Sozialraum - können sie machen, es steht ihnen frei. Die Kontrolle, dass jeder nicht mehr als 15 Minuten pi mal Daumen macht, erledigen die Mitarbeiter unter sich selbst. Wird an einem Tag im Jahr gefeiert und es wird mal länger z.B. eine Stunde Pause, auch kein Ding. Findet das ständig statt, dann mische ich mich ein und sage auch mal "so nicht". Kernarbeitszeiten sind zu halten und solange die Arbeit gemacht wird, hebt das auch die Moral unter der Belegschaft.

Aber ich garantiere dir, egal wer meine Firma mal übernehmen wird, es wird anders werden. Denn niemand kopiert 1:1 den Vorgänger und hat andere Vorstellungen. Ich halte mich z.B. aus einigen Märkten der Welt bewusst heraus und lehne die Angebote ab, der Nachfolger findet das vielleicht Verlockend und steigt ein. Damit kann man eine Bauchlandung machen, braucht mehr Geld und das muss man erst einmal haben. Bekommen tut man das neben Krediten auch mit Einsparungen und der größte Posten ist einfach das Personal.

Man muss es auch einfach mal nüchtern sehen und gerade jüngere Chefs die das Geschäft übernommen haben, haben oftmals einen schweren Start und Stand unter der Belegschaft, und müssen sich erst einmal behaupten. Das macht man weniger mit Kuschelkurs mit den Mitarbeitern, sondern eher auf die harte Tour um sich den Respekt zu verdienen. Denn wie oft werden auch jüngere belächelt mit einem "ich mache das schon 30 Jahre so, da lass ich mir doch nichts anderes sagen"?

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» Sorae » Beiträge: 19435 » Talkpoints: 1,29 » Auszeichnung für 19000 Beiträge


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