Autonomie als Ziel unserer Gesellschaft

vom 13.03.2011, 22:50 Uhr

Wir leben in einer hochmodernen Welt. Autonomie bedeutet Selbstbestimmung und die meisten gehen davon aus, dass wir als moderne Menschen in wesentlichen Bezügen unseres Lebens autonom sind, was bedeutet, dass wir die Möglichkeit haben, über unzählige einzelne Sachverhalte, aber auch über den Gesamtentwurf unseres Lebens selbstständig bestimmen zu können. Historisch gesehen ist diese Freiheit jedoch erst eine neue Errungenschaft.

Mit Blick auf die Geschichte und auch auf andere Kulturen stellt man fest, dass die Selbstbestimmung unseres Alltags ein nahezu einmaliges Phänomen ist. Autonomie gilt bei uns als ein hochgeschätztes Ziel und die Grundvoraussetzung, ein selbstverständliches Begehren in einer individualisierten Kultur, wie unsere es sein soll. Stärker sogar noch als "Freiheit" ist Autonomie der Grundbegriff des zeitgenössischen, gesellschaftlichen Bewusstseins. Autonomie qualifiziert sich im Wesentlichen durch die Abgrenzung gegenüber möglicher Fremdbestimmung.

Die der Autonomie gegenüberstehenden Zustände, wie Autorität, Paternalismus, Fürsorge, Abhängigkeit etc. sind in den meisten Fällen negativ konnotiert, Selbstbestimmung selbst dagegen scheint durchaus positiv assoziiert zu werden und bleibt unhinterfragt. Deswegen eröffne ich jetzt diesen Thread: Ist die Autonomie wirklich ein individuell zu erreichendes Ziel, das geschätzt werden sollte? Was meint ihr dazu?

"Autonomie" scheint ein unangefochtener Leitbegriff zu sein, insbesondere die Autonomie der Frau. Er steht für individuelle Lebensplanung und Selbstgestaltung, Selbstbestimmung. Selbstverständlich ist der Autonomiegedanke nicht entbehrlich, das bezweifle ich gar nicht, aber sollte er so stark im Zentrum stehen?

Autonomie ist ein Begriff, der sich aus einer bestimmten Weltsicht herleitet, aber keinesfalls alles trifft, was unsere moralische Orientierung in Wirklichkeit bestimmt. Menschen sind nämlich meiner Meinung nach gar nicht in der Lage, immer autonom zu sein, sondern ganz wesentlich voneinander abhängig, sie stehen immer in Abhängigkeitsverhältnissen zueinander und miteinander, ob sie es wollen oder nicht. Menschen existieren IMMER in Beziehungen, die Abhängigkeit voraussetzen!

Diese bestehenden Abhängigkeitsbeziehungen müssen meiner Meinung nach untersucht werden, bevor man sagen kann, die Autonomie sei ein höchstes Ziel der Menschen, denn dann würden die Beziehungen zwischen einzelnen Menschen so nicht mehr existieren dürfen.

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» koeniglich » Beiträge: 370 » Talkpoints: 0,50 » Auszeichnung für 100 Beiträge



Wer sagt denn überhaupt, dass das Bestreben nach der totalen Autonomie in unserer Gesellschaft ein breit gestreutes Interesse trifft? Ich kenne eigentlich niemanden mehr jenseits der Zwanziger, der noch in dem Glauben lebt, dass dies möglich oder erstrebenswert erscheint. Man sollte auch nicht die Freiheit des Einzelnen mit einer autonomen Gesellschaft verwechseln, mir scheint, hier wurden zu viele Strömungen in einen Topf geworfen.

Für mich hat die Emanzipation der Frau nichts mit einer autonom existierenden Gesellschaftsform zu tun, das sind völlig unterschiedliche Dinge, die unabhängig voneinander existieren könnten. In einer rein autonomen Gesellschaft, wo nur die Moral des einzelnen das ausschlaggebende Element ist und jeder sich selbst verwalten kann, möchte ich ganz sicher nicht leben. Dafür ist die Menschheit nicht gemacht.

» Verbena » Beiträge: 4979 » Talkpoints: 3,27 » Auszeichnung für 4000 Beiträge


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