Hat euch ein Fremder schon einmal seine Geschichte erzählt?

vom 08.03.2015, 17:19 Uhr

In diesem Thread habe ich berichtet, dass eine Prostituierte mir in der Bahn ein Teil von ihrer Lebensgeschichte erzählt hat. Ich war wirklich sehr überrascht gewesen, aber ich habe ihr zugehört und auch wirklich mit ihr gefühlt. Ich kam mit der Frau ins Gespräch, da der Fahrkartenautomat mir Probleme bereitete und ich mir kein Ticket ziehen konnte. Sie hat eine Fahrkarte gehabt mit der sie eine Person am Wochenende kostenlos mitnehmen kann. Ihre Geschichte hat mich wirklich sehr berührt und manchmal denke ich noch an das Gespräch, da ich es nicht so einfach vergessen kann.

Auch ein Bekannter hat mir vor kurzer Zeit einfach so viel über seine Vergangenheit anvertraut. Ich habe nicht wirklich viel zu tun, allerdings war er in der Vergangenheit gut mit meinem besten Freund befreundet gewesen und vermisst auch diese Zeit mit ihm. Wahrscheinlich erhofft er sich mehr Kontakt zu meinem besten Kumpel, wenn er auch mehr Kontakt zu mir hat. Ich habe da auch mit meinem besten Freund darüber gesprochen und dieses Wochenende haben sich beide getroffen und sind zusammen etwas trinken gegangen, also ich lag wohl nicht ganz falsch mit meiner Vermutung. Aber das ist ja auch nicht wirklich ein total fremder Mensch, sondern eben einfach ein Bekannter.

Hat euch eine komplett fremde Person schon einmal einen Einblick in ihr Leben gegeben? Wie habt ihr darauf reagiert? Seid ihr vielleicht eher introvertiert und möchtet euch nicht die Geschichte von anderen Menschen anhören oder habt ihr da ein offenes Ohr? Einmal war ich im Zug gewesen und eine ältere Dame wollte ein Gespräch aufbauen, allerdings wurde sie von einem Mann sofort zurückgewiesen und auch angemotzt, da er eben gar nicht mit ihr reden wollte. Warum suchen diese Personen das Gespräch zu völlig fremden Menschen? Suchen sie neue Kontakte und Freundschaften? Oder wollen sie sich bei anderen „ausheulen" und diese Anonymität nutzen? Fühlt ihr euch besonders vertrauenswürdig, wenn ein Fremder mit euch offen redet und alles aus ihm heraussprudelt?

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» soulofsorrow » Beiträge: 9228 » Talkpoints: 24,02 » Auszeichnung für 9000 Beiträge



Leider ist mir das schon sehr oft passiert, was ich wirklich erschreckend finde. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es vorkommt, dass man sich gerade etwas Luft machen muss, aber bei fremden Personen sollte man immer aufpassen. Man weiß eben nie, wem man wirklich vor sich hat. Je nach Intensivität des Gesprächs kann es immerhin auch wirklich nach hinten losgehen, was man erzählt.

Rein beruflich war ich natürlich viel mit den Problemen anderer Menschen beauftragt, was für mich jedoch eine andere Sache ist. Ich erwecke im Vorfeld schon alleine durch meinen Job ein ganz anderes Vertrauensverhältnis und bin eben genau für Problematiken auf den Straßen, im Milieu oder Elternhaus verantwortlich und kläre diese auf meine Weise, die mir durch den Staat als Mittel zur Verfügung gestellt wurden.

Erst gestern war ich mit einem "Kunden" der Streetworker-Szene zusammen, um mit ihm seinen Einkauf zu tätigen. Er hat es lieber, dass jemand dabei ist, damit er sein Geld haushalten kann. Da sprach uns ein Mann in den Mitte 30-40er Jahren an und meinte "Gott sei Dank, sind hier auch noch Deutsche in dem Laden und verwies gleichwohl auf zwei dunkelhäutige Männer". Diese sind mir bereits negativ aufgefallen, weil sie mich ständig anstarrten, anzwinkerten etc.

Er meinte direkt, dass wir ihm sympathisch seien, weil wir deutsche sind und mein Schützling eine Lonsdale-Jacke trug. Dabei ist er ein sogenannte Oi-Punk und das hat nichts mit Rechtsradikalismus zu tun. Er mag die Marke, findet Lonsdale macht schöne Bekleidungsstücke und mehr. Dem stimme ich im Übrigen auch zu, denn ich trage Schuhe aus dieser Reihe und beim Selbstverteidigungstraining habe ich auch diese Marke. Dies hat somit keinen Bezug auf einen braunen Gedanken.

Mein kleiner Schützling war erschrocken und direkt auf Angriff, was natürlich klar war, wenn man einem Punk als rechtsradikal betitelt. Das hätte richtig ins Auge gehen können, wenn ich diese Situation nicht schnell bereinigt hätte. Doch solche Sätze interessieren mich z.B auch nicht. Solche Gespräche will man mit keinem fremden Mann führen, findet Ihr nicht auch?

