Sich bewusst von seinen Gefühlen leiten lassen?

Ich nehme mir oft vor, mehr auf meine Gefühle zu hören, da ich eigentlich ein richtiger Kopfmensch bin und mir generell auch viel zu viele Gedanken über alles mögliche mache. Ich handle dadurch natürlich auch vernünftig, wenn ich meinen Kopf entscheiden lasse und nicht mein Herz, aber irgendwie merke ich auch, dass mich das auch nicht immer so glücklich macht, wenn ich die vernünftigste Entscheidung getroffen habe, mit einer anderen aber doch glücklicher wäre.

Lasst ihr euch gerne bewusst von euren Gefühlen leiten oder macht ihr das auch immer? Welche Vorteile hat das denn? Kann man das irgendwie "erlernen", sich mehr von seinen Gefühlen leiten zu lassen oder kann man da nichts tun, wenn man einfach nicht so eine Art Mensch ist?

Meiner Ansicht nach kann man es schon lernen, seine Impulse zu kontrollieren. Man muss eben nur die für sich passende Strategie entwickeln. Eine Freundin von mir zum Beispiel kauft nichts auf Raten oder auf Kredit und kauft dann erst, wenn sie alles zusammengespart hat. Außerdem malt sie gerne und sie sagt selbst, dass sie erst eine neue Leinwand kauft, wenn sie mit ihrem jetzigen Bild fertig ist. Das fällt ihr teilweise schwer, weil sie schon viele Ideen hat, was sie als nächstes Malen möchte. Aber sie sagt selbst, dass es ihr ansonsten sehr schwer fallen würde, das jetzige Bild zu beenden, wenn sie da nicht konsequent ist.

Ich habe mir die Taktik angewöhnt, dass ich bei emotionalen Tendenzen eine Nacht oder zwei drüber schlafe. Wenn ich etwas dann immer noch will, dann wird das auch umgesetzt und wenn nicht, war es nicht so wichtig. So habe ich Impulshandlungen sehr gut im Griff, die ja meist auf Emotionen basieren. Entscheidungen, die ich selbst nach Tagen noch genauso treffen würde aus emotionaler Sicht, die werden dann auch so umgesetzt. Dann lass ich das natürlich auch zu, weil ich weiß, dass ich es bereuen würde, wenn ich es nicht tun würde. Es gibt aber auch emotionale Handlungen, die aus einem Impuls heraus entstehen würden und die man unter normalen Umständen so nicht hätte und sich dann auch anders entscheiden würde.

Wenn es "um nichts geht", kann ich mich mittlerweile sehr schön von meinen Gefühlen leiten lassen, also nicht gerade bei der Steuererklärung, aber dafür beispielsweise bei der Wahl des Urlaubsortes, der Freizeitgestaltung oder meinen Hobbys und Freunden. Das hat sich bei mir einfach im Lauf der Jahre ergeben, als mir mit wachsender Lebenserfahrung klar wurde, dass ich tatsächlich manchmal tun kann, was ich will und der Einfluss meiner (immer sehr vernünftigen, sparsamen und angepassten) Kindheit allmählich nachlässt.

Mein Problem war immer, dass ich nicht nur ein ziemlicher Kopfmensch bin, der auch ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Ordnung hat, sondern dass mir meine Gefühle und die daraus resultierenden Entscheidungen oftmals peinlich waren, weil sie so gar nicht erwachsen, gesellschaftlich akzeptiert und oft genug schlicht albern waren.

Mittlerweile habe ich einen Mittelweg gefunden: Für meine rationale, hirngesteuerte, risikoscheue Seite führe ich ein bürgerliches Dasein, zahle Steuern und meine biedere, bezahlbare 70er-Jahre-Wohnung ab, aber was innerhalb der Wohnung passiert und was ich mit dem Geld mache, das nach Abzug aller "erwachsenen" Rechnungen und Kredite bleibt, entscheide ich meistens komplett aus dem Bauch heraus und lasse mich auch von der mahnenden inneren Stimme der Vernunft nicht abbringen.