Entschuldigung mit Kniefall angemessen oder übertrieben?

Ende März gab es in einem sibirischen Einkaufszentrum eine Brandkatastrophe mit mehr als 60 Toten. Viele Politiker haben sich bei den Angehörigen entschuldigt, wobei ein Politiker dabei sogar auf die Knie gegangen sein soll. So ein Verhalten wäre hierzulande von einem Politiker undenkbar.

Aber abgesehen davon hatte ich selbst noch nie das Bedürfnis, mich mit Hilfe eines Kniefalls zu entschuldigen und finde das auch total übertrieben ehrlich gesagt. Wie seht ihr das? Findet ihr es angemessen oder übertrieben, wenn man bei einer Entschuldigung auf die Knie geht? Wie handhabt ihr das? Hängt das eurer Ansicht nach auch von der Situation und den Umständen ab? Wann wäre ein Kniefall total angebracht und wann absolut übertrieben?

Ein Kniefall hat einen sehr hohen symbolischen Wert und drückt besonders stark die persönliche Betroffenheit und Bereitschaft zu Reue und Verantwortung aus. Du hast Recht, dass man sich fragt, ob aktuelle Politiker hier so etwas tun würden.

Zumindest in der Vergangenheit gab es einen Politiker der dies getan hat beim sogenannten "Kniefall von Warschau". Denn weil nach dem Zweiten Weltkrieg das deutsch-polnische Verhältnis teilweise schwierig und problematisch war und Polen außerdem Teil des Ostblocks war, Deutschland aber zum Westen gehörte, wollte er etwas tun.

So ist er 1970 in seiner Funktion als deutscher Bund nach Warschau gereist um am Ehrenmal für die Toten des Warschauer Ghettos auf die Knie zu fallen. Dieser Besuch ging in die Geschichte ein, verbesserte ein wenig das Verhältnis beider Staaten und brachte Willy Brandt weltweit viel Sympathie ein.

Ja, an den "Kniefall von Warschau" musste ich auch denken. Ich finde es auch absurd, von dieser Art symbolischer Geste, die Politiker ja nicht (nur) als Privatmenschen machen, sondern auch als Vertreter all dessen, wofür sie stehen, auf das Gebaren von Leuten "wie du und ich" zu schließen.

Wir werden in unserem Leben wohl kaum für Werte und Entscheidungen den Kopf hinhalten müssen, die weit über unsere bescheidenen Eigenheiten und Fähigkeiten hinausgehen. Über den Russen weiß ich jetzt nichts, aber Willy Brandt hat sich ja auch nicht als unehelicher Lehrerssohn aus Lübeck dort hingekniet, sondern als Vertreter der Deutschen als Ganzes, wenn nicht gar der westlichen Welt.

Deswegen glaube ich nicht, dass ich in meinem Leben jemals eine Demutsgeste in nationalem oder internationalem Rahmen vollführen muss, weil mein noch zu gründendes Königreich einen Krieg verloren hat oder eine Fehlentscheidung meines Ministeriums 500 Leute das Leben gekostet hat. Und weil ich jemandem als Sachbearbeiterin Gerbera K. einen Kratzer ins Auto gemacht habe oder sonst irgendwie etwas verbockt, werde ich mich kaum auf die Knie schmeißen. Das Verhältnis ist hier doch ein völlig anderes.