Wegen zu viel Selbstoptimierung Single bleiben?
Neulich habe ich im Fernsehen eine Doku über Selbstoptimierung gesehen. Es ging darum, dass die Menschen sich immer mehr auf die Selbstoptimierung konzentrieren und ihr Umfeld aus den Augen verlieren. Es geht viel darum, möglichst viel Bestätigung zu bekommen und den Ansprüchen der Gesellschaft zu genügen. Heute muss man sich super gesund ernähren, die Figur muss top sein, eine Karriere sollte auch drin sein
Partnerschaft und Familie bleibt daneben dann oft liegen und wird vernachlässigt. Viele Menschen gehen lieber 5 mal die Woche ins Fitnessstudio, machen daneben noch irgendeinen Sport und arbeiten dann auch noch viel. Zeit für was anderes ist dann häufig gar nicht mehr. Wie seht ihr das? Nimmt die Selbstoptimierung heutzutage überhand? Konzentrieren sich die Leute heute viel zu sehr auf sich selbst, um noch Zeit und Freude an einer Partnerschaft zu haben?
die zeit ist wohl weniger das Problem. Selbst als man noch 10 und mehr Stunden am Tag gearbeitet hat und jede Reparatur in Eigenleistung unter enormem Aufwand erbracht werden musste, hatten Menschen funktionierende Partnerschaften, die durchaus mehr waren als reine Zweckgemeinschaften.
Das Problem ist doch eher, wie soll eine Partnerschaft mit jemandem funktionieren, der ständig und andauernd nur seine eigenen Bedürfnisse und wünsche im Kopf hat. Das ist wenig angenehm und außerdem unglaublich anstrengend. Wobei es da eben auch den Einzelfall ankommt. denn man kann viel Zeit in eigene Dinge investieren und trotzdem intensive Beziehungen pflegen und man kann den ganzen tag auf dem Sofa hocken und trotzdem ein empathieloser und desinteressierter Klotz sein.
Ich sehe den Trend zur Selbstoptimierung, wie er mir vor allem im Internet, aber auch wenn man sich die ganzen Selbsthilfebücher im Handel anschaut, auch eher kritisch, weil Selbstoptimierung von Natur aus darauf basiert, dass man sich in erster Linie auf sich selber konzentriert. Und diese Form von Egozentrismus und Nabelschau ist vielleicht nicht unbedingt ein Produkt unserer Zeit, aber ich habe durchaus den Eindruck, dass diese gesellschaftliche Tendenz als schick und anerkennenswert gilt, und die Nachteile und Schattenseiten eher ignoriert werden.
Denn Selbstoptimierung hört sich natürlich erst einmal toll an. Kaum jemand würde offen zugeben, dass er oder sie lieber sein unvollkommenes Selbst bleibt, auch mal faul ist, leicht übergewichtig, dass man zu wenig Wasser trinkt, keine Overnight Oats Buddha Bowl Smoothies mag , seine Sockenschublade nicht nach den Grundsätzen von Marie Kondo sortiert (für mich der Inbegriff an fehlgeleiteter Selbstoptimierung) und nicht jeden Tag seines Lebens top produktiv ist.
Dass jedoch Zeit und Energie für andere Aspekte des Lebens dann fehlen, stellt nur eine logische Konsequenz dar. Wenn man auf die Bedürfnisse des Partners oder der Familie Rücksicht nehmen muss, müssen die eigenen Ziele öfter hintanstehen, und das steht dem Prinzip der Selbstoptimierung diametral entgegen. Man kann nicht gleichzeitig seine Liegestützen-Challenge machen und mit dem Sohnemann im Matsch spielen. Es kommt eben darauf an, wie man im Leben die Prioritäten setzt, und gerade scheint es nicht besonders modern zu sein, auch mal Fünfe grade sein zu lassen, wie es so schön heißt.
