Partner stets fragen, welche Schwächen er in einem sieht?

Online hat sich ein Bekannter mal darüber ausgelassen, dass seine Freundin ihn wohl regelmäßig nach einer Analyse über sie fragt. Oft will sie wissen, welche Schwächen er an ihr erkennt bzw. was er als ihre größte Schwäche bezeichnen würde. Er fühlt sich damit nicht sehr wohl und antwortet, dass Schwächen zu jedem Menschen gehören und wenn diese kein akutes Problem darstellen, muss man doch nicht regelmäßig darüber reden, er mag sie schließlich so, wie sie ist.

Die Antwort ärgert sie wohl und gibt ihr das Gefühl, dass er sich nur nicht traut die Wahrheit zu sagen. Findet ihr, dass man solche Fragen in einer Beziehung öfters stellen können sollte oder ist das ein ermüdendes Thema, auf das der Partner verständlicherweise nicht immer eine Antwort geben mag?

Prinzipiell bin ich der Meinung, dass man seinen Partner alles fragen können sollte, aber was heißt bitte "stets"? Bei jeder sich bietenden Gelegenheit? Einmal pro Woche? Jeden Monat? Ich hätte nun auch wenig Lust darauf ohne konkreten Anlass andauernd die möglichen Schwächen, Stärken, Socken oder sonst etwas zu diskutieren. Ich bin doch keine Schallplatte mit Sprung.

Ich finde nicht, dass man als Partner oder Partnerin automatisch verpflichtet ist, jeden Spleen mitzumachen. Selbsterkenntnis ist eine schöne Sache, und nur wenn man sich seiner Schwächen bewusst ist, kann man lernen, mit ihnen umzugehen. Aber wenn das ganze in ungesunden Selbstoptimierungswahn umschlägt, ist es natürlich für alle Beteiligten unangenehm, und ich könnte mir vorstellen, dass das hier der Fall ist.

Außerdem halte ich es für unsinnig, davon auszugehen, dass ausgerechnet der Lebensgefährte einem ein objektives Bild seiner Stärken und Schwächen liefern kann. Um mit jemandem eine Beziehung zu pflegen, ist es meiner Meinung nach eher hinderlich, ein wahrhaft objektives und wertneutrales Bild einer Person zu haben. Wenn man jemanden liebt, empfindet man vielleicht eine Eigenheit als niedliche Macke, die objektiv gesehen eine "Schwäche" darstellt oder übersieht manche "Schwächen" ganz, da sie das Gesamtbild einer Person vervollständigen, die man aus nicht ganz objektiven und logischen Gründen liebt. Wir wählen unsere Partner ja nicht nach einem Katalog charakterlicher Eigenheiten aus.

Ich frage meinen Partner auch manchmal etwas, das mit meinem Charakter zu tun hat. Aber ich reite dabei erstens nicht auf meinen tatsächlichen oder vermeintlichen Schwächen herum und zweitens erwarte ich keine objektive Analyse meiner Persönlichkeit. Würde ich das wollen, würde ich jemanden dafür bezahlen. Aber das Ergebnis wäre wohl derart unschmeichelhaft, dass ich lieber mein leicht verzerrtes Selbstbild einer ganz anständigen Person behalten möchte.

Ich glaube, dass es hier die Häufigkeit macht. Wenn man solche Fragen mal stellt ist das sicherlich in Ordnung. Wenn man aber jeden Tag vor dem Spiegel steht und danach fragt, dann ist das einfach mal zu viel und dann wird man damit auch langsam aber sicher die Beziehung zerstören. Ich denke, dass man ruhig solche Fragen stellen kann, aber nicht ständig und vor allem muss man auch mit einer ehrlichen Antwort rechnen und diese annehmen.

Ich finde die Frage nach den Schwächen ehrlich gesagt ziemlich überflüssig, zumindest für mich. Es kommt natürlich schon vor, dass ich mich in eine Idee oder in einen Konflikt hineinsteigere, sodass mein Partner mir dann gerne einen Spiegel vorhält, wenn ich es übertreibe. Aber das erdet mich dann auch wieder, wenn ich dann mit meinen Macken und Fehlern und Schwächen konfrontiert werde. Da muss ich aber nicht nach meinen Schwächen fragen.

Abgesehen davon bin ich ein Mensch, der sich laufend analysiert und reflektiert. Ich kenne meine Schwächen besser als jeder andere (außer wenn ich mich in etwas hineinsteigere und dann einen Tunnelblick bekomme) und da brauche ich meinen Partner nicht fragen, was er über meine Schwächen denkt. Das dann auch noch "stets" zu tun finde ich ziemlich übertrieben. Das spricht in meinen Augen für extreme Unsicherheit und das finde ich persönlich unattraktiv. Wenn es einen konkreten Anlass geben würde, wäre das was anderes, aber wie oft kommt das schon vor? Doch nicht "stets".

An sich finde ich die Frage nicht schlecht. Es ist ja schon oft so, dass man sich selbst anders sieht als andere es tun. Man kann sich ja nicht immer so gut einschätzen, so dass es nicht schlecht ist, wenn jemand anderes einen einschätzt. Und natürlich ist es besser, wenn der Partner einem seine ehrliche Meinung sagt, als wenn man irgendwann von jemand anderem dafür kritisiert wird und völlig geschockt und perplex ist, weil man mit diesen Schwächen nie gerechnet hat.

Da aber ständig danach zu fragen, finde ich auch ziemlich übertrieben. Immerhin reicht es doch voll und ganz aus, wenn man so etwas einmal fragt. Die Schwächen werden sich ja nicht ständig ändern. Das sind ja oft so grundlegende Charaktereigenschaften, die man Jahre lang oder sein ganzes Leben mit sich trägt. Von daher kann ich schon verstehen, dass man da auch schnell genervt reagiert. Das wäre bei mir nicht anders.

Aber er kann doch eine ganz einfache Antwort auf die Frage geben. Nämlich, dass es total nervig ist, dass sie ihre Beziehung in den Stand einer Gruppentherapie erheben will und ihn immer wieder so etwas fragt. Das wäre ja vermutlich nicht mal gelogen. Ich verstehe auch gar nicht, warum sie ihn immer wieder fragt, einmal würde doch reichen, die Frage ist absolut redundant.

Möglicherweise hat er sich aber auch noch nie getraut, ihr eine Antwort zu geben und sie fragt deswegen immer und immer wieder. Dass man es schwach findet, wenn der Partner dann jedes Mal nur herum eiert und nicht antworten will, weil er Angst vor einem potentiellen Konflikt hat, würde ich mich allerdings auch nerven. Mir ist auch ihre Intention nicht ganz klar, ist sie so unsicher, will sie sich selbst immer wieder von anderen analysiert wissen oder geht es ihr darum, sich selbst aus den Augen ihres Freundes zu sehen?