Misstrauen gegenüber anderen schon mal bereut?

Vor Kurzem musste ich zum Flughafen und war deswegen in einer Großstadt unterwegs. Ich bin öfters auf der Ecke und erlebe immer wieder Bettler. Gerade in Städten wie Berlin ist es besonders schlimm, wo sich Rentner (!) und Ausländer auf Großveranstaltungen regelrecht um Pfandflaschen kloppen. Alles schon erlebt.

Nun bin ich immer sehr skeptisch, wenn Fremde mich in besagter Großstadt auf der Straße ansprechen, denn fast immer wollen sie Geld. Entweder jammert jemand mit osteuropäischen Akzent, er habe seit zwei Tagen nichts gegessen oder ein Kopftuch erzählt von einer angeblich schwer kranken Tochter. Ein anderes Mal wollte mir ein junger Typ ernsthaft einreden, er sei auf einem Festival beklaut worden und nun fehle im Geld für das Bahnticket.

Am besagten Tag sprach mich an der S-Bahn eine Omi an und fing an, mir etwas zu erzählen. Ich war direkt im Abwehr-Modus und unterbrach sie mit den Worten "Nein, nein, nein." Geknickt ging sie weiter und im Nachhinein stellte sich heraus, dass sie einfach nur ein Handy leihen und telefonieren musste. Ich bekam ein sehr schlechtes Gewissen, dass ich sie so unfreundlich abgewimmelt hatte.

Habt ihr jemanden schon aufgrund von Vorurteilen unfreundlich behandelt und wie sich rausgestellt hat, zu Unrecht?

Das ist mir noch nie passiert. Gerade, wenn es um diese "Bettler" auf der Straße geht, achte ich schon sehr auf Details wie Geruch, Körpersprache, Sprache an sich und dergleichen. Dementsprechend höre ich Männern gar nicht erst zu, die nach Alkohol stinken und dann Geld haben wollen. Außerdem ist es ja so, dass eine Person meist mehrere andere Mitmenschen anbettelt, sodass man meist schon mitbekommt, was die Person wollen könnte. Von einer alten Dame werde ich auch angesprochen, aber deutlich seltener und da habe ich schon gemerkt, dass diese dann meist eine Auskunft in Form von Wegbeschreibung haben wollen und kein Geld.

Ich versuche jedem gegenüber erstmal nett zu sein. Wenn ich jemanden kein Geld oder sonst irgendetwas geben möchte, dann ist es so und dann habe ich auch kein schlechtes Gewissen, wenn sich dann herausstellt, dass die Person es sinnvoll einsetzen würde und braucht. Mit Misstrauen liege ich meistens richtig und wenn nicht, dann ist es eben so, ich entschuldige mich dann und sehe was ich für die Person als Ausgleich machen kann.

Ich versuche, grundsätzlich immer höflich zu sein, aber einen Vertrauensvorschuss gibt es bei mir aufgrund früherer Erfahrungen nicht. Ich wurde wie wahrscheinlich viele harmlos-ländlich wirkende Frauen in der Großstadt schon viel zu oft angebettelt, besoffen angelabert oder mit irgendwelchem wirren Zeug zugemüllt. Wenn ich zu jedem Fremden "nett" wäre, der mich unaufgefordert von der Seite anlabert, hätte ich ja gar keine Ruhe mehr, und man kann auch sehr gut höflich, aber kühl und wachsam sein.

Und den Geldbeutel oder das Handy zücke ich aus Prinzip nie, damit mir mein Besitz nicht aus der Hand gerissen werden kann. Ob die Person meinen Obolus "sinnvoll" einsetzen würde oder nicht, ist mir sowieso egal, ich bin ja nicht ihr Beichtvater.

Mit dieser Strategie muss ich auch hinterher kein schlechtes Gewissen haben, weil ich nach dem gefühlt zwanzigsten Bettler tatsächlich einen Touristen anraunze, der wirklich nur nach dem Weg fragen wollte. Natürlich könnte ich zu den Leuten mit den berechtigten Anliegen etwas "netter" sein, aber ich finde nicht, dass man gerade als Frau alleine pauschal ein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man nicht jeden anstrahlt wie ein Honigkuchenpferd und seinen ganzen Charme auspackt, sondern sich ein gesundes Misstrauen bewahrt. Männer machen sich ja auch keine Gedanken, ob sie auch nett, freundlich und liebenswert genug auftreten, sodass sich kein anderer schlecht fühlen muss, weil man vielleicht ungerechtfertigt kurz angebunden war.