Teilweise erkennt man den Trend ja auch hier. Wenn man hier offen schreibt, dass man kein Gemüse mag oder nicht gerne kocht, da wird auch ziemlich entrüstet reagiert, so als hätte man gerade verraten, dass man jeden Morgen ein Kind isst. Ich finde, dass es eher das Umfeld ist oder im weiteren Sinne die Gesellschaft, die einem gewisse Dinge aufdrücken will. Genauso wie es in letzter Zeit auch häufiger vorkam, dass mich andere gefragt haben, ob ich Kinder habe und wenn ich dann ehrlich sage, dass dem nicht so ist und ich auch keine will, da wird man auch verwundet angeguckt, weil das dann wieder nicht zu den gesellschaftlichen Erwartungen passt. Ich bin gerne faul und ernähre mich nicht perfekt und mache gerne keinen Sport, aber das darf man ganz oft nicht laut sagen. Das finde ich eigentlich schlimm, dass man nach außen hin immer was anderes vorspielen muss, um keine blöden Reaktionen zu erhalten. Es gibt so viele Erwartungen daran, wie man sein Leben zu leben hat und viele können davon gar nicht abweichen, von diesem Mainstream-Denken.
Dass man seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse ins Zentrum stellt, finde ich aber nicht verwerflich. Man muss diese Bedürfnisse nur gegen die Erwartungen anderer verteidigen. Wenn man nicht darauf achtet, was man selbst will, wird man zum Spielball von Vorstellungen anderer und das kann ja auch keiner wollen. Das heißt für mich etwa, dass man in einer Partnerschaft eben nicht nur daran denkt, was der andere will und dem alles recht machen will oder lauter faule Kompromisse eingeht, sondern dass man sich jemanden sucht, der die eigenen Bedürfnisse erfüllt und alle anderen nicht nimmt.
Man muss auch in der heutigen Arbeitswelt sehen wo man bleibt. Da wird es kaum jemanden geben, der sich darum kümmert, dass es einem gut geht, sondern mann muss sich immer selbst durchsetzen. Man muss sich im Job jeden Benefit erkämpfen und das selbst in höheren Positionen, wo man meinen könnte, man hätte gewisse Annehmlichkeiten, die aber auch immer wieder in Frage gestellt werden.
Letztendlich muss man sich selber lieben um von anderen Menschen geliebt werden zu können und daher kann ich schon verstehen, dass man versucht an sich so lange zu arbeiten bis man das eben als richtig empfindet. Selbstoptimierung ist bis zu einem gewissen Grad absolut in Ordnung, aber ich finde es nicht in Ordnung, wenn man sich selber in irgendwelchen Wünschen verliert, sich nie als richtig empfindet und darüber dann eben auch soziale Bindungen vernachlässigt.
Stimmen diese angeblichen soziologischen Erhebungen dieser Art denn wirklich? Gibt es heute real betrachtet so viel mehr Singles in jungen Jahren als noch vor 5, 10 oder 20 Jahren? Wenn ich mir die Leute angucke, die heute so zwischen 20 und Anfang bis Mitte 30 sind, habe ich gar nicht das Gefühl, dass es da wirklich mehr Singles auf dem Weg in die Selbstoptimierung gibt als früher.
Ja, es gibt gewisse Hypes, die vor allem über das Internet Verbreitung finden. Home Management und Organsiation inklusive Minimalismus und Marie Kondo, Sportarten, die ich so wenig kenne, dass ich sie vermutlich nicht mal orthographisch korrekt schreiben könnte und das Verzehren von Futter, was vor 20 Jahren nur irgendwelche Andenbewohner in tiefer Kontemplation vor sich hin kauten. Der Druck in diesen Themen hat sich auf jeden Fall erhöht.
Der unordentliche Raucher, der sich von Fertignahrung ernährt und in leidlicher Zufriedenheit lebt, scheint nach Internetmaßstäben so etwas wie eine ausgestorbene Rarität zu sein. Wenn ich mich aber in der Realität umgucke, ist das alles halb so wild, wie es das Internet und die Medien einen glauben machen wollen. Viele sind im echten Leben doch viel weniger selbstoptimierend als man denken mag.
Das Problem sehe ich eher, dass den ganz Jungen suggeriert wird, dass alles im Leben optimal zu laufen hat. Und ja, wer nicht das perfekte Leben hat, die größte Liebe aller Zeiten, den Beachbody und das morgendliche Super-Buffet vorweisen kann, der wird sich sicher in heutigen Zeiten noch mehr hinterfragen, ob mit ihm etwas nicht stimmt und er bzw. sie an sich arbeiten sollte. Wer solchen Trends dann wirklich hinterher läuft und immer nach dem Tolleren strebt, wird das auch bei der Partnersuche tun.
