Bei Landleben der Zusammenhalt größer und besser?

vom 29.03.2018, 08:05 Uhr

Ich erlebe immer wieder, wie manche Dorfgemeinschaften zusammenhalten und sich viele Gegenseitig helfen. Man kennt sich und hilft sich dann auch schon mal mit etwas aus. Das können dann auch durchaus mal größere Projekte sein, bei denen man die Unterstützungen von anderen Dorfbewohnern bekommt.

In der Stadt habe ich so etwas eher noch nicht erlebt. Da geht man doch eher höchstens zum Nachbarn, um nach ein bisschen Zucker oder ähnlichem zu fragen. Auf dem Land wird auch schon mal spontan mit angefasst, wenn Not am Mann ist. Ich denke, dass das Gemeinschaftsgefühl auf dem Land teils einfach ausgeprägter ist.

Meint ihr, dass der Zusammenhalt auf dem Land bei den Menschen größer und besser ist? Woran liegt das eurer Meinung nach? Ist es einfach, weil sich die Menschen dort eher als Gemeinschaft sehen? Ist man dort hilfsbereiter? Oder meint ihr, dass es in der Stadt nicht anders ist?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Nelchen hat geschrieben:In der Stadt habe ich so etwas eher noch nicht erlebt.

Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich amüsant, dass du so über das Stadtleben Bescheid wissen willst, die du doch nie in der Stadt wirklich gelebt hast. In zig Beiträgen hast du betont, dass du auf dem Land aufgewachsen bist und jetzt auch auf dem Land lebst. Woher willst du also aus eigener Erfahrung wissen, wie das Stadtleben so ist? Ich finde derartige Äußerungen von dir über ein Thema, von dem du keine Ahnung hast ziemlich anmaßend und deplatziert.

Ich bin auf dem Land groß geworden und lebe seit fast 10 Jahren in verschiedenen Großstädten. Ich habe also den direkten Vergleich und weiß sehr wohl wovon ich rede. Dass es keine Hilfsbereitschaft in der Stadt gibt ist nahezu lächerlich und meine Eltern bekommen auch keine Hilfe von den Nachbarn, also so gerne packen Dorfmenschen auch nicht zu wie du es darstellst. Auf dem Land ist nur die soziale Kontrolle größer, nicht mehr und nicht weniger. Das sollte man aber nicht mit Gemeinschaftsgefühl verwechseln.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich kann dazu nur berichten, was ich als geborenes Landkind mit Migrationshintergrund am eigenen Leib erfahren habe, und ich glaube nicht, dass ich damit alleine dastehe.

Wenn die Familie auf dem Dorfe seit 500 Jahren sozial etabliert ist, den allgemein akzeptierten Glauben und Lebenswandel pflegt, ohne aufzufallen und auch einen gewissen Wohlstand (traditionell in Tagwerk Land und/oder Stück Vieh gemessen) sein Eigen nennt, und man selber auch nicht chronisch krank, offen homosexuell oder irgendwie behindert ist, ist der Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft top! Da gibt es nichts zu bemängeln: Man trifft sich am Stammtisch zum Frühschoppen, stellt gemeinsam den Maibaum auf, trainiert die Fußballjugend und singt im Kirchenchor. Und wenn man mal ins Krankenhaus muss, kommen der Pfarrer und der Bürgermeister zu Besuch, auch wenn es noch nicht ans Leben geht.

Aber wenn man auch nur in einem der genannten Punkte abweicht, sprich in meinem Fall von bettelarmen Flüchtlingen abstammt, die sich mit Mühe und Not ein mickriges Häuschen am Ortsrand bauen konnten, ist es Essig mit dem super tollen Zusammenhalt, und man wird bestenfalls als Randerscheinung geduldet. Das ist auch der Grund, wieso ich in eine Stadt gezogen bin. Mir ist die Anonymität lieber als die Erfahrung, gerade so mit durchgeschleppt zu werden, weil meine Großeltern mit nichts als der Kleidung am Leib hier vor 70 Jahren abgesetzt wurden.

