Deprimierte Person meiden, um sich selbst zu schützen?

vom 27.01.2018, 18:12 Uhr

Meine Oma muss morgen in die Klinik und ist schon sehr aufgeregt und auch wirklich schlechter Stimmung. Sie leidet die letzten Monate oft unter depressiven Verstimmungen. Nun wollte ich meine Oma heute noch anrufen, um ihr Mut zu machen und ihr ein paar positive Gedanken zu schicken.

Meine Cousine schrieb mir aber und meinte, dass ich unsere Oma heute besser nicht anrufen sollte. Da diese so Schwarz sehen würde, dass sie mich sicherlich ebenfalls mit runterziehen würde. Ich denke aber, dass ich das schon aushalten werden und will deswegen nicht darauf verzichten, meine Oma anzurufen.

Könnt ihr verstehen, dass jemand den Kontakt zu einer deprimierten Person meidet, um sich selbst zu schützen? Habt ihr das schon so gemacht? Oder würdet ihr das durchaus in Erwägung ziehen? Meint ihr, dass man nicht trotzdem den Kontakt suchen und der Person etwas Mut zu sprechen sollte oder anbieten, für sie da zu sein?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Du schreibst ja selbst, dass deine Großmutter seit einigen Monaten in schlechter Stimmung ist. Da finde ich es wichtig, dass man die Person nicht sofort abschreibt und vergisst, sondern sich weiter um die gemeinsame Beziehung zueinander kümmert. Anders ist es, wenn jemand wirklich jahrelang seine Mitmenschen mit seiner schlechten Laune terrorisiert. Da kann man den Kontakt durchaus schon einschlafen lassen oder abbrechen.

Aber ich finde, dass das eigentlich auch zum Leben gehört. Man muss sich nicht ständig mit der schlechten Laune von anderen Menschen auseinandersetzen, aber man muss das auch mal ein wenig aushalten können. Heute wurde ich beispielsweise wieder von einer Heulsuse angequatscht, aber das hat meine gute Laune nicht im geringsten verändert. Damit möchte ich nicht rücksichtslos, egoistisch oder unsensibel wirken, aber irgendwie muss man auch überleben.

Ich denke, dass man die Stimmung der Großeltern durchaus mal mit einem Anruf oder einem Besuch heben kann. Deswegen finde ich deinen Gedankengang nicht falsch. Meiner Meinung nach solltest du anrufen, denn vielleicht bereust du es, wenn du dich von der Meinung deiner Cousine abhalten lässt. Außerdem lese ich auch heraus, dass du dir den Kontakt zu deiner Großmutter auch wünscht, weswegen du dich nicht zurückhalten musst.

Könnt ihr verstehen, dass jemand den Kontakt zu einer deprimierten Person meidet, um sich selbst zu schützen? Habt ihr das schon so gemacht? Oder würdet ihr das durchaus in Erwägung ziehen? Meint ihr, dass man nicht trotzdem den Kontakt suchen und der Person etwas Mut zu sprechen sollte oder anbieten, für sie da zu sein?

Ja, ich kann das schon verstehen. Vor allem wenn es einem selbst nicht gut geht, sollte man eher auf sich selbst achten, anstatt sich für andere Menschen kaputt zu machen.

Wenn jemand wirklich depressiv und psychisch krank sind, da helfen ein paar warme Worte leider auch nicht. Da macht es keinen Unterschied, ob man zu der Person Kontakt hält oder nicht, das Verhalten wird sich nicht großartig ändern. Deswegen denke ich, dass man sich selbst nicht eine zu große Verantwortung für die Laune anderer Menschen übernehmen sollte.

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» soulofsorrow » Beiträge: 9232 » Talkpoints: 24,53 » Auszeichnung für 9000 Beiträge


Jeder hat mal schlechte Phasen und ich bin mir sicher, dass es dann nicht besonders hilfreich ist, wenn einen alle nur als negativ eingestellt sehen und einen meiden, sondern auch mal eine Hilfe sind und einem beistehen. Ich finde es schon wichtig, dass man auch in negativen Phasen Leute hat, die hinter einem stehen und denen kann man dann in schlechten Phasen eben auch beistehen.

Ich würde es schlimm finden, wenn man gegen das Bauchgefühl agiert. Natürlich sollte eine depressive Person vielleicht ein bisschen eher aufpassen, aber wenn man normal drauf ist und gerade ein normales Gefühl hat, kann man ruhig eine Stütze sein.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge



Vor dem Anruf aus diesem Beispiel würde ich nur absehen, wenn beide sich gegenseitig total verrückt machen und solche Dynamiken gibt es ja. Hinterher sind beide Parteien ganz jeck geworden und niemandem ist geholfen. Das passiert aber meist mehr bei Menschen, die eine sehr enge und symbiotische Beziehung haben. Ich glaube nicht, dass ein Anruf bei der Oma jetzt wirklich so schlimme Auswirkungen haben wird.

Ansonsten, wenn man es generell meint, gibt es auf alle Fälle im Umgang mit Depressiven und sonstigen psychisch kranken Leuten Grenzen, sonst läuft man Gefahr komplett assimiliert und ausgesaugt zu werden. Da kann man dann auch reden soviel wie man will und sein gesamtes Arsenal auffahren, es bringt doch nichts. Wenn man nicht aufpasst und das jeden Tag mitmacht, dann läuft man Gefahr irgendwann selbst auszubrennen. Dafür haben Therapeuten ja auch Supervision.

» Verbena » Beiträge: 4979 » Talkpoints: 3,27 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



In meinen Augen wurde der Schwerpunkt dieses Themas falsch gewählt. Es geht die ganze Zeit darum, was Nelchen möchte und was sie sich wünscht und was sie tun sollte. Was ist mit der anderen Seite, mit der Oma?

In depressiven Phasen neigt man auch mal zu Isolationsphasen, man möchte alleine sein und alles verarbeiten und seine Ruhe haben. Da die eigene Gesellschaft aufzuzwingen, weil man meint, dem Betroffenen damit zu helfen finde ich selten dämlich und total unpassend. Frag die Oma doch einfach, was sie sich wünscht, was sie braucht und was sie möchte und zwinge ihr nicht deinen Willen auf.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich persönlich denke jetzt einfach mal, dass deine Cousine nicht nur deine bzw. eure Oma gut kennt, sondern auch dich. Und deine Cousine hat sich bestimmt auch was dabei gedacht, dass sie dich davor schützen will. Denn du scheinst ja auch ein wenig labil zu sein, was die Psyche betrifft. Sonst hätte deine Cousine nicht so darauf bestanden, dass du nicht dort anrufst.

Ich muss sagen, dass ich an deiner Stelle warten würde, bis sich deine Oma bei dir meldet. Aus dem Krankenhaus heraus kann sie, auch wenn sie in diese Kammer kommt, wo sie diese radioaktive Kapsel schlucken muss, anrufen. Das ist ihr ja nicht verboten. Sie darf nur keinen Besuch bekommen. Und da wird sie sich schon melden.

Komisch finde ich, wenn sie wirklich so depressiv verstimmt ist, dass sie dann überhaupt diese Untersuchung machen darf, ohne dass ein Psychologe erst mal über sie schaut und das OK gibt. Sie braucht, wenn es so schlimm ist auf jeden Fall auch psychologischen Beistand. Ein naher Verwandter kann da nur alles noch schlimmer machen. Sobald deine Oma dich am Telefon hört, wird sie noch mehr heruntergezogen und mit ihr dann auch du. Ich denke, dass deine Cousine schon weiß, warum sie dir abrät dort anzurufen.

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


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