Beispiele und Erlebnisse für eine "Zwei-Klassen-Medizin"
Während manche Menschen in Deutschland von einer "Zwei-Klassen-Medizin" sprechen, stellen andere wiederum diese vehement in Abrede. Natürlich musste ich auch schon mal eine etwas längere Zeit auf einen Arzttermin warten, aber da jetzt gleich von einer Zwei-Klassen-Medizin zu sprechen, das halte ich vielleicht etwas weit hergeholt. Habt ihr auch den Eindruck, dass bei uns eine Zwei-Klassen-Medizin vorherrscht und welche Beispiele oder auch Erlebnisse könntet ihr denn da anführen?
Ich könnte nicht mal behaupten, dass ich länger auf einen Termin warten musste. Natürlich gibt es bestimmte Fachärzte, bei denen man teilweise monatelang auf einen Termin warten muss, aber ich habe keine Vergleichswerte. Also ich weiß nicht, wie lange ich warten müsste wenn ich privat bezahlen würde.
Und wenn man wirklich akute Probleme hat findet man trotz Wartezeiten einen Weg direkt behandelt zu werden. Bei uns haben die Augenärzte alle lange Wartezeiten, trotzdem wurde ich mit meinem Kratzer in der Hornhaut in der Ambulanz der Augenklinik direkt behandelt und für meine Bindehautentzündung letzten Monat hat mir mein Hausarzt noch am selben Tag einen Termin besorgt.
Ich habe mal einen Bericht gesehen über Kliniken, die für reiche ausländische Patienten alle möglichen Leistungen anbieten. Da sehen die Zimmer dann nicht nach Krankenhaus sondern nach Hotel aus, das Essen hat Gourmetstandard und die Wellness Behandlung kann man natürlich auch dazu buchen.
Das ist definitiv eine andere Klasse, aber ich bin nicht der Meinung, dass meine Krankenkasse und damit die Allgemeinheit für einen Luxusurlaub bezahlen sollte wenn ich im Krankenhaus behandelt werden muss. Und ich persönlich würde auch nicht dafür bezahlen wollen. Ich würde lieber einen Urlaub nach dem Krankenhausaufenthalt buchen, ich denke das ist erholsamer.
Im Vergleich habe nicht das Gefühl, dass Kassenpatienten hierzulande schlechter behandelt werden. Weihnachten hatte ein guter Freund in Großbritannien ein Zahnproblem und brauchte eine Wurzelbehandlung. Beim NHS Zahnarzt hätte das unter 60 Pfund gekostet. Die spätere Krone hätte eine Zuzahlung von weniger als 300 Pfund bedeutet.
Dummerweise nahm mal wieder kein NHS Zahnarzt Patienten auf und der arme Kerl hatte Schmerzen. Er hätte in sechs Monaten noch einmal anfragen können. Also ging er den Weg vieler Briten. Er ging zum privaten Zahnarzt. Da kostete die Wurzelbehandlung mal eben 750 Pfund. Hätte er die Kohle nicht gehabt, hätte er es aushalten müssen oder den Zahn für 90 Pfund ziehen lassen können. Das haben wir hier nicht ansatzweise.
Sonderlich viele Beispiele für eine "Zwei-Klassen-Medizin" habe ich nicht auf Lager, aber ein einschneidendes Erlebnis kann ich zumindest schildern. Ich war beim Augenarzt, ich war neu hier in der Ecke und musste zur Kontrolle bei einem Augenarzt vorbei. Also habe ich mich umgehört und ein Augenarzt sollte besonders kompetent gewesen sein. Was man mir aber nicht gesagt hatte, war, dass die Personen, die ich gefragt habe, Privatpatienten waren und somit eine andere Behandlung dort bekamen.
Ich bin also dorthin gegangen und war richtig entsetzt. Ich habe mein Krankenkassenkärtchen abgegeben und wurde dann in einen Wartebereich geführt, in dem bereits mindestens 30 Leute saßen. Wie am Fließband wurden Augentropfen verabreicht, sogar noch vor den Augen der anderen Patienten im Wartebereich. Einen festen Arzt hatte man nicht, bei jedem Termin hatte man einen anderen Arzt.
Ich bin vielleicht verwöhnt, was Ärzte angehen mag, aber das fand ich so schlimm, dass ich nach dem dritten Termin nicht mehr dorthin gegangen bin. Ich fand es echt unwürdig und dass man dann noch fast acht Stunden dort verweilen musste, bis man an der Reihe war, das hat mich schon schwer entsetzt. Das war für mich das Beispiel schlechthin für eine "Zwei-Klassen-Medizin".
Ansonsten kann ich mich nicht wirklich beschweren, ich komme recht zügig an Termine, ich werde gut behandelt und ich hatte bei den meisten anderen Ärzten niemals das Gefühl als wäre ich ein Mensch zweiter Klasse. Es ist für mich okay, wenn ich privat 300 Euro für einen Zahnaufbau bezahlen muss. Es ist für mich auch okay, wenn ich eine Zuzahlung leisten muss, aber ich finde es nicht okay, wenn 30 bis 40 Menschen gleichzeitig in einem Wartebereich eingepfercht werden und wie Produkte am Fließband behandelt werden. Ansonsten muss ich aber gestehen, dass das deutsche Gesundheitssystem für mich persönlich absolut in Ordnung ist, weil niemand fallengelassen wird.
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