Wie gut können Eltern ihre Kinder einschätzen?

vom 27.07.2015, 07:22 Uhr

Ich habe gestern mit meinem Freund über dieses Thema diskutiert. Es ging eben darum, wie gut Eltern ihre Kinder kennen und diese sogar einschätzen können.

Ausgelöst hat diese Diskussion meine Cousine bzw. ein Gespräch über meine Cousine. Sie ist im Moment alleinerziehend und hat einen dreijährigen Sohn zu Hause. Sie hat selbst mal gesagt, dass sie ihren Sohn nicht aus seiner derzeit gewohnten Umgebung mit Freunden und allem reißen möchte, da sie der Meinung ist, dass es das Kind nur unnötig psychisch belasten würde und sie das eben vermeiden möchte. Ich bin der Meinung, dass sie ihr Kind wohl am Besten wird einschätzen können, mein Freund jedoch denkt, dass nicht alle Eltern ihre Kinder gut einschätzen können und sich häufig auch mal irren.

Er argumentiert damit, dass er eben beobachtet hat, dass meine Eltern mich auch häufig falsch eingeschätzt haben und er das eben mitbekommen hätte. Auch sagt er, dass seine Eltern ihn oft falsch eingeschätzt hätten und ihm Bedürfnisse oder Ansichten angedichtet haben, die so gar nicht vorhanden waren. Das hätte sich bis heute nicht geändert, sodass er diese Eltern-Kind-Thematik grundsätzlich eher kritisch betrachtet.

Was meint ihr? Wie gut können Eltern ihre Kinder einschätzen? Konnten eure Eltern euch gut einschätzen oder eher nicht? Woran liegt es, dass manche Eltern ihre Kinder (scheinbar) gut einschätzen und gut kennen und andere so gar nicht?

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» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Meine Eltern musste, soweit ich weiß, mich selten einschätzen. Aber ich weiß auch, dass sie bei vielen Dingen genau hingehört haben. Besonders dann, wenn es um passende Geschenke ging. Da konnte ich mich teilweise gar nicht erinnern, dass ich mal entsprechende Aussagen getätigt hatte, auch wenn der Wunsch bestanden hat.

Meine Kinder dagegen kann ich recht gut einschätzen. Zumindest wurde mir das immer von Lehrern so bestätigt, wenn es um die Bildungsempfehlung ging. So hatten beide Mädels von den Noten her die Möglichkeit zum Gymnasium zu wechseln. Ich habe aber immer für die Oberschule plädiert, weil mir klar war, dass der Druck auf dem Gymnasium für sie im Moment noch zu hoch wäre. Auch der Zeitaufwand am Morgen und Nachmittag für den Schulweg wäre sehr hoch, so dass ihnen nur wenig Zeit mit Freunden bleiben würde.

Die Lehrer sahen das immer genauso und haben mir auch bei allen Gesprächen dazu gesagt, dass sie sich freuen, dass ich so objektiv einschätze. Muss wohl auch Eltern geben, wo es gerade nur für die Hauptschule reicht, aber sie das Kind gern auf dem Gymnasium sehen würden. Aber nun ein beziehungsweise zwei Jahre später sehe ich auch sehr gut, dass die damaligen Entscheidungen richtig waren.

» Punktedieb » Beiträge: 17970 » Talkpoints: 16,03 » Auszeichnung für 17000 Beiträge


Ich beobachte an Eltern in meinem Umfeld häufig einen elterlichen Tunnelblick. Dabei steht dann gar nicht unbedingt das Kind selbst im Mittelpunkt, sondern häufig die Tatsache, dass man unsicher ist, nur das Beste will oder das irgendjemand beispielsweise in der Schule bestimmte Dinge erzählt. Das lenkt den Blick oft ab.

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» Bellikowski » Beiträge: 7700 » Talkpoints: 16,89 » Auszeichnung für 7000 Beiträge



Ich denke schon, dass ich meine Kinder sehr gut kenne und sie dementsprechend gut einschätzen kann. Leider ist sind Kinder heute ein Statussymbol und niemand möchte zugeben, wenn es nicht ganz so perfekt läuft.

In NRW haben wir freie Schulwahl und aus der jetzigen 4.Klasse unserer Grundschule gehen nur zwei Kinder nicht zum Gymnasium. Im Umkehrschluss gehen 26 Kinder zum Gymnasium. Jetzt könnte man anhand der Zahlen meinen, es wäre eine extrem leistungsstarke Klasse mit ausschließlich guten Schülern.

Das ist aber nicht der Fall. Es ist eine ganz normale Klasse, die bei den VERA Vergleichsarbeiten nur leicht über dem Durchschnitt lag. Es gehen also viele Kinder, die ausschließlich Dreien in den Hauptfächern haben oder eigentlich gut sind, aber in einem Hauptfach eine Vier haben, zum Gymnasium.

Wir wohnen eben in einer ,,besseren'' Gegend, in der es genau eine Gesamtschule, eine Realschule und fünf Gymnasien gibt. Hier bekommen sogar Erstklässler Nachhilfe. :think:

Meine Tochter hatte jetzt in der dritten Klasse nur Zweien und eine Eins in Kunst, aber sie wird vermutlich nicht zum Gymnasium gehen. Sie ist sehr jung eingeschult, verspielt, verträumt und manchmal auch ein wenig unkonzentriert und ich denke, sie wird es auf der Gesamtschule, die einen super Ruf hat und einen besseren Abidurchschnitt, leichter haben.

Aber es hört sich halt besser an, wenn das man sagen kann, dass das eigene Kind zum Gymnasium geht. Das ist leider viel wichtiger, als sich an den Bedürfnissen des Kindes zu orientieren und es wirklich realistisch einzuschätzen.

» drago » Beiträge: 169 » Talkpoints: 1,56 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Ich denke, dass man hier schon differenzieren sollte. Allgemein ist es schon denkbar, dass Eltern ihre Kinder gut einschätzen können. Aber oftmals ist es eben auch so, dass Eltern eben zu viel projizieren, was nur allzu menschlich ist. Da geht man zum Beispiel davon aus, dass man selbst dieses oder jenes Bedürfnis gehabt hätte und geht dann davon aus, dass das Kind ähnlich empfinden wird, wenn es um eine ähnliche Situation geht.

Wenn alle Eltern ihre Kinder gut einschätzen könnten, würden nicht so viele Kinder aufs Gymnasium gehen, die dort eigentlich gar nichts verloren haben und dort heillos überfordert sind. So kenne ich einige Eltern, die entgegen der Empfehlungen des Lehrers (der plädierte für die Realschule) das Kind auf das Gymnasium geschickt haben, weil sie unbedingt wollten, dass das Kind Karriere macht und dies ohne Gymnasium nicht möglich sei. Hinterher ist das Kind dann auch mal sitzen geblieben und dann doch zur Realschule gewechselt, wo es viel besser klar kommt und auch mehr Spaß am Lernen hat.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


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