Werden Bewerbungsgespräche zu stark bewertet?
Wer einen neuen Job sucht wird sicherlich das unangenehme Gefühl vor einem Bewerbungsgespräch kennen, man überlegt sich, was man sagen soll und was man anziehen soll. Beim Bewerbungsgespräch wird man dann auch oft mit komischen Fragen durchlöchert, zum Beispiel was man über die Firma schon weiß und wie man sich die Arbeit vorstellt.
Wer da schüchtern ist, wird oftmals unterschätzt und wird sogar trotz besserer Laufbahn oder Zeugnissen nicht genommen. Gestern starb wieder ein einundfünfzigjähriger Banker bei einem Bewerbungsgespräch an einem Herzinfarkt, leider kein Einzelfall. Werden eurer Meinung nach die Bewerbungsgespräche auch überbewertet und die eigentlichen Leistungen zu wenig beachtet?
Ich kann verstehen, dass man sehr aufgeregt ist wegen so einem Vorstellungsgespräch, schließlich hängt ja auch sehr viel davon ab. Da ist es normal, dass man total nervös ist und sich selbst unter Druck setzt, alles perfekt zu machen.
Trotzdem finde ich, dass es auf den Gesamteindruck ankommt und nicht nur auf das Gespräch. Aber das liegt ja nicht nur an den Bewerbern diese Einstellung, sondern auch an den Arbeitgebern. Also wenn du jetzt als Bewerber auf die Idee kommen würdest, solche Gespräche viel viel lockerer zu sehen und dich nicht unnötig zu stressen, könnte der Arbeitgeber das auch negativ auslegen, vielleicht sogar als "Gleichgültigkeit" oder so und dann kriegst du den Job eh nicht.
Man muss auch einmal die andere Seite sehen. Arbeitgeber haben ja keine andere Wahl, als Leute zu Bewerbungsgesprächen einzuladen. Man kann ja nicht blind einfach Leute einstellen und hoffen, dass sie sich dann als geeignet heraus stellen. Erstens einmal würde man damit die schriftliche Bewerbung völlig überbewerten und außerdem wäre der Aufwand für die Auswahl enorm.
In manchen Berufen könnte man vielleicht Probearbeiten nutzen, und das wird ja auch gemacht. Das funktioniert dann gut, wenn der Bewerber innerhalb weniger Tage effektiv eingesetzt werden kann. Das geht aber eigentlich nur bei niedrig qualifizierten Jobs. In anderen Berufen geht das einfach nicht. Da sind vier Wochen Probearbeiten auch nicht aussagekräftiger als das Bewerbungsgespräch, weil man erst nach vielen Monaten feststellt, ob der Bewerber etwas taugt. Und hier ist die Erfahrung der Personalentscheider gefragt, die beim Bewerbungsgespräch die Eignung abschätzen.
Man darf auch die Augen nicht davor verschließen, dass die Fähigkeiten, die man für ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch braucht, auch im Beruf gefordert werden. Ein selbstsicheres Auftreten ist wichtig, egal ob man vor einem Personaler, einem Lieferanten oder einem Kunden steht. Der Umgang mit einer Art "Prüfungssituation" ist dann gefordert, wenn man seine Arbeitsergebnisse vor einer Gruppe präsentieren muss.
Ich denke jeder hat mal schlechte Erfahrungen mit einem Bewerbungsgespräch gemacht. Aber deswegen muss man sich noch lange nicht verrückt machen. Dass man mehr oder weniger aufgeregt ist, ist doch völlig normal. Das wissen die Gesprächspartner doch auch, die haben schließlich schon massenweise aufgeregte Bewerber gesehen. Das ist noch lange kein Grund, nicht genommen zu werden.
Also bisher habe ich noch nichts davon gehört, dass Bewerber wegen Stress während eines Bewerbungsgesprächs an denen Folgen eines Herzinfarktes gestorben wäre. Selbst, wenn dem so wäre, müsste wohl auch erst einmal geklärt werden, was denn wirklich der Auslöser für den Infarkt war.
Davon einmal abgesehen, frage ich mich gerade, welche Möglichkeiten ein Unternehmen hat, die Arbeitnehmer zu finden, die wirklich zu ihm passen? Natürlich kann man anhand der Bewerbungsunterlagen schon mal ungeeignete Bewerber aussieben, doch was dann? Alle die geeignet sind, zum Probearbeiten einladen? Das ist wohl eher schwierig. Denn dafür müssen zum einen die Kapazitäten vorhanden sein oder geschaffen werden. Und auch danach müssen alle Bewerber, die zur Probe gearbeitet haben, bewertet werden. Noch ein Einwand: kann beim Probearbeiten wirklich jeder Bewerber das zeigen, was er wirklich leisten könnte. Und wenn nicht, was dann? Lautet dann die Frage: wird Probearbeit zu stark bewertet?
Natürlich kann es gut sein, dass so manch ein Bewerber im Vorstellungsgespräch eher schüchtern bleibt. Allerdings haben die meisten Personen, die einem solchen Gespräch sitzen, kein Interesse, die Schwächen des Bewerbers aufzudecken. Wo bleibt da der Nutzen für das Unternehmen? So etwas wäre verschwendete Zeit, das sollte man sich als Bewerber immer wieder vor Augen halten. Im Vorstellungsgespräch gilt es eher herauszufinden, ob Erfahrungen zu Erfordernissen passen, ob der Bewerber in das Team passt usw. Und nicht zuletzt kann auch der Bewerber herausfinden, ob er sich wirklich vorstellen kann, tatsächlich in dem Unternehmen tätig zu werden.
In meiner aktuellen Firma ist es so, dass wir uns sehr bemühen, dem Bewerber die Nervosität zu nehmen. Dazu gehört auch, dass nicht jeder kleine Patzer auf die Goldwaage gelegt wird. Vielmehr zählt der Gesamteindruck. Dass es dann vielleicht trotzdem nichts mit dem Job wird, hat in der Regel andere Gründe als wenig Erfahrung oder Nervosität im Vorstellungsgespräch.
JotJot hat geschrieben:In meiner aktuellen Firma ist es so, dass wir uns sehr bemühen, dem Bewerber die Nervosität zu nehmen. Dazu gehört auch, dass nicht jeder kleine Patzer auf die Goldwaage gelegt wird. Vielmehr zählt der Gesamteindruck.
Das ist bei uns auch der Fall. Bei uns ist es so, dass mehrere Faktoren bei einem Vorstellungsgespräch berücksichtigt werden. So hatte meine Chefin mal ein Vorstellungsgespräch mit einer Bewerberin, wenige Stunden vorher aus dem Ausland angereist worden war und dementsprechend nicht so ganz auf der Höhe war. Sie war müde und wirkte ein wenig kaputt, auch wenn sie versucht hat, sich das nicht anmerken zu lassen und natürlich trotzdem einen guten Eindruck machen wollte. Meine Kollegin war damals Zeugin des Vorstellungsgesprächs, sie ist von der Chefin gebeten worden, dabei zu sein, um sich einen Eindruck von der Bewerberin zu verschaffen.
Meine Kollegin meinte hinterher zu mir, dass die Bewerberin einen eher negativen Eindruck hinterlassen hätte, aber dass man das eben auf die Reise und den Jetlag geschoben hat. Da sie ansonsten fachlich super in unser Team gepasst hat, hat die Bewerberin eine zweite Chance bekommen und ist erneut zu einem Gespräch eingeladen worden. Zu dem Zeitpunkt war sie dann deutlich erholter und machte einen besseren Eindruck. Mittlerweile ist die Bewerberin seit einigen Monaten meine neue Kollegin und die Personalauswahl in dieser Hinsicht ist sehr gut getroffen worden.
Es ist ja nicht so, dass die Leute reihenweise vor lauter Nervosität bei Bewerbungsgesprächen tot umfallen, sondern da werden Einzelfälle hoch gefiedelt. Außerdem handelt es sich um keine Gefahrensituation, sondern um eine leidlich stressige Alltagssituation, mit der man als normal entwickelter Arbeitnehmer schon halbwegs klar kommen sollte.
Und wenn man das nicht tut, ist es in meinen Augen nicht die Schuld des zuständigen Personalmenschen oder Unternehmen, sondern der Betroffene ist dann in der Pflicht, über Therapien oder Medikamente seine übergroße Nervosität in den Griff zu bekommen bzw. regelmäßig zum Arzt zu gehen, wenn man es am Herzen hat.
Ich selber kann mir auch keine wesentlich bessere Alternative vorstellen, wenn man einen potenziellen Mitarbeiter vor der Einstellung näher kennen lernen möchte und abschätzen, um welchen Typ Mensch es sich handelt. Letzten Endes muss man ins Team passen, und das kann man nur bedingt beeinflussen, wenn man keine gute Schauspielerin ist und in Sekundenschnelle erfasst, wie man sich gebärden soll. Selbst wenn man es als "lockeres Mittagessen mit potenziellen neuen Kollegen" tarnt, wissen immer noch alle Beteiligten, worum es im Endeffekt geht und der Bewerber sitzt dennoch auf dem Präsentierteller und muss Fragen beantworten.
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