Ich rate von der Romantisierung des Landlebens als Hort von Zusammenhalt und sozialen Werten somit ab "Fremde" im weitesten Sinne bekommen davon meistens nicht viel mit.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Meiner Meinung nach ist das Dorfleben vergleichbar mit dem Mikrokosmos eines Schulhofs. Ein in sich geschlossenes System, was Jahre oder Jahrzehnte vor sich hin dümpelt mit wenig Input von außen und daher besonders starren Regeln folgt inklusiver maximaler sozialer Kontrolle. Natürlich wird die innere Gruppe, die Elite, sich erzählen, dass es einen großen Zusammenhalt gibt- dabei wird aber gerne übersehen, dass es außerhalb des innersten Kreises noch ganz viele andere gibt, die außen vor stehen plus einige Einzelgänger, die eigentlich nur ganz schräg angesehen werden.

Neue Leute werden interessiert begutachtet und nur unter der Prämisse eingegliedert, dass sie etwas Besonderes zu bieten haben. Die einzige Möglichkeit in den inneren Kreis zu kommen, wenn man es bis dato noch nicht geschafft hat, ist die Verpartnerung mit einem beliebten Mitglied. Ob das alles so erstrebenswert ist? Spätestens wenn man sich dann von so einem Mitglied trennt, ist man auch in der Dorfgemeinschaft gerne wieder außen vor. Ich habe zwar selbst nie auf einem richtig kleinen Dorf gelebt, aber kenne das alles in der ein oder anderen Form von der Familie mütterlicherseits.

Meine Familiengeschichte geht etwas anders, meine Urgroßeltern waren nämlich Bestandteil des innersten Kerns, der Familienname geht in den Kirchenbüchern bis in das Jahr 1506 zurück, meine Vorfahren waren quasi die Gründerväter der Ortschaft. Mehr integriert geht gar nicht. Nur hat meine Großmutter dann den Fehler gemacht, eine Liaison mit einem Engländer anzufangen und wurde sogar unverheiratet schwanger. Mehr Skandal ging dann eben auch gar nicht und meines Erachtens nach sind sowohl meine Großmutter als auch ihr Kind durch das durchgehend feindselige und verachtende Verhalten der Dorfgemeinschaft traumatisiert worden.

Es soll mir also niemand etwas über den Zusammenhalt auf dem Dorf erzählen, denn der gilt nur solange, bis man in irgendeiner Form aus der Rolle fällt. Versuch doch mal dich scheiden zu lassen und dann Unterstützung zu bekommen, heirate einen Flüchtling oder leb offen HIV-Positiv. Da wird doch niemand ernsthaft noch an Zusammenhalt glauben.

» Verbena » Beiträge: 4979 » Talkpoints: 3,27 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



@Nelchen, was verstehst du unter "Dorf". Wie viel Einwohner hat das "Dorf" in dem du wohnst? Ist der Zusammenhalt im ganzen Dorf oder besonders unter den Nachbarn, die Haus an Haus wohnen oder unter den Leuten, die man durch Hobbys trifft? Du schreibst ja hier sehr viel von den Hobbys deines Mannes, wo du ihn auch oft begleitest. Wenn es hart auf hart kommt, würden diese Leute zu dir oder zu deinem Mann halten? Denn im Prinzip sind es ja die Bekannten deines Mannes, die dich durch ihn kennen.

Wir wohnen in einer kleinen Stadt mit 16 000 Einwohnern und die "Ureinwohner" nennen ihr kleines Städtchen auch "Dorf". Wir haben hier in dem kleinen Städtchen viele Einkaufsmöglichkeiten. Mehrere Supermärkte und wenn die alt eingesessenen Menschen einkaufen gehen, dann sagen sie, dass sie ins Dorf gehen. Ich muss sagen, dass ich es gar nicht will, dass man ständig aufeinander hockt und da finde ich es schon ganz gut, dass einem nicht die Leute die Bude einrennen und nicht ständig einer da ist, der einen fragt, wie es geht. Ich habe auch schon mal in einem richtigen Dorf mit 650 Einwohnern gewohnt und das fand ich schrecklich und bin schnell dort wieder weg gezogen.

Ich habe auch schon in Städten gewohnt, die mehr Einwohner hatten und dort war der Zusammenhalt in der Nachbarschaft weitaus besser als in dem kleinen Dorf. Sicher kannte da man nicht alle. Aber das will ich auch nicht und ich will mir schon meine Leute aussuchen, mit denen ich zu tun habe. Da weiß man auch in Notzeiten, wer zu einem hält.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


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