Sich als Arbeiterkind an der Uni benachteiligt fühlen?

vom 19.02.2018, 07:27 Uhr

Angeblich soll es ja sehr wenige Arbeiterkinder unter den Studenten geben und angeblich sollen sich diese ja auch ziemlich diskriminiert fühlen gegenüber den Studenten aus Akademikerfamilien. Ich kann dies so nicht bestätigen von meinen Beobachtungen her, wobei ich mir aber auch nicht einbilde, eine repräsentative Größe zu kennen.

Wie seht ihr das? Könnt ihr es aus eigener Erfahrung oder Beobachtung bestätigen, dass sich Arbeiterkinder im Studium oftmals diskriminiert fühlen? Hängt das vielleicht auch von der Hochschulform ab oder ist das Unsinn?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Gut, ich war kein "Kind" mehr, sondern schon Mitte 20, als ich als Spätberufene mein Uni-Studium angefangen habe. Da ich also die Erfahrung, das erste Mal fern von Mama und Papa machen zu können, was ich wollte, schon hinter mir hatte, habe ich auch keine allzu engen Kontakte zu meinen Mitstudierenden geknüpft. Von daher kann ich auch nicht behaupten, in sozialer Hinsicht auf Grund meiner Herkunft aus der Arbeiterschicht benachteiligt gewesen zu sein. Das lag ganz allein am Alters- und Erfahrungsunterschied und an meinem ungeselligen Charakter.

In akademischer Hinsicht macht es dagegen in meinen Augen schon einen Unterschied, ob das Elternhaus erstens selber Tendenzen zum humboldtischen Bildungsideal zeigt und zweitens vor allem die Kohle locker machen kann, dass Sohnemann oder Töchterchen die ganzen kulturellen und Bildungsangebote wahrnehmen kann, die ärmeren Bevölkerungsschichten verborgen bleiben.

Mal eben ein Jahr High School in den USA war für mich genauso wenig drin wie private Nachhilfe und generell vor allem die Kontakte zu den "Oberen Zehntausend". Bildlich gesprochen. Aber mir konnte nun mal keiner ein Praktikum bei der Süddeutschen Zeitung verschaffen, weil mein Vater nicht mit dem Ressortleiter X Golf spielen geht. Wenn man so ganz fern der höheren Bildungslandschaft aufgewachsen ist, spürt man das schon beim Studium und bei der Jobsuche. Aber speziell diskriminiert bin ich mir auch nicht vorgekommen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass nicht jeder mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden sein kann, und meine Eltern haben mir mitgegeben, was sie konnten. Eine Herkunft aus dem gehobenen Bürgertum hat auch bei Weitem nicht nur Vorteile. Beispielsweise weiß ich, wo das Geld herkommt und wie man einen Nagel in die Wand schlägt. Im Studium hatten meine Kommilitonen dafür teilweise Personal. :wink:

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge


Benachteiligt fühlen, das ist wohl der falsche Ausdruck. Die Benachteiligung ist ja da. Denn abgesehen von der finanziellen Lage profitiert man von viel Vitamin B. Ein guter Freund hat unbestritten hervorragende schulische Leistungen gebracht. Aber natürlich hatte der als Halbwaise eines Militärattachés bei gleicher Leistung mehr Fürsprecher, um den einen Studienplatz pro Jahr, den die Bundeswehr in seinem Bereich bietet, zu bekommen.

Und natürlich fielen seine Leistungen auf, weil eben ein ganzes Netzwerk schaute, wie der Junge sich macht. Sicherlich hat der nichts geschenkt bekommen und musste liefern. Aber ohne die internen Förderer wäre er sicher nicht sehr schnell und ohne Irrwege in den Stabsdienst gekommen. Ebenso wenig hätte es die Kontakte gegeben, an anderen Universitäten in fachfremden Bereichen mal eben mit geschult zu werden, oder die passenden Kontakte für Forschungsgelder aus der Wirtschaft wären schwerer zu knüpfen gewesen.

Ich kann für mich auch nicht behaupten, dass es nachteilig gewesen wäre, dass sich der Rest von Papas Clique und das Arbeitsumfeld von Mutter sich dezent für mein Tun interessiert hat. Viele seiner Professoren privat schon lange zu kennen, war auch eher ein Vorteil als ein Nachteil. Natürlich muss man Leistung bringen.

Aber es ist ein ziemlicher Unterschied, ob man versuchen muss, über Leistung Aufmerksamkeit zu erregen, oder ob sozusagen auf die Leistung gewartet wird und die Förderung dann automatisch kommt. Und wenn die kommt, dann fühlt man sich mit entsprechendem Hintergrund eher wohl und nicht von irgendwelchen Veranstaltungen erschlagen.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



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