Wie viel unentgeltliche Arbeitszeit ist angemessen?

vom 16.02.2013, 14:00 Uhr

Während einige sich immer wieder über Stechuhren und minutengenaue Zeiterfassung beschweren, sehe ich darin durchaus auch Vorteile. Zum einen hat so jeder einen Nachweis und man kann sich relativ sicher sein, dass es nicht zu Ungereimtheiten kommt. Allerdings gibt es durchaus auch Unternehmen, wo man zum Beispiel am Arbeitsplatz erst "einchecken" kann, wenn man größere Strecken zurückgelegt hat oder gewisse Vorarbeiten geleistet hat.

So kenne ich zum Beispiel Arbeitsplätze, bei denen man vom Eingangstor bis zu seinem Arbeitsplatz schonmal zehn Minuten unterwegs ist. Andere müssen spezielle Kleidung tragen, desinfizieren, Dinge vorbereiten und ähnliches, was täglich Zeit in Anspruch nimmt. Dabei dient das meiste ja durchaus dem Arbeitgeber und ist keinesfalls eine eigene selbst gewählte Freizeitgestaltung, wie man sie vielleicht in Pausen- oder Aufenthaltsräumen findet. Wer sich dort vor Arbeitsbeginn mit seinen Kollegen trifft, um Karten zu spielen, macht dies natürlich in seiner Freizeit.

Ein Bekannter, Herr A, arbeitet nun in einem Unternehmen, in dem er morgens einiges vorbereiten muss, dann an seinem Arbeitsplatz den Rechner hochfahren muss, Programme starten muss und sich erst dann anmelden kann. Und dies in einer 20-Minuten-Taktung. Also entweder er klickt vor 8.00 Uhr auf den Button für 8.00Uhr, oder seine vergütete Arbeitszeit beginnt erst um 8.20 Uhr, selbst wenn er um 8:01Uhr auf Anmelden klickt. Nun kann man natürlich durchaus erwarten, dass ein Mitarbeiter wenige Minuten vor Arbeitsbeginn arbeitsbereit ist, allerdings dauern die Vorarbeiten von Herrn A auch täglich mindestens 15 Minuten, teilweise auch 25 Minuten, wenn zum Beispiel der Rechner nicht ordentlich startet.

Wie viel unentgeldliche Arbeitszeit gibt es bei euch? Und welcher Zeitrahmen wäre für euch überhaupt akzeptabel? Gibt es gesetzliche Regelungen, wie viel zusätzliche Zeit am Arbeitsplatz der Arbeitgeber fordern darf? Könnte Herr A zum Beispiel verlangen, dass er ab 7.45 Uhr bezahlt wird, wenn er zu diesem Zeitpunkt spätestens an seinem Arbeitsplatz sitzen muss, um alles vorzubereiten und seine Programme zu starten?

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» Trisa » Beiträge: 3269 » Talkpoints: 20,14 » Auszeichnung für 3000 Beiträge



Ich bin der Meinung mal gehört zu haben, dass bis zu 10% der generellen Arbeitszeit als unentgeltliche Zeit zumutbar sind. Habe mich auch ziemlich gewundert, dass es solch eine Regelung gibt. Mit Bestimmtheit sagen kann ich aber nicht, ob das tatsächlich stimmt.

Ich bin in der glücklichen Lage, variable Arbeitszeit zu haben - praktisch fast Gleitzeit. So sind eventuell auftretende Überstunden auch wieder abbaubar. Da kann ich mich glücklich schätzen, denke ich.

» Wesie » Beiträge: 307 » Talkpoints: 3,27 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ich muss schon sagen, dass ich eine 20-Minuten-Taktung sehr unglücklich finde, da man somit bei geringster Verspätung bereits 20 Minuten weniger Arbeitszeit berechnet bekommt und das ist schon erheblich. Allein deswegen müsste es die Möglichkeit geben, sich vorab anzumelden und die Zeit wieder gutgeschrieben bekommen, wenn man früher da ist. Ich finde für solche Systeme eine 5-Minuten-Taktung besser, weil die reelle Arbeitszeit so auch exakter nachvollzogen werden kann, wenn man keine minutengenaue Taktung in Betracht ziehen möchte.

Ich finde es auch unfair, wenn man zum Beispiel im Krankenhaus arbeitet und erst einmal sich in die Umkleidekabine begeben muss, um seine Zivilkleidung abzulegen und erst anschließend sich an seinen tatsächlichen Arbeitsplatz begeben kann, um sich als anwesend einzuchecken. Schließlich kann man nicht verlangen, dass sich sämtliche Mitarbeiter, wie die Soldaten umziehen oder eben erhebliche Zeit vor und nach der Arbeit sich (noch) nicht in der reellen Freizeit befinden.

