Im Falle von Krankheit immer auch zum Betriebsarzt müssen
Herr Freudig hat endlich Arbeit gefunden und hat den Arbeitsvertrag freudig unterschrieben. Nach 2 Jahren Arbeitslosigkeit war er wirklich sehr froh. Zuhause angekommen hat er sich den Arbeitsvertrag erst mal komplett richtig durchgelesen. Manche Sachen, wie Lohn und Arbeitsstunden wurden vor Ort beim Chef geklärt. Aber in einem Absatz steht im Vertrag, dass die Mitarbeiter sich verpflichten im Falle einer Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit zusätzlich zum krankschreibenden Arzt auch den Betriebsarzt aufsuchen muss. Außerdem entbindet er mit der Unterschrift des Arbeitsvertrages diesen Betriebsarzt von der Schweigepflicht.
Für Herrn Freudig hat sich die Freude an der neuen Arbeit ein wenig gelegt. Denn er vertraut sowieso nicht gerne Ärzten und außer zu seinem Hausarzt, den er schon Jahrzehnte kennt, hat er keinen Arzt in den letzten Jahren aufgesucht. Er hat dann, als er das gelesen hat, seinen Chef angerufen und nachgefragt und der meinte, dass er gute Erfahrung damit gemacht hat und die Mitarbeiter, wenn sie wirklich krank sind auch nichts gegen einen Betriebsarzt haben und zu dem auch dort hingehen. Ansonsten muss man sich eben nicht krank schreiben lassen.
Was Herr Freudig aber nicht versteht ist, dass ja in Deutschland eigentlich eine freie Arztwahl besteht und der Chef auch nicht wissen muss, warum man krank geschrieben ist. Was also soll ein Betriebsarzt da ausrichten? Ist das rechtens, auch wenn er den Vertrag unterschrieben hat? Er hatte auch keine große Wahl, weil er die Arbeit braucht und man kann jetzt sagen "Pech gehabt" und er hätte sich das erst durchlesen sollen. Aber wenn er nicht unterschrieben hätte, hätte er die Arbeit nicht bekommen.
Ist so eine Klausel im Vertrag rechtens? Wie würdet ihr euch verhalten? Würdet ihr zum Betriebsarzt gehen, wenn ihr zum Beispiel wegen einem Infekt krank geschrieben werden würdet? Oder würdet ihr euch da wehren? Was würdet ihr Herrn Freudig raten?
Leider kann ich keine rechtliche einwandfreie Antwort dazu geben, ob es erlaubt ist, dass der behandelnde Arzt dem Arbeitgeber entsprechend mitteilt, wieso der Arbeitnehmer erkrankt ist. Schön fände ich es nicht und grade bei intimen Sachen, die doch ein wenig peinlich sein können, würde ich nicht wollen, wenn mein Arbeitgeber weiß, wieso ich krank geschrieben bin. Ich glaube, wenn man sich zum Beispiel eine Geschlechtskrankheit einfängt, würde man nicht wollen, dass der Arbeitgeber davon weiß.
Jedoch hätte ich prinzipiell kein Problem damit zum Betriebsarzt zu gehen. Ich kenne viele Ärzte und habe schon oft davon gehört, dass Krankschreibungen auch leichtfertig raus gegeben werden. Viele Arbeitnehmer holen sich dann ab und zu mal einen gelben Schein, wenn sie keine Lust haben zu arbeiten und der Arzt gibt diesen auch willig raus ohne groß zu untersuchen. So was möchte der Arbeitgeber vielleicht durch den Betriebsarzt vorbeugen, da dieser nur bei wirklicher Krankheit krank schreibt.
Ich selbst hätte wie gesagt kein Problem damit zum Betriebsarzt zu gehen, aber damit, wenn alle meine Krankheiten offen gelegt werden. Meist sagt man dem Arbeitgeber sowieso, womit man krank geschrieben ist - zum Beispiel weil man sich was gebrochen hat - aber ich möchte es immer noch selbst entscheiden dürfen. Vielleicht kann Herr Freudig die Arbeit ja vorübergehend annehmen und währenddessen die Augen nach etwas Besserem offen halten.
