In den Beruf der Eltern des Partners nicht hineinversetzen

vom 11.07.2015, 16:00 Uhr

Die Eltern meines Freundes haben eigentlich sehr einfache Berufe – Verkäuferin und Metzger. Sie steht in einem Supermarkt an der Fleischereitheke und er arbeitet in einem großen Prouktionsunternehmen, die Wurstwaren herstellen. Dass beide in Berufen mit Lebensmitteln arbeiten hat den Vorteil, dass sie öfters was kostengünstig bekommen und das führt auch zu so manch leckerer Speise für mich.

Ich habe aber vorher nie so wirklich viel mit Menschen in solchen „normalen“ Berufen zu tun gehabt, ich hatte immer nur mit Akademikern zu tun. Ich würde den Unterschied eher an der Mentalität und weniger am Gehalt festmachen. So mancher Akademiker verdient bestimmt weniger als eine Verkäuferin. Viele, mit denen ich etwa an der Uni zusammenarbeite, haben nur diese kleine Teilzeitstelle an der Uni und sonst nichts, die verdienen da nicht viel.

Aber der Unterschied ist die Mentalität. Bei unserem Job an der Uni geht es ja eher darum, zu schwafeln und zu diskutieren, irgendwas zu organisieren und so das Praktische, dass man wirklich etwas macht, was Hand und Fuß hat und dass man wirklich den ganzen Tag etwas macht und nicht nur manchmal darauf wartet, dass es Feierabend wirkt und heimlich privat sonstwas im Internet macht.

Ich kann mich mit Menschen, die solche normalen Jobs haben und wirklich identifizieren. Also sie sind beide sehr nett und wir verstehen uns auch gut, aber es ist schon irgendwie eine andere Welt.

Könnt Ihr Euch in Menschen hineinversetzen, die solche klassischen Berufe haben? Könnt Ihr deren Herangehensweise an Aufgaben oder die Motivation, so einen klassischen Beruf auszuüben, verstehen?

» Zitronengras » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Bei mir ist es eher genau anders herum. Ich bin in der Arbeiterklasse groß geworden, soll heißen bei uns in der Familie sind Akademiker eher selten. Die meisten haben einen praktischen Beruf, bei dem man zupacken muss. So gibt es viele Handwerker bei uns, aber auch Verkäufer oder Postboten oder so etwas. Halt allesamt praktische Arbeiten.

Mir fällt es eher schwer, mich in die "Beamtenmentalität" hinein zu versetzen. Denn ich bin es gewöhnt, dass man bei Arbeiten eben auch den Fortschritt sieht. Wenn ich jetzt beispielsweise Tischler wäre, würde ich ja Stück für Stück sehen, wie die Arbeit vorangeht, dann nimmt ein Tisch oder Stuhl seine Konturen an. Als Fleischereiverkäufer sehe ich ja dann auch, wenn von Produkt X immer mehr verkauft wird, dass man etwas geschafft hat. Aber was sieht man als Akademiker?

Ich habe als SHK gearbeitet und da hatte ich sehr sehr viel mit Akademikern zu tun und mir fiel es wahnsinnig schwer, da umzudenken. Denn auch wenn man viel geschafft hat, ist es schwer darüber einen Überblick zu bekommen und die Arbeit bekommt kaum Konturen. Man weiß nie, wie viel man schon geschafft hat.

So musste ich immer zig Excel-Tabellen bearbeiten, die unterschiedlich lang und breit waren. Da wusste ich nie so wirklich, wie viel ich am Tag geschafft habe. Bei normalen Akten auf dem Tisch wäre es vielleicht etwas anderes gewesen, wenn man sieht, wie der Stapel kleiner und kleiner wird.

Benutzeravatar

» Olly173 » Beiträge: 14700 » Talkpoints: -2,56 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Ist es nicht normal, dass man sich nur schwer in Sachen hineinversetzen kann, die man gar nicht selbst erlebt hat und zu denen man so gar keinen Bezug hat? Man kann schließlich nicht alles wissen meiner Ansicht nach. Ich sehe das auf Arbeit auch immer wieder. Bei uns gibt es (abgesehen vom Sekretariat) eigentlich nur Akademiker. Da wir Projekte umsetzen und Lösungskonzepte entwickeln sollen, ist das je nach Thema schon schwierig.

So mussten wir uns schon so manches Mal in einem Projekt mit den Problemen von bestimmten Ausbildungsberufen auseinandersetzen und das geht schlecht, wenn man diese Ausbildung selbst nie gemacht hat und diese Menschen nie im Alltag beobachtet hat. Wie soll man auch den Berufsalltag dieser Menschen beurteilen können, wenn man diese nie wirklich beobachtet hat und da keinen Bezug zu hat? Da hat man kaum eine Vorstellung darüber, wo die Probleme und Stricke lauern können.

Da hat unsere neue Chefin dann eben beschlossen, die Mitarbeiter alle zu Hospitationen zu schicken, sodass wir die Menschen, ihre Betriebe und den Alltag eben beobachten können, damit man eben mehr einen Bezug zur Thematik bekommt. Aber ohne diese Strategie wäre das doch gar nicht möglich, mal ehrlich.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Täubchen, das meinst du jetzt aber nicht ernst, oder? Wenn es nur darum geht, sich mit Menschen, die etwas komplett anderes tun, zu unterhalten, dann sollten Allgemeinbildung, Lebenserfahrung und Beobachtungen aus dem Alltag doch reichen, um ein vernünftiges Gespräch zu führen und vernünftige Fragen zu stellen.

Zumal das in die "Abwärtsrichtung" doch wirklich einfach ist. Ein Aktuar kann beispielsweise garantiert ein interessantes Gespräch mit einem Maurer oder Maler über dessen Beruf führen. Umgekehrt wird es dagegen schnell ziemlich schwierig, wenn es nicht nur an der Oberfläche kratzen soll.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ich habe auch mehrere Freundeskreise, die sich in ihren Ansichten, Einstellungen und Ausdrucksweisen deutlich unterscheiden. Was bei den einen Leuten als zu schroff gewertet wird, wäre bei den anderen schon fast zu zaghaft. Dies merkt man auch politisch. Die einen Freunde sind eher liberal und sehr weltoffen. Die anderen Freunde sind eher konservativ und etwas skeptisch. Mit der Zeit lernt man, damit umzugehen.

» ANDi27 » Beiträge: 293 » Talkpoints: 0,10 » Auszeichnung für 100 Beiträge


Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^