Ausnahmslos das studieren, was einen wirklich interessiert?
Meine Tante ist der Auffassung, dass man ausnahmslos das studieren sollte, das einen wirklich interessiert. Denn ein Studium macht in ihren Augen nur dann Sinn, wenn es einen auch Spaß macht und interessant ist. Ich bin da geteilter Ansicht. Denn Geschichte zum Beispiel interessiert mich auch, aber nicht so sehr, dass ich ein Studium durchgehalten hätte. Außerdem haben mich da immer die Berufsaussichten abgeschreckt.
Wie seht ihr das? Sollte man ausnahmslos das studieren, was einen am meisten interessiert? Oder sollte man nicht auch eher darauf achten, was gerade auf dem Arbeitsmarkt gefragt ist und womit man gut über die Runden kommen kann, wenn man hinterher im Berufsleben ist? Wie würdet ihr entscheiden und warum?
Allein die Vorstellung, dass man nur das studiert, was einen wirklich interessiert, ist absurd. Kein Studiengang besteht ausschließlich aus Modulen, die man alle interessant findet. Nach der Logik müsste man sich seinen Studiengang komplett selbst zusammenbasteln. Und das funktioniert immer nur sehr begrenzt.
Und tatsächlich nützt es nur wenig, das Studium allein nach den Interessen auszuwählen. Das kann eigentlich nur gut gehen, wenn man in Forschung oder Lehre bleiben möchte. Ansonsten ist das Studium doch nur ein Wimpernschlag im Leben. Deshalb sollte man die Arbeitsmöglichkeiten nach dem Studium mit in die Auswahl einbeziehen.
Und da meine ich gar nicht, ob man dann gefragt ist oder viel verdient, sondern ob man sich diese Tätigkeiten für viele viele Jahre vorstellen kann. Mit einem Abschluss in Philosophie in der Personalabteilung oder in der Pressestelle zu arbeiten, kann erfüllend und gut bezahlt sein. Das wird sogar gesucht. Aber kann man sich so einen Job vorstellen?
Für bestimmte Studienrichtungen ist es meiner Erfahrung nach schwer, überhaupt einen Beruf zu finden und dazu zähle ich die Geisteswissenschaften. Ich kenne mehrere Soziologen. Germanisten und eine Slawistin, die wirklich Probleme haben, überhaupt eine Stelle zu finden. Zwei davon haben inzwischen umgeschult. Das ist echt traurig, das Studium war für sie sinnlos. Ok, sie haben durch das Studium Uniluft geschnuppert, aber beruflich hat es nichts genützt.
Die Leute haben was studiert, was sie vielleicht schon interessant fanden, aber beruflich können sie wenig damit anfangen. Und bevor eine Personalabteilung einen Philosophen einstellt, der vermutlich von Personalwesen wenig Ahnung hat, werden die erst einmal nach BWLern, Personalpsychologen oder VWLern Ausschau halten.
Als Geisteswissenschaftlerin muss ich wie so oft eine Lanze für die vermeintlich "nutzlosen" Fächer brechen. Ich habe schon oft erlebt, dass Philosophen oder Historikerinnen durchaus einen soliden Job an Land gezogen haben, und nicht nur im Elfenbeinturm vor sich hin stümpern. Man kann in diesen Fächern durchaus seine Nische finden und/oder irgendwelche Personalfuzzis beeindrucken, wenn man sich rechtzeitig umtut und durch Praktika und Networking sich profiliert. Wer bis gut über 30 fernab der Realität vor sich hin brütet, hat natürlich schlechtere Chancen, aber das gilt generell für Hochschulabsolventen.
Von daher bin ich auch generell der Meinung, dass man sich zumindest im Großen und Ganzen für den gewählten Studiengang auch interessieren soll und nicht nur nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten auswählen, was man studieren "muss", um später die dicke Kohle zu machen. Umgekehrt heißt das natürlich auch, dass man zwischen Hobbys und Privatinteressen und wirtschaftlich verwertbaren Stärken und Leidenschaften differenzieren kann. Sprich, nur weil man gerne häkelt, sollte man nicht gleich ins Textildesign gehen, aber wenn man eigentlich absolut kein Verhältnis zu Zahlen hat, muss man nicht unbedingt BWL studieren.
Und es sollte an sich auch niemand so naiv sein zu glauben, dass man wirklich jede Sekunde und jede Veranstaltung eines Studiums lieben wird, welches man aus Interesse gewählt hat. Ich habe aus Interesse Geschichte studiert und musste auch einige Veranstaltungen aussitzen, die den Strom für den Overhead-Projektor nicht wert waren. Dennoch bereue ich mein Studium keine Sekunde und finde es auch nicht "traurig", dass ich nur in einem verwandten Beruf untergekommen bin.
Aber ich finde es einfach schwierig, sich in einem Studium mit Leuten zu messen, die den Studiengang nicht nur aus logischen Überlegungen gewählt haben, sondern die Inhalte und Themen auch tatsächlich mögen, die sich entsprechend engagieren und Begeisterung zeigen. Das bedeutet für gewöhnlich auch, dass die Noten entsprechend sind. Zumindest ist mir noch niemand begegnet, der sich für sein Studium interessiert und begeistert hat, obwohl er oder sie nur schlechte Noten hatte und sich gerade so durch die Prüfungen geschleppt hat. Gegen diese Konkurrenz ist nur schwer anzukommen, wenn man sich selber gelangweilt und desinteressiert durch die Veranstaltungen schleppt, weil man einfach keine Begeisterung für die Inhalte aufbringen kann.
Zitronengras, bei Absolventen in Philosophie und ähnlichen Exoten vertust du dich. Diese Absolventen werden von vielen Unternehmen gesucht. Denn diese Menschen bringen eine gute Auffassungsgabe und hervorragende analytische Fähigkeiten mit, können ein Problem aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchten und sind sprachlich sehr gewandt.
Deshalb konkurrieren sie nicht mit Leuten, die BWL oder VWL oder Public Relations studiert haben, sie bereichern stattdessen die Teams. Und deshalb werden sie aktiv gesucht und nicht nur genommen, wenn sich keiner vom Fach findet. Nur möchte halt nicht jeder in den Bereich, sonst hätte er das direkt studiert.
Wenn ich nur das studiert hätte, was mich wirklich interessiert hätte ich heute keinen Abschluss. Natürlich habe ich mir mein Fach nach meinen Interessen ausgesucht und habe mir auch ein, zwei Gedanken über die Berufschancen gemacht, aber die Studieninhalte an sich sucht man sich ja nur zu einem kleinen Teil wirklich selber aus.
In meinem Studiengang gab es die harmlos klingenden "Bezugswissenschaften". In der Realität bedeutet das, dass man sich dann in einer Vorlesung über Recht wiederfindet oder schon das dritte Marketing Seminar besuchen darf obwohl man eigentlich einen künstlerischen Studiengang gewählt hat. Da kommt schon mal der Gedanke auf, dass "dann studiere ich halt BWL" wesentlich einfacher gewesen wäre, aber das gleiche Ergebnis gehabt hätte.
Ich denke man muss einfach abwägen zwischen persönlichen Interessen, Berufsaussichten und Studieninhalten. Nur auf eines zu schauen ist wahrscheinlich nicht die beste Idee. Man wird immer den ein oder anderen Kompromiss eingehen müssen. Selbst wenn man sein Traumfach studiert und beste Berufsaussichten hat wird man den ein oder anderen Schein machen müssen, auf den man so gar keine Lust hat.
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