Dass man im Krankheitsfall auch zum Betriebsarzt müsste, kenne ich so zwar nicht, aber so wirklich stören würde mich das auch nicht. Womit ich eher ein Problem habe ist, dass man in diesem Fall automatisch durch die Vertragsunterzeichnung den Betriebsarzt von der Schweigepflicht entbunden hat und man es als Arbeitnehmer erst hinterher herausfindet und man vorher gar nicht ausreichend darüber aufgeklärt worden ist. Damit wäre für mich das Vertrauensverhältnis hinüber und ich würde den Job zwar machen, aber heimlich nach einer besseren Stelle Ausschau halten.
Diamante hat geschrieben:Zuhause angekommen hat er sich den Arbeitsvertrag erst mal komplett richtig durchgelesen. Manche Sachen, wie Lohn und Arbeitsstunden wurden vor Ort beim Chef geklärt. Aber in einem Absatz steht im Vertrag, dass die Mitarbeiter sich verpflichten im Falle einer Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit zusätzlich zum krankschreibenden Arzt auch den Betriebsarzt aufsuchen muss. Außerdem entbindet er mit der Unterschrift des Arbeitsvertrages diesen Betriebsarzt von der Schweigepflicht.
Ich werde nie verstehen, warum man etwas unterschreibt ohne es vorher in Ruhe zu lesen und dann im Nachhinein immer das Geschrei groß ist, das dort etwas nicht stimmt, man etwas übersehen hat oder wie auch immer. Warum verlässt man sich bei so etwas wichtigem darauf, das der Arbeitgeber einem alles erklärt? Natürlich macht er das nicht, muss er auch nicht, sondern der Arbeitnehmer ist in der Pflicht alles genau durchzulesen und bei Fragen vor der Unterschrift diese zu klären und nicht, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.
Grundsätzlich ist es eigentlich so, das der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat durch den Betriebsarzt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung überprüfen zu lassen. Betriebsärzte haben eigentlich lediglich arbeitsmedizinische Untersuchungen vorzunehmen oder auch in Sicherheitsfragen zu beraten. Sie sind nicht dazu gedacht, die Diagnosen niedergelassener Ärzte zu überprüfen.
Das kann in Ausnahmefällen durchaus mal geschehen, aber dann geht es häufig eher um Wiedereingliederungen nach langen Krankheiten, wo der Betriebsarzt unterstützend, auch zum Wohle des Arbeitnehmers einbezogen wird. Zudem sind Betriebsärzte auch gegenüber dem Arbeitgeber an die Schweigepflicht gebunden und ein Arbeitnehmer ist eigentlich auch nicht gezwungen den Betriebsarzt hiervor zu befreien.
Ehrlich gesagt finde ich diesen Fall schon so speziell, das ich das ganze tatsächlich zu einem Arbeitsrechteanwalt geben würde, um zu prüfen, ob diese Klausel überhaupt gültig ist. Mein Sachverstand sagt mir, das diese Klausel so nicht gültig ist, sowohl was den Besuch beim Betriebsarzt zur Prüfung als auch die pauschale Entbindung der Schweigepflicht angeht.
Blöd ist halt nur, das egal wie man sich jetzt verhält die Kündigung dann wohl winkt und das jetzt dann auch noch die Konsequenz hat, das es wohl als selbstverschuldete Kündigung gewertet wird.
Täubchen hat geschrieben:Womit ich eher ein Problem habe ist, dass man in diesem Fall automatisch durch die Vertragsunterzeichnung den Betriebsarzt von der Schweigepflicht entbunden hat und man es als Arbeitnehmer erst hinterher herausfindet und man vorher gar nicht ausreichend darüber aufgeklärt worden ist.
Warum muss man jemanden aufklären, der des Lesens mächtig ist, sich aber nicht die Zeit nimmt alles in Ruhe zu lesen, sondern sofort seine Kreuzchen macht?
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