Im Alltag kommt es ansonsten häufig vor, dass insbesondere ältere Damen und Herren einen ansprechen und über ihre Probleme sprechen. Wobei auch schöne Themen aufkommen, wie morgen kommen meine Enkel. Trotzdem will ich das eigentlich nicht hören und sage ihnen auch sehr häufig, dass sie so etwas niemanden erzählen dürfen. Denn Enkeltricks usw. sind allgegenwärtig und dies kann auch eine Möglichkeit sein, um an Informationen über die Personen zu kommen. Sie verstehen aber sofort was ich meine und sind sogar dankbar.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge


Es kommt schon vor, dass mich Fremde ansprechen und sich zum Beispiel über die Bahn beschweren oder die Staus oder die Jugend oder was auch immer. Aber die Lebensgeschichte oder generell private Details habe ich noch nie zu hören bekommen und das finde ich ehrlich gesagt auch gut so. Ich muss nicht jedes Detail aus dem Leben von Fremden wissen. Wenn eine Freundin mir was erzählen möchte, ist das was anderes.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Nein, das versuche ich nach Kräften zu verhindern, indem ich mich in der Öffentlichkeit bevorzugt "höflich, aber distanziert" gebe. Es mag sein, dass ich dadurch einiges an interessanten Geschichten verpasse, aber ich fühle mich einfach unwohl in der Gegenwart von Leuten, die so distanzlos und sozial tölpelhaft sind, dass sie eine wildfremde Person mit ihrer Biographie zumüllen.

Besonders gefressen habe ich es, wenn man mir beispielsweise zuerst des Langen und Breiten etwas vorjammert und dann mit der Sprache herausrückt, sprich, ich werde angebettelt. Und das hasse ich. Nur weil ich aus Höflichkeit Interesse an der Tumor-OP des uralten Dackels geheuchelt habe, heißt das nun wirklich nicht, dass ich mich an den Tierarztkosten beteiligen möchte. Dazu kommt noch, dass diese Zeitgenossen sich meistens dann an einen klammern, wenn man selber nicht abhauen kann, weil man im gleichen Zug oder Wartezimmer sitzt oder im Café auf die Rechnung wartet, und das finde ich gesteigert unfair mir gegenüber.

Einerseits kann ich also schon verstehen, dass manche Menschen entweder generell ein unstillbares Redebedürfnis haben oder ihr Herz blindlings bei Fremden ausschütten möchten, aber ich finde weder, dass dadurch jemandem geholfen ist noch fühle ich mich in der Situation wohl. Und wieso soll das Herz-Ausschütt-Bedürfnis irgendeines anderen den Vorrang vor meinem in Ruhe genossenen Kaffee oder meiner ungestörten Zugfahrt haben? Wenn ich selber Probleme habe, setze ich mich auch nicht zu irgendjemandem und fange an zu labern.

» Gerbera » Beiträge: 11313 » Talkpoints: 47,96 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Früher bin ich schon gerne mal in das Visier solcher Leute geraten, manchmal fand ich es interessant, manchmal auch deplatziert oder absolut nervig. Wenn man gerade bei der Kur sitzt und seine eigenen gesundheitlichen Malaisen vor sich herschleppt, ist es extrem nervig, wenn irgendeine Oma einen plötzlich dort sitzen sieht und sich gleich bemüssigt fühlt, einem die ganze Lebensgeschichte ans Bein zu labern. Früher konnte ich mich davon aber schlechter abgrenzen, heute hätten solche Leute keine Freude an mir, wenn sie es doch versuchen würden.

Manche Geschichten waren aber schon interessant. Ich kann mich an eine Situation erinnern, als ich in einem Club mit jemandem ins Gespräch gekommen bin und sich da eine seltsame Chemie entwickelte, wo er mir seine sehr ungewöhliche Lebensgeschichte anvertraute. Das war etwas, was man so selten zu hören bekommt, aber ich glaubte ihm und habe das auch später getan. Obwohl er mich gar nicht kannte, hat er mir das plötzlich erzählt, wie das für ihn damals alles so war, was dann passiert ist usw.

Er war hinterher selbst überrascht, dass er mir das überhaupt erzählt hat, obwohl es formal gesehen eigentlich etwas distanzlos und ungewöhnlich gewesen ist. Das war aber insgesamt eine seltene Situation, wo es irgendwie auch passend war und ich nicht das Gefühl hatte, jemand will einfach seinen Krempel bei mir abladen. Die meisten Leute, die so etwas tun, gehören nämlich eigentlich in Therapie oder sind dort meistens auch schon.

» Verbena » Beiträge: 4921 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


Mir ist das auch schon einmal passiert. Als ich noch in meiner alten Wohnung gewohnt habe, hat mich mal ein Barbesitzer ganz spontan nach seinem Feierabend noch auf ein Bier in seiner Bar eingeladen. Die Bar lag direkt neben meiner Wohnung und der Besitzer kannte mich vom Sehen, da ich da immer dran vorbeigegangen bin. Jedenfalls hatte er mich dann mal angesprochen, als ich abends kurz draußen war, um frische Luft zu schnappen.

Er hat mir dann auch direkt seine Lebensgeschichte erzählt, was er so in der Vergangenheit gemacht hat und wie er lebt. Es war nichts Schockierendes dabei, aber ich fand die Atmosphäre dann doch komisch und mir war das dann doch schnell zu intim, da ich da eben auch fast alleine mit ihm war. Ich bin dann auch schnell wieder gegangen und habe es später vermieden, noch allzu oft an der Bar vorbeizugehen.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


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