Unselbstständigkeit mit Eintritt der Volljährigkeit normal?

vom 18.01.2018, 14:17 Uhr

Wenn ich sehe, was man mit 18 doch alles darf, wie alleine Auto fahren, wenn man den Führerschein hat, Geschäfte selbstständig abschließen ohne Einschränkung, freie Entscheidung in allen Sachen, weil man ja volljährig ist und im Gegensatz dann dazu sehe, wie unselbstständig doch einige sind, die gerade volljährig sind, dann frage ich mich, ob Unselbstständigkeit im Alter von 18 Jahren heutzutage normal ist.

Nehmen wir nur mal ein Beispiel aus meinem Bekanntenkreis. Der Junge ist fast 19 Jahre alt. Er sucht seit einiger zeit einen Ausbildungsplatz und hat nun auch ein Vorstellungsgespräch ca. 120 Kilometer entfernt. Er will nicht alleine mit dem Zug fahren und auch nicht mit dem Auto. Den Führerschein hat er schon seit 17 und darf schon einige Zeit alleine fahren. Er will aber nicht, weil er unsicher ist, was ihn dort in der fremden Stadt erwartet. Die Mutter hat sich nun einen Urlaubstag genommen und fährt ihn dort hin. Natürlich muss er aber alleine zum Vorstellungsgespräch.

Dann habe ich noch ein Beispiel. Die Tochter einer Bekannten möchte, wenn sie im Sommer ihr Abitur in der Tasche hat, gerne studieren. Aber schon die Besichtigung der Uni will sie nicht alleine machen. Zumal die Uni auch 150 km entfernt ist. Ein Zug fährt dahin, aber das Mädchen überlegt dort doch nicht studieren zu wollen, weil sie dann entweder immer fahren müsste, was sie alleine nicht will und eine Wohnung im Uni-Ort ist auch nicht das Wahre, weil sie dann selbstständig leben müsste. Sie würde am liebsten im gleichen Ort studieren, aber da gibt es dieses Studienfach nicht.

Ich habe eigentlich selten so unselbstständige Volljährige gesehen. Ich frage mich dann schon, wie man so unselbstständig sein kann. Meine Kinder sind schon mit 10 alleine mit dem Linienbus zur Schule gefahren. Sie sind mit 12 und 14 Jahren alleine in einer fremden Stadt mit dem Bus gefahren. Meine Tochter ist mit 18 ausgezogen und hat alles alleine organisiert und gemacht.

Ist es denn heutzutage eher normal, dass man mit Eintritt der Volljährigkeit noch nicht so ganz selbstständig ist? Was habt ihr mit 18 schon alles alleine managen müssen? Wurde euch von euren Eltern noch einiges abgenommen oder habt ihr alles alleine machen müssen? Konntet ihr von euch sagen, dass ihr mit 18 wirklich selbstständig wart. weil ihr schon früh darauf vorbereitet wurdet?

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» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge



Das liegt aber auch viel an den Eltern, die einfach nicht loslassen können. Meine Eltern haben sich auch lange in alles eingemischt, mir wenig gezeigt und so weiter. Dennoch wäre ich auch alleine gefahren oder hätte meine Termine wahrgenommen, denn wie will man es denn lernen, wenn man es nicht versucht? Ich denke, dass viele Eltern ihre Kinder zu solchen unselbstständigen Menschen machen, damit sie nicht weggehen, nicht ihr eigenes Leben führen und das ist gefühlt schon schlimmer geworden, warum auch immer.

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» Ramones » Beiträge: 47746 » Talkpoints: 6,02 » Auszeichnung für 47000 Beiträge


Ich kann mir auch vorstellen, dass das auf jeden Fall mit an den Eltern liegt, die ihre Kinder eben nicht oder nicht richtig zur Selbstständigkeit erzogen haben. Es ist eben wichtig, das Kind darauf vorzubereiten, dass man als Eltern nicht immer alles für das Kind machen kann, sondern dass es eben anders ist, wenn man erwachsen wird.

Ich muss zugeben, dass ich mich manchmal auch schwergetan habe, Dinge alleine anzupacken, was aber nicht unbedingt an mangelnder Selbstständigkeit lag, sondern vielmehr an zu großer Schüchternheit. Meine Eltern haben mich auf jeden Fall zur Selbstständigkeit erzogen und ich finde das auch wichtig, dass man mit 18 in der Lage ist, auch mal alleine mit dem Zug zu einem Vorstellungsgespräch zu fahren und solche Dinge.

Ob es mittlerweile allgemein so ist, dass die Jugendlichen unselbstständiger werden, das weiß ich nicht. Aber ich habe schon einige Dinge von den Helikopter-Eltern gelesen, die mir wirklich die Haare zu Berge stehen ließen. Bei solchen Eltern ist es natürlich gar kein Wunder, wenn die Kinder nicht selbstständig werden können.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge



Wundert dich das wirklich? Ich meine, schau dir doch an, wie viele Eltern ihre Kinder heute regelrecht erdrücken mit ihrer Aufmerksamkeit. Von einer Freundin höre ich regelmäßig Geschichten von potentiellen Studenten, die mit ihren Eltern kommen um sich die Uni anzuschauen. Das wäre mir im Traum nicht eingefallen und vor allem wäre meinen Eltern nicht eingefallen mit dort hin zu begleiten. Mein Vater hat mich einmal zu einem Aufnahmeverfahren gefahren, aber nur weil er in der Stadt Freunde hatte, die er mal wieder besuchen wollte.

Und es gibt nicht nur erwachsene Menschen, die mit Mama und Papa zum Tag der offenen Tür erscheinen, die dann die Mitarbeiter der Uni ausfragen, während das Kind daneben steht und das anscheinend kein bisschen peinlich findet. Es gibt tatsächlich auch Muttis, die bei Dozenten anrufen und erklärt bekommen wollen, warum die Semesterarbeit vom Söhnchen denn nicht besser bewertet worden ist.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge



Leider ist das heutzutage wirklich normal. Wir haben bei uns in der Firma häufig mit Praktikanten oder Schulabgängern zu tun, die nicht mal den Geschirrspüler selbstständig einschalten können. Man muss immer hintennach sein und sie an alles erinnern. Es fehlt oftmals auch vollkommen das Pflichtbewusstsein. Sie haben nicht mal das Gefühl sich bemühen zu müssen, weil immer ein anderer Kollege dann ihre Aufgaben kontrolliert damit ja nichts daneben geht. Das einzige, dass tadellos hinhaut ist ständig am Smartphone zu hängen und die nächste Partytour für das Wochenende zu planen.

Das liegt meiner Meinung nach vor allem an den Eltern. Den Kindern wurde noch nie so viel Vertrauen geschenkt, dass sie Dinge auch allein schaffen können. Mama oder Papa waren immer mit dabei und haben ihr Kind beschützt. Auf einmal dann ganz ohne Eltern da zu stehen ist für viele ein ziemlicher Schock. Plötzlich sollen sie alleine in der Arbeitswelt Fuß fassen oder wichtige Entscheidungen für ihr Leben treffen und sind bereits schon mit banalen Dingen völlig überfordert.

Ich kenne ebenfalls einen jungen Mann im Alter von 20 Jahren, der noch jeden morgen von Mama geweckt werden muss damit er rechtzeitig zur Arbeit kommt. Wenn ihn auf seinem Handy eine ihm unbekannte Nummer anruft hebt er nicht ab. Für seine Mama ist das völlig normal, wie kommt er auch dazu, dass er bei einer fremden Person ans Telefon geht. Auch Arzttermine werden noch immer von Mama vereinbart. Ich finde dieses Verhalten wirklich abnormal. Er muss auch sonst zu Hause nirgends zur Hand gehen. Üblicherweise wird am Wochenende bis zu Mittag geschlafen und am Nachmittag am PC gezockt bis spät in die Nacht.

Wie soll man den normalen Alltag meistern, wenn man nie mit den alltäglichen Herausforderungen und Aufgaben, die man als normaler Erwachsener hat, konfrontiert wird? Ich habe mir nur fest vorgenommen, dass ich meinen Sohn auf keinen Fall zu einem unfähigen Erwachsenen machen möchte. Ich hoffe, dass ich in ein paar Jahren sagen kann, dass mir das auch gelungen ist.

» Birdy93 » Beiträge: 767 » Talkpoints: 10,23 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Ich denke auch, dass die Erziehung da schon eine große Rolle spielt. Ich habe immer weiter weg von der Stadt gewohnt und ab Mittags fuhr auch kein Bus mehr. Da wurde ich dann auch meist von meinen Eltern gefahren, aber als ich alt genug war, bin ich dann immer selbst mit dem Fahrrad gefahren, wenn ich irgendwohin wollte. Ich denke, dass viele Jugendliche da trotz Volljährigkeit einfach zu bequem sind und Mutti oder Vati das schon richten werden.

Gut, bei weiten Strecken kann ich schon verstehen, dass man diese vielleicht nicht alleine fahren möchte. Aber ansonsten denke ich, dass man schon ein gewisses Maß an Selbstständigkeit haben sollte. Man muss ja nun direkt mit 18 aus dem Elternhaus ausziehen, aber doch sollte man das ein oder andere selbst hinbekommen.

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge


Cloudy24 hat geschrieben:Von einer Freundin höre ich regelmäßig Geschichten von potentiellen Studenten, die mit ihren Eltern kommen um sich die Uni anzuschauen.

Das ist leider keine urbane Legende, sondern tatsächlich Realität. Als ich mich damals frisch immatrikulieren wollte, habe ich auch diverse Söhne und Töchter gesehen, die mit Mutti oder Vati zusammen zur Immatrikulation gegangen sind. Ich bin damals die 200 km bis zur Uni ganz alleine gefahren und habe die Eltern zu Hause gelassen. Die hätten doch eh nicht helfen können, also wozu mitnehmen? Auch die Erkundigungen wegen der Bahn und das Kaufen der richtigen Tickets habe ich alleine übernommen, genauso die Wohnungssuche im neuen Wohnort.

Dass ich bei so viel eigener Selbstständigkeit dann tatsächlich Mitstudenten sehe, die sich von den Eltern begleiten lassen und nicht mal alleine zur Immatrikulation reingehen hat mich schon erstaunt. Den Spross vielleicht selbst hinzufahren ist eine Sache, aber dann in jedes Büro mit reinzugehen, als ob der Sprössling ansonsten überfordert wäre, ist doch auch nicht das Wahre.

Nelchen hat geschrieben:Gut, bei weiten Strecken kann ich schon verstehen, dass man diese vielleicht nicht alleine fahren möchte. Aber ansonsten denke ich, dass man schon ein gewisses Maß an Selbstständigkeit haben sollte.

Wie jetzt? Nur weil man keine Lust auf bestimmte Sachen hat, muss man nicht selbstständig sein, wenn man nicht möchte oder wie? Was für eine bescheuerte Aussage ist das denn? Ich habe auch nicht immer Lust, die Toilette zu putzen, das Auto zu waschen oder Kartoffeln zu schälen, aber das sind Arbeiten, die müssen erledigt werden, wenn man nicht verhungern oder total verdrecken möchte.

Auch finde ich es albern, dass man sich als angehender Student dann angeblich nicht traut weitere Strecken bis zur Uni zu fahren. Warum sucht man diese Uni dann überhaupt aus? Dann hätte man ja auch eine Uni aussuchen können, die in der Nähe des Elternhauses ist, damit man nicht ausziehen muss. Jede Entscheidung hat entsprechende Konsequenzen und wenn man sich entschließt, weiter weg studieren zu wollen, dann sollte man auch den Mumm haben, selbstständig die Hinfahrt und Immatrikulation sowie den neuen Wohnort zu organisieren, egal ob man will oder nicht. Das Leben ist kein Ponyhof und auch kein Wunschkonzert und wir müssen alle Mal Sachen tun, auf die wir keine Lust haben oder die wir uns am Anfang vielleicht sogar nicht zutrauen, aber das gehört zum Erwachsenwerden nunmal dazu.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



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