Als Student bei behinderten Menschen aushelfen?
Eine Bekannte von mir bekommt seit diesem Semester kein Bafög mehr und muss sich daher selbst weiterhelfen, da ihre Eltern auch nicht so viel Geld haben, als dass sie sie dauerhaft unterstützen könnten. Jetzt hat sie sich im Internet informiert, welche Nebenjobs es gibt und sie hat einige Möglichkeiten gefunden. Auf der Seite des Studentenwerkes gab es unter anderem ein Jobangebot von einem behinderten Menschen. Die Person sitzt im Rollstuhl und möchte jemanden haben, der ihr beim Einkaufen hilft, hilft Freizeitaktivitäten zu organisieren und ihr im Haushalt helfen kann.
Die Bezahlung war auch gar nicht so schlecht, aber den Job fand ich dennoch etwas dubios. Es handelt sich um eine männliche Person und meine Bekannte würde letztendlich ja dann relativ viel Zeit mit diesem Mann verbringen. Zusammen putzen, kochen, einkaufen und die Freizeit verbringen ist ja schon eine Art freundschaftliche Beziehung die man da führt.
Würdet ihr einen solchen Job annehmen? Mir selbst wäre das nicht so geheuer, da ich einer fremden Person ehrlich gesagt ungern so nahe treten würde. Außerdem entsteht dadurch mitunter auch ein Abhängigkeitsverhältnis, weil man der Person in Notlagen nicht absagen möchte, da man sich angefreundet hat, den Job aber möglicherweise aufgeben möchte. Wie denkt ihr darüber?
Wenn man sich mit der Person versteht ist so ein Job doch super. Sicherlich entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis, aber die Person braucht doch Hilfe und wenn es eine Person ist, mit der er klar kommt, dann zahlt er das Geld doch gerne. Zumal das nun auch nicht so ein blöder Job ist und man im besten Fall einen Kumpel findet. Ich würde das schon machen.
Soviel ich weiß, gibt es relativ viele Menschen mit Behinderungen, die ihrer Helfer und Pflegekräfte selber ausgesucht und eingestellt haben, und so quasi vom Hilfsbedürftigen zum Arbeitgeber aufgestiegen sind. Ich halte die Idee prinzipiell für gut und nachahmenswert, zumal da man ja für Hilfstätigkeiten im Haushalt, beim Einkaufen usw. keine spezielle Ausbildung braucht.
Ich finde auch nicht, dass man einem Menschen dadurch "nahe tritt", dass man bei ihm die Fenster putzt oder die Getränkekisten in den dritten Stock schleppt. Dabei handelt es sich ja wahrhaftig nicht um Pflegedienste im engeren Sinne. Natürlich sollte man sich nicht völlig unsympathisch sein, aber ich kann mir eine geschäftliche Beziehung auf dieser Basis eigentlich ganz gut vorstellen.
Beispielsweise zahle ich auch eine Studentin dafür, dass sie jede Woche vorbei kommt und mit mir Französisch übt, weil ich gerne Sprachen lerne. Die Frau kommt auch in meine Wohnung, und wir verstehen uns ganz gut, aber dennoch bleibt es eine schwerpunktmäßig geschäftliche Beziehung. Und es ist ja nicht gesagt, dass immer gleich irgendwelche Gefühle ins Spiel kommen, wenn es sich um unterschiedliche Geschlechter handelt.
Meiner Meinung nach ist es egal, ob man als Nebenjob Regale einräumt, Burger brät, Kinder betreut oder jemandem im Alltag hilft. Wenn man körperlich und charakterlich für den Job geeignet ist und weder sich noch irgend jemand anderem schadet, spricht doch eigentlich nichts dagegen.
Jobs, in denen man bei Menschen mit Behinderung oder auch bei älteren Menschen aushilft, sind gar nicht so selten. Ich finde auch, dass das eine gute Sache ist und absolut nicht dubios.
In sozialen Berufen ist ja eine Art "Freundschaftsverhältnis" auch gut und wichtig. Dass man sich beim gemeinsamen Einkauf oder beim Putzen auch unterhält ist ja normal. Wichtig ist, eine gute Nähe-Distanz-Beziehung aufzubauen und auch Grenzen zu setzen. Klare Absprachen was Arbeitszeiten angeht und inwieweit sich die Person in Notlagen melden darf und kann. In erster Linie ist es ja eine geschäftliche Beziehung.