Ob es jedoch Sinn machen würde, die Zeit fürs Umziehen in die Arbeitszeit zu integrieren oder eine pauschale Zeit dafür einzuberechnen, bleibt mir noch ein Rätsel. Denn schließlich läuft man bei ersterer Gefahr, dass die Mitarbeiter sich zu viel Zeit für das Umziehen nehmen und somit viel weniger effektive Arbeit leisten könnten. Beim zweiten Fall könnten sich einige Mitarbeiter beschweren, dass die pauschale Zeit zu kurz bemessen ist und tatsächlich nicht ausreicht, um sich in einem angemessenen Tempo vollständig umgezogen zu haben.

Für mich im Büro stellt es keine weitere Schwierigkeit dar, wenn ich einige Unterlagen sortieren muss, während mein PC hochfährt und bis ich meine Arbeit aufnehmen kann. Da es sich hierbei im Normalfall um ca. 10 Minuten handelt, welche sich noch verkraften lassen. Allerdings habe ich auch kein Zeiterfassungssystem, sondern muss meine Arbeitszeiten mit der Hand in eine Tabelle eintragen, welche Ende des Monats in die Zentrale weiter geleitet wird.

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» LongHairGirl » Beiträge: 845 » Talkpoints: 47,97 » Auszeichnung für 500 Beiträge



Im Endeffekt ist es ja erst einmal egal, ob Zeit als bezahlte Zeit zählt oder nicht. Wichtig ist eigentlich nur das Verhältnis von geleisteter Arbeitszeit zu Bezahlung. Wenn jemand 20% unbezahlte Arbeit leistet, aber dafür 30% mehr Geld bekommt, ist dieser ja im Prinzip besser dran. Und wenn eben bestimmte Tätigkeiten als unbezahlte Zeit zählen, ist das quasi im Gehalt schon inbegriffen. Würde man diese Tätigkeiten zu bezahlter Zeit machen, würde das langfristig sicherlich dazu führen, dass der Arbeitgeber das über eine geringere Bezahlung ausgleicht.

Natürlich bedeutet aber mehr Arbeitszeit auch weniger Freizeit. Vielleicht würde jemand gerne weniger arbeiten und dafür auch weniger Geld bekommen. Das ist aber eigentlich ein anderes Thema.

Problematisch ist es aber, wenn man immer mehr unbezahlte Überstunden macht, ohne einen Gehaltsausgleich zu bekommen oder die Überstunden abfeiern zu können. Letzteres halte ich für die bessere Lösung, da so sichergestellt ist, dass man genügend Freizeit bekommt.

Meine eigene Arbeitszeit wird per Stechuhr minutengenau abgerechnet. Und ich bin ganz froh darüber, da ich damit eindeutig nachweisen kann, dass ich meinen Soll erfüllt habe. Bei Vertrauensarbeitszeit kommt es doch eher zu Gruppenzwangeffekten; manchmal gibt es wahre Wettbewerbe, wer am meisten Überstunden macht. Das gibt es zwar auch mit Stechuhr, aber man kann sich dem doch damit leichter entziehen. Andererseits lässt sich meine Arbeit nicht durch Zeit messen, so manche Leute die gleiche Leistung locker in ihrer Sollarbeitszeit erfüllen, während andere viele Überstunden leisten und trotzdem mit ihrer Arbeit nicht hinterherkommen. Ohne Stechuhr könnten die effektiveren Kollegen theoretisch weniger Stunden machen, solange ihr Arbeitsergebnis stimmt.

» Weasel_ » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Bei uns gibt es dieses Prinzip gar nicht und ich wäre mir so einer 20-Minuten-Taktung auch nicht wirklich einverstanden. Da bin ich froh, dass das bei uns anders ist und man das bei uns individuell erfassen kann. Aber wenn man tatsächlich erst 19 Minuten später bezahlt wird, weil da erst die Erfassung greift, würde ich auch erst dann anfangen zu arbeiten. Unbezahlte Arbeitszeit ist etwas, das ich nicht toleriere.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich finde, es kommt stark auf den Job an. Die Rüstzeit am PC nicht zu bezahlen, das geht sowieso schon nicht. Dann auch noch einen riesigen Takt vorzugeben, das ist eine Frechheit. Ich habe noch nie mit Zeiterfassung gearbeitet, aber ich war immer zufrieden.

Als ich noch recht wenig verdient habe, war der Arbeitgeber sehr entgegenkommend. Überstunden konnte man sehr gut und eigenverantwortlich abfeiern. Zudem bin ich bei guter Schichtverteilung auf voll bezahlte 28 Stunden gekommen, obwohl 40 vertraglich vereinbart worden waren. Wenn dann in einer Woche mit vollen 40 Stunden 6 Überstunden anfallen, ist das immer noch ein guter Schnitt.

Als ich später gut verdient habe, waren Überstunden oder Verpflichtungen außerhalb der Arbeitszeit nie etwas, das erfasst oder extra vergütet worden wäre. Aber das war bei der Bezahlung und den Benefits natürlich vorher klar. Bei meinem Mann war das auch nie anders und es ist auch für ihn vollkommen akzeptabel. Das ist halt der Preis für solche Jobs.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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