Ein Wisch und der Kerl auf dem Bildschirm ist weg, und der nächste bitte. Wenn es wirklich heute mehr Singles bei den jüngeren Leuten geben sollte als früher, dann ist meiner Meinung nicht die fehlende Zeit das Problem, sondern die Suche nach der Perfektion ist ein Teil bzw. Unterpunkt, nicht die Ursache, der ganzen Optimierung. Aber ich denke nicht, dass das auf die Mehrheit zutrifft.
Ich halte vor allem nicht viel von solchen Dokumentationen. Da werden dann immer irgendwelche Extrembeispiele gezeigt, die die breite Bevölkerung überhaupt nicht repräsentieren.
Wenn sich die Menschen angeblich immer mehr auf Selbstoptimierung konzentrieren, wie passt dann die Tatsache ins Konzept, dass unsere Gesellschaft immer dicker wird? Wenn angeblich immer mehr Menschen minimalistischen Aufräumgurus folgen, warum gibt es dann immer neue Rekordmeldungen von der Konsumfront?
Und das Internet ist doch nun wirklich kein Abbild der Realität. Natürlich zeigt man da nicht die unordentlichen Ecken in seiner Wohnung. Natürlich teilt man das Bild von dem leckeren, selber gekochten Essen und nicht den Döner, den man am Tag davor gegessen hat. Und natürlich probiert man so lange Posen aus und zieht den Bauch ein bis man auf dem Bild sportlich aussieht. Und wenn alles nicht hilft gibts Photoshop.
Generell denke ich, dass jeder dogmatische Lebensstil für Unbeteiligte anstrengend ist. Und wenn der Partner in diese Kategorie fällt ist das für die Partnerschaft natürlich stressig, macht sie auf Dauer vielleicht sogar unmöglich. Aber dafür muss sich der Partner nicht selber optimieren wollen. Dafür kann er auch ein Fußballfan sein, der kein Spiel auslässt, seinen Urlaub um die Auswärtsspiele herum plant, und in der Bettwäsche seines Vereins schlafen will, das wird mit einem Partner, der Fußball nichts abgewinnen kann, auch nicht lange gut gehen.
Ich muss sagen, dass ich das ganze Thema um die Selbstoptimierung schon schrecklich finde. Ich finde es sehr schade, dass heute fast jeder danach zu streben scheint, ein perfektes Aussehen und auch eine tolle Karriere zu haben. Dass dann auch schon mal eine Beziehung auf der Strecke bleibt, weil man keine Zeit mehr für eine Partnerschaft hat, das kann ich mir vorstellen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass man keinen Partner findet, der dann für einen selber auch perfekt ist.
Der unordentliche Raucher, der sich von Fertignahrung ernährt und in leidlicher Zufriedenheit lebt, scheint nach Internetmaßstäben so etwas wie eine ausgestorbene Rarität zu sein. Wenn ich mich aber in der Realität umgucke, ist das alles halb so wild, wie es das Internet und die Medien einen glauben machen wollen. Viele sind im echten Leben doch viel weniger selbstoptimierend als man denken mag.
Ich denke, man strebt nach Glück und das kann für jeden etwas anderes sein. Der eine ist glücklich, wenn er perfekt sportlich ist, der andere lebt mit etwas Übergewicht, weil es zu aufwändig wäre, das zu ändern. Jemand ist nur glücklich mit einer Top-Position im Management, der nächste muss damit leben, dass er nur einen einfachen Handwerksberuf hat und muss dennoch glücklich sein oder sucht seine Zufriedenheit in anderen Berufen.
Aber selbst im Beruf kann es verschiedene Ziele geben - Geld, Selbstverwirklichung, nette Kollegen usw. Aber man will meistens das, was einem wichtig ist, auch haben. Daher ist es schade für den unordentlichen Raucher, wenn er unzufrieden ist, nicht wegen der Unordnung, nicht wegen des Rauchens - das wird ihm vielleicht gar nicht wichtig sein - sondern weil das, was ihm vielleicht wichtig ist, auch zu fehlen scheint.
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