Ich habe mal ein Mädchen mit Behinderung betreut und den Fehler gemacht, der Mutter nicht früh genug Grenzen aufzuzeigen. Diese schrieb mich privat ständig an, hat erwartet dass ich alles stehen und liegen lasse, wenn sie mir schreibt und schrieb mir sogar, dass sie mich lieb hätte und ähnliches. Jegliche Versuche meinerseits das zu klären sind gescheitert, sodass ich den Einsatz dann abgegeben habe.
Aktuell betreue ich noch ein anderes Mädchen, auch wir haben eine Art freundschaftliche Beziehung, aber mit Grenzen. Ich erzähle zum Beispiel nichts persönliches von mir, wir haben Absprachen was unsere Termine angeht, ich habe sie auch etwas lieb gewonnen, wenn sich unsere Wege aber irgendwann mal trennen sollten, ist auch das ok.
Wenn man kein Problem damit ein Stück weit in das Leben einer fremden Person einzusteigen und es als Geschäftsbeziehung mit freundschaftlichen Aspekten sieht, Grenzen setzt und einhält ist so eine Arbeit sicher eine tolle Sache.
Ich habe damals im Studium auch häufiger solche Stellenanzeigen gelesen. Gerade bei Facebook in diversen Gruppen gibt es eine Flut von solchen Anzeigen. Ich habe mich jedoch nie dafür gemeldet oder beworben, selbst dann nicht, als ich zwischendurch ohne Job da stand und mir was neues suchen musste. Das hatte aber nichts mit Scham oder Vorurteilen zu tun. Interessanterweise haben die männlichen Personen auch immer nach männlichen Assistenten gesucht und die Frauen eben nach weiblichen Assistenten.
Bei mir hatte das eher was damit zu tun, dass ich eben ganz genau wusste, dass ich physisch mit dieser Arbeit komplett überfordert gewesen wäre. Denn man muss die Person ja auch anziehen, in den Rollstuhl hieven und dergleichen und das hätte ich von der Kraft her nicht geschafft. So stark bin ich körperlich auch nicht, um das problemlos wegstecken zu können. Ich hatte da eher Bedenken um meine gesundheitlichen Folgen und Probleme, beispielsweise für die Bandscheibe, wenn ich schwer schleppen muss. So ein ausgewachsener Mensch wiegt ja auch schon einiges.
Ich sitze am anderen Ende dieser Hypothese, auch im Rollstuhl, und muss sagen, ich habe ähnliche Bedenken wie du. Derzeit habe ich keine derartige Hilfe, sondern nur einen Verein der ab und zu kommt und Haushalt macht und sowas, aber mir wurde schon öfter vorgeschlagen warum ich mir niemanden suche der oder die mir zeitlich und auch sonst individueller zur Hand gehen kann.
Jetzt ist es zwar so, dass ich Hilfe nur im Haushalt und nicht bezüglich Pflege oder ähnlichem brauche, ich mir aber trotzdem ähnliches wie du überlegt habe. Man holt sich ja doch regelmäßig den gleichen, zumindest anfangs noch fremden, Menschen ins Haus und weiß nicht von Anfang an wie man miteinander klarkommt und so weiter und wenn es für mich dann nicht passt, möchte ich nicht einen armen Studenten, der sich über die zusätzliche Einnahmequelle freuen würde, vor den Kopf stoßen.
Andererseits, wenn alles passt kann das sicher für beide Seiten eine hervorragende Lösung sein. Was ich allerdings auf keinen Fall wollte, weder als Arbeitgeber noch als Arbeitnehmer, wäre jemandem zu helfen oder mir helfen zu lassen von einem Studenten wenn ich jetzt auch in pflegetechnischer Hinsicht Hilfe bräuchte. Das ist meiner Meinung nach auch eine Frage die man im Vorstellungsgespräch wenn man einen solchen Job ins Auge fasst auf jeden Fall vorab klären sollte.
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