Wird das Abitur insgesamt immer leichter? Ist es gut so?

vom 04.05.2018, 20:24 Uhr

Heute waren im Supermarkt vor mir zwei Lehrer, die über das in Kürze stattfindende Abitur gesprochen haben. Beide waren schon deutlich über 40 Jahre alt und haben gemeint, dass jetzt wieder das Abitur ansteht, welches von Jahr zu Jahr immer leichter wird, weil die Politik dies so will und dass irgendwann jeder irgendeine Art von Abitur bekommen kann.

Für die Grundschule und den mittleren Schulabschluss gibt es laut Internet schon seit längerer Zeit einheitliche Bildungsstandards. Sie werden regelmäßig überprüft und verglichen. Nicht so jedoch für das Abitur. Wie seht ihr das? Wird das Abitur insgesamt überall in Deutschland leichter? Und begrüßt ihr diese Entwicklung oder eher nicht?

» ANDi27 » Beiträge: 293 » Talkpoints: 0,10 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Auch für das Abitur gibt es einheitliche Bildungsstandards. Im Oktober 2012 wurde dies von der KMK beschlossen. Die einheitlichen Bildungsstandards gelten seit der Einführungsphase des Jahres 2014/15. Also für den Jahrgang, der im Sommer 2017 das Abitur gemacht hat. Einheitliche Bildungsstandards heißen aber nicht, dass alle Schüler in allen Bundesländern die gleichen Klausuren schreiben. Außerdem gelten sie nur für die Fächer Deutsch, Mathematik und die fortgeführte Fremdsprache, also Englisch oder Französisch.

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich kurz vor meinen eigenen Abiturprüfungen in der Pausenhalle saß und der Schulleiter sich dazu gesellte und sich nach meinem Befinden erkundigte. Dabei erzählte er mir, dass sein Abitur noch wesentlich anspruchsvoller war. Das ist nun über 10 Jahre her. Er berichtete, dass er damals noch verpflichtend Mathe, Deutsch, Englisch und in seinem Fall Latein als Leistungskurse hatte. Außerdem musste er in all seinen Unterrichtsfächern Prüfungen ablegen. Da dachte ich, dass es uns ja gar nicht so schlecht ging. Durch eine zufällig recht geschickte Wahl meiner Fächer musste ich nur 5 Klausuren in der Qualifikationsphase schreiben. Viele meiner Mitschüler mussten mehr Klausuren schreiben.

Nach meinem Studium bin ich wieder zurück an die Schule gekehrt. Es hat sich wirklich vieles geändert. Wir haben vor gut 10 Jahren Funktionsanalysen noch vollständig von Hand ausgeführt, heute haben die Schüler ihren graphikfähigen Taschenrechner und können sich dort die zu untersuchende Funktion anzeigen lassen. Wir mussten noch die Null-, Extrem- und Wendestellen berechnen, den Schnittpunkt mit der y-Achse und das Verhalten im Unendlichen, nur um am Ende die Funktion skizzieren zu können.

Auch kenne ich es aus meiner eigenen Schulzeit nicht, dass der Lehrer Kontrollergebnisse angeben muss. Hatte man Aufgabenteil a) nicht lösen können, brauchte das Ergebnis aber für Aufgabenteil b), dann hatte man schlichtweg Pech. Heutzutage muss, in dem Fall, dass ein Ergebnis eines Aufgabenteiles weiter verwendet werden muss, ein Kontrollergebnis angegeben werden, damit die Schüler damit den weiterführenden Aufgabenteil bearbeiten können.

Eines meiner beliebtesten Beispiele, dass die Aufgaben heutzutage einen, wie ich finde, geringeren Anspruch haben, ist das folgende: Vor knapp über 10 Jahren hieß die Aufgabe noch "Bestimmen Sie eine Stammfunktion der Funktion f." Heute heißt die Aufgabe "Zeigen Sie, dass F(x)=... eine Stammfunktion von f ist." Während früher also noch selbstständig integriert werden musste, muss heute nur noch eine angegebene Stammfunktion abgeleitet werden. Das Ableiten gehört in die Einführungsphase, also nicht in die Qualifikationsphase. Das Integrieren gehört hingegen in die Qualifikationsphase. Damit ist dieser Anspruch in der Tat gesunken.

Außerdem sind ganze Aufgabenfelder aus dem Lehrplan gestrichen worden, wie z.B. die Polynomdivision oder das Führen von Beweisen. In anderen Fächern sieht es laut meinen Kollegen auch nicht wirklich anders.

» pejosh » Beiträge: 19 » Talkpoints: 10,08 »


Ich habe mir die Prüfungen vor oder nach meinem Abiturjahrgang nie angeschaut, daher kann ich nicht sagen, ob es allgemein leichter wird mit den Prüfungen wird oder nicht. Kommt sicherlich auch auf die Region und den Migrantenanteil in der Oberstufe an. Ich las vor kurzem aber einen sehr interessanten Artikel, der mich zum Thema Hat Deutschland viel zu wenig Akademiker? inspiriert hat. Dort hieß es, dass Deutschland hinterher hinken würde, was die Akademiker angeht und dass es eben das Ziel wäre, die Absolventenanzahl um 10 Prozent zu erhöhen. Daher wäre es ja schon irgendwie logisch, dass man eben versucht, die Menschen zu einem Abitur zu bewegen. Wenn das zu schwer ist, kann man ja schlecht studieren gehen und dann verschlechtert sich die Quote und das wäre peinlich.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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