Kann Perfektionismus schnell zur Stressquelle werden?

vom 09.01.2018, 17:47 Uhr

Vor allem Frauen sollen hohe Ansprüche an sich selbst haben. Das kann durchaus sicherlich zu Stress führen. Laut einer Umfrage einer Krankenkasse, ist Perfektionismus für 48 Prozent der Frauen auf Platz 1.

Ich merke bei mir selbst auch oft, dass ich recht perfektionistisch eingestellt bin und nicht zufrieden bin, wenn es nicht 100% gut geworden ist. Ich bin dann unzufrieden und stresse mich auch durchaus selbst damit, dass ich meine Ansprüche an mich und meine Arbeit sehr hoch schraube.

Meint ihr auch, dass Perfektionismus schnell zur Stressquelle werden kann? Habt ihr da selbst schon Erfahrungen gemacht? Meint ihr, dass es wirklich vor allem Frauen so geht, dass diese die Ansprüche an sich selbst doch sehr hoch legen?

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» Nelchen » Beiträge: 32238 » Talkpoints: -0,25 » Auszeichnung für 32000 Beiträge



Mein Perfektionismus war definitiv immer der Hautstresserzeuger. Ich musste immer alles absolut perfekt erledigen und habe dann natürlich Dinge nicht akzeptieren können, die nicht perfekt waren. Somit habe ich auch viel Zeit für die Arbeit noch privat investiert, da ich es immer noch besser haben wollte. So ging es mir dann meistens in der Schule auch, bis zum Abschluss meiner Ausbildung. Als ich dann angegangen habe zu arbeiten, wollte ich natürlich keine Fehler machen. Somit habe ich Projekte kleinschrittig geplant und auch alle Angebote perfektioniert.

Das hat mich wie gesagt sehr viel Zeit gekostet und ich habe andauernd darüber nachdenken müssen, warum andere mit allem so nachlässig umgehen können. Aber auch bei mir gab es dann natürlich Situationen, die anders liefen als sie geplant waren und ich spontan umbauen musste. Mit der Zeit habe ich dann gemerkt, dass man nicht alles planen muss und dass meine 80% für andere längst schon 100% dargestellt haben.

Nun sehe ich endlich alles ein bisschen entspannter. Ich hatte einen Kollegen, der seine Aufgaben immer liegen lassen hat und wusste, dass ich sie dann übernehmen werde. Ich habe dann für mich entschieden, dass ich meine Aufgaben erledige, aber nicht immer alles für andere nacharbeiten muss, nur damit das To Do Buch fertig gestellt ist. Er sagte mir dann auch, dass ich doch sonst immer alles mache und schaffe. Als Antwort erhielt er dann von mir, dass das auch meine Absicht war und ich aber nicht alles für ihn erledigen muss. Seitdem fühlt er sich für seine Aufgaben auch eher verantwortlich.

Ich für meinen Teil plane immer noch gern alles, aber nicht mehr extrem perfekt und mache das, was auch in meine Arbeitszeit passt. Natürlich macht man auch noch etwas zu Hause, aber alles ist mittlerweile viel entspannter seitdem ich alles nicht mehr so verbissen sehe und alles immer sofort schaffen will. Ich setzte mir einfach kleinere Ziele und schaffe dann auch immer mehr als geplant. Somit ist der Tag dann trotzdem perfekt, nur mit einem viel geringerem Stresslevel und ich muss mir nicht mehr so viele Gedanken machen.

Jeder sollte für sich ein gesundes Maß finden, bei dem er nicht so viel Stress hat. Ich habe bei mir gemerkt, dass es mir irgendwann auch körperlich geschadet hat und ich immer schlechter schlafen konnte, weil in meinem Kopf noch so viele Dinge zu erledigen waren. Nun plane ich nur noch Ausflüge und alles andere gehe ich locker an. Natürlich gibt es auch mal stressige Tage, da sehr viel zu tun ist, aber ich bin nun viel strukturierter und mit einem passenden Plan gelingen auch die geforderten Aufgaben. Lieber zwischendurch einmal mehr tief durchatmen, als alles noch zehn Mal zu überarbeiten.

» Ela123 » Beiträge: 872 » Talkpoints: 5,39 » Auszeichnung für 500 Beiträge


Liegt das nicht auf der Hand? Gerade, wenn die persönlichen Ansprüche überzogen und unrealistisch perfektionistisch sind, ist es doch klar, dass man sich nur unnötigen Stress macht und sich selbst damit eher schadet als nützt. Ich habe in dieser Hinsicht auch schon an mir gearbeitet und befinde mich in einem Prozess der "Verbesserung" und reduziere meine unrealistischen perfektionistischen Erwartungen an mich selbst.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Mir leuchtet beides ein. Dass Perfektionismus zu Stress führt, und dass vor allem Frauen unter überzogenen Ansprüchen an sich selbst leiden. In meinen Augen ist das auch durch die Erziehung und unsere Gesellschaft bedingt - in meiner Kindheit waren Lehrer und Eltern bei den Buben im Großen und Ganzen schon froh, wenn diese zwischen Fußball Spielen und sich Raufen noch ein bisschen Hausaufgaben untergekriegt haben, während man als Mädchen schon etwas leisten musste, um Lob und Anerkennung zu bekommen, wonach sich natürlich jeder sehnt.

Und diese Ansprüche an uns selber: "Ich bin erst dann ein wertvoller Mensch, wenn ich 15 Arbeitsstunden in die Schultüte meines Sohnes stecke, regelmäßig Sport mache, mir die Augenbrauen zupfe, mein Brot selber backe, auf dem Balkon Erdbeeren anbaue und jeden Morgen den Frühstückstisch mit Servietten decke" :wink: haben viele von uns verinnerlicht und und schaffen es bis weit ins Erwachsenenalter hin nicht, sich von dieser Vorstellung zu lösen, weil wir sonst Schuldgefühle bekommen. Und die können sehr stark sein und die Lebensqualität mehr beeinträchtigen, als wenn man den bescheuerten Kuchen für den Kindergeburtstag eben selber bäckt.

Außerdem profitiert unser Umfeld meiner Meinung nach oft in erkennbarem Maße davