Gründe um in Kriegsgebieten Kinder zur Welt zu bringen

vom 12.09.2014, 17:22 Uhr

Letztes sah ich zufällig mit Bekannten einen kurzen Bericht über ein momentanes Kriegsgebiet. In dem kurzen Film waren auch kleine Kinder zu sehen und auch Säuglinge. Bilder, die man aus Kriegsgebieten immer irgendwie sieht. Spielende Kinder oder Kinder, die schon zu erwachsen sein müssen, um in der Umgebung "leben" zu können. Teilweise eben auch aus Gebieten, in denen schon seid Jahren Krieg geführt wird.

Es entbrannte eine kleine Diskussion unter uns Zuschauern. Thema war im Endeffekt, warum setzt man als Frau (oder auch als Mann) in einem Kriegsgebiet Kinder in die Welt? In eine Zukunft die ungewiss ist. In ein Risikogebiet, in dem man nicht weiß, ob die Kinder den Krieg überleben würden. Teilweise sicherlich auch unter katastrophalen hygienischen Bedingungen. Klar sind diese Gefahren in einem Land wie Deutschland auch gegeben, aber sicherlich in einem Kriegsgebiet noch mal ganz anders.

Eine Bekannte meinte, welche Gründe hat man, um in einem Kriegsgebiet Kinder zur Welt zu bringen? Sie meinte, sie würde gar keine Lust auf die Zeugung haben, während rund herum Krieg ist. Sie würde alles dran setzen, eben keine Kinder zu bekommen, wenn sie in einem Kriegsgebiet leben müsste.

Welche Gründe seht ihr dafür, dass auch in Kriegsgebieten, mit vielen Todesfällen und sicherlich hoher Kindersterblichkeit, trotzdem Kinder geboren werden? Verhütung, wie wir sie hier in Deutschland kennen, ist sicherlich dort Thema für sich. Aber enthaltsam kann man auch ohne Pille oder Pariser sein.

» Fugasi » Beiträge: 1877 » Talkpoints: 1,33 » Auszeichnung für 1000 Beiträge



Die Frage habe ich mir natürlich auch schon oft gestellt. Mir gefällt selbst das ruhige Deutschland nicht genug, um Kinder zu bekommen. Daher kann ich natürlich auch nicht verstehen, wie man unter solch schlimmen Bedingungen auf die Idee kommen kann, ein Kind zu wollen. Den Kindern gegenüber ist es jedenfalls extrem unfair.

Von daher kann ich auch nur spekulieren, warum selbst zu Kriegszeiten immer weiter Kinder gezeugt und geboren werden. Ein Punkt ist sicherlich die fehlende Verhütung und das man sich jedes bisschen Sex verkneifen muss. Denn das ist einfacher gesagt als getan. Es können eben kurze Momente sein, in denen man alles vergisst und die Welt um einen herum verschwindet. Psychologisch ist Sex in Krisenzeiten bestimmt sinnvoll. Als kurze Auszeit, zum Stressabbau, für die Bindung zwischen Mann und Frau, die sich jeden Tag verlieren könnten.

Wenn es das letzte Mal sein könnte, dass du deinen geliebten Partner siehst, ist dir die Eventualität, dabei ein Kind zu zeugen, für kurze Zeit egal. Und sollte die Frau schwanger werden, hat sie wenigstens ein Kind von dem Mann, den sie für immer verliert. Es gab schon schlechtere Gründe fürs Kinderkriegen.

Nicht zu vernachlässigen sind bei vielen Konfliktherden Vergewaltigungen. Also zumindest, wenn es schon ein Einmarschieren gab und es nicht mehr nur um Luftangriffe geht. Vergewaltigungen werden systematisch zum Demoralisieren der Bevölkerung eingesetzt. Dabei handelt es sich also nicht um Einzelfälle und ein paar durchgedrehte Soldaten, denen das eh "im Blut liegt". Das ist eine strategische, militärische Maßnahme, die oft von oben befohlen wird.

Nach langen Kriegen wie dem zweiten Weltkrieg hat man übrigens festgestellt, dass verhältnismäßig viele männliche Babys auf die Welt kommen. Normalerweise ist das Verhältnis 102 männliche auf 100 weibliche Säuglinge. In den Jahren nach einem Krieg ist das Verhältnis verschoben. Das ist recht sinnvoll, wenn man bedenkt, dass vor allem junge Männer in Kriegen als Soldaten dienen und fallen. Wie die Natur das allerdings großflächig regelt, ist erstaunlich.

Ich könnte mir aber vorstellen, dass damit auch eine erhöhte Fruchtbarkeit einhergeht. Dass man also trotz dem Stress, Nahrungsmangel und allen anderen Widrigkeiten, die rein körperlich gegen eine Empfängnis sprechen, dennoch schwanger wird. Schneller als sonst. Dass eben noch öfter schon ein einziges Mal ausreicht.

Als weiterer Punkt kommt aber sicherlich noch hinzu, dass es viele Menschen gar nicht so sehen, dass man keine Kinder bekommen sollte, wenn die Welt um einen herum zusammenbricht. Gedanken wie, dass das Leben weitergehen muss. Irgendwann wird der Krieg doch vorbei sein und dann braucht das Land die Kinder sehr dringend. Oder man sieht Kinder als Hoffnungsträger. Oder man wird fatalistisch. Es kann sein, dass das Kind sterben wird und eine beschissene Kindheit hat, aber niemand hat gesagt, dass das Leben fair sei.

Diese Gedanken kann ich zwar nachvollziehen, aber die wären absolut nicht meine. Es sind nur Erklärungsversuche. Es denkt ja nicht jeder Mensch gleich. Ich würde gar nicht so weit gehen, dass ein Krieg notwendig ist, um mit dem Kinderkriegen aufzuhören. Für mich ist es schon viel früher vorbei.

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» Bienenkönigin » Beiträge: 9448 » Talkpoints: 19,93 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Ich gehe mal davon aus, dass sich die wenigsten dort wirklich bewusst für ein Kind entscheiden werden. Aber Verhütungsmittel werden unter diesen Umständen wohl ganz unten auf der Liste stehen und Abtreibungen werden auch kaum möglich sein.

Natürlich könnte man jetzt sagen, dass man dann einfach keinen Sex haben sollte. Aber Sex ist bekanntlich nicht nur zur Fortpflanzung da sondern ein natürliches, menschliches Bedürfnis. Und dann gibt es auch Kulturkreise in denen es nicht üblich ist, dass eine Frau "Nein" sagt, wenn ihr Mann mit ihr schlafen möchte und Vergewaltigungen sind in Kriegsgebieten leider auch die Regel.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Cloudy24 hat geschrieben:Ich gehe mal davon aus, dass sich die wenigsten dort wirklich bewusst für ein Kind entscheiden werden. Aber Verhütungsmittel werden unter diesen Umständen wohl ganz unten auf der Liste stehen und Abtreibungen werden auch kaum möglich sein.

Das sehe ich genauso. Die gesundheitliche Versorgung leidet in Kriegsgebieten, viele Ärzte flüchten in Regionen, wo es für sie sicherer ist. Viele Praxen und vielleicht sogar Kliniken werden schließen müssen. Die Versorgung mit Verhütungsmitteln und generell Medikamenten wird eher schwierig sein.

Wie soll man zum Beispiel die Pille bequem weiter nehmen, wenn die Ärzte verschwinden, die das Präparat verschreiben könnten? Oder wenn die Apotheken Lieferengpässe haben oder sogar schließen mussten? Selbst wenn es dann zu einer ungeplanten und ungewollten Schwangerschaft gekommen sein sollte, stellt sich die Frage, ob eine Abtreibung überhaupt möglich wäre, wenn die Ärzte alle geflüchtet sind und die Gesundheitsversorgung eher auf Sparflamme läuft.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Sex wird wohl jeder gerne haben und gerade wenn man Angst hat oder frustriert ist, ist das etwas, was einen aufbaut und seelisch beflügelt. Dies kann einen dazu bringen durchzuhalten. Jedoch gibt es dabei ein großes Problem. Es gibt weniger Verhütungsmittel, wenn nicht sogar gar keine und dadurch entstehen dann eben Babys, die man aber auch nicht mal schnell abtreiben kann. Regelmäßige Kontrollen beim Frauenarzt sind auch nicht möglich, weswegen auch die Schwangerschaft nicht gerade leichter ist.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich krame mal in der Familiengeschichte und muss nicht weit, zurück zum Zweiten Weltkrieg reicht. Oma und Opa mussten um die Machtergreifung Hitlers herum heiraten. Ein Kind war unterwegs. Da die beiden nur durch eine Wette und die folgende Schwangerschaft ein Paar waren, wurde ab dann verhütet.

Gebären war zwar nun die Pflicht der Frau und Verweigerung der Fortpflanzung ein Scheidungsgrund. Aber Oma und Opa behaupteten, dass es nach der schweren Geburt nicht mehr klappte. So lebte man als Nichtparteimitglied ruhig vor sich hin und Opas Job war sogar kriegswichtig, weil er mit den Richtigen trinken ging.

Und dann kam der Tag, an dem die Erstgeborene mit "Luftballons" am Bollerwagen durch die Straßen zog. Die Kondome zeigten deutlich, dass sich diese Leute dem Dritten Reich komplett verweigerten. Kein Parteibuch, Künstler und nicht an der Front, keine Kinder für den Führer. Die guten Freunde munkelten von Sanktionen bis hin zum Lager.

Und so erblickten meine Onkel 1940 und 1944 mitten im Krieg im am Ende zerbombten Ruhrgebiet das Licht der Welt. Meine Mutter war am Ende des Krieges eines dieser Kinder, die mit elf Jahren viel zu erwachsen sein musste. Bei ihr konnte man nicht wissen, was mal kommen wird. Die Brüder haben den Vater vor der Front und die Familie vor Repressalien bewahrt. So kann es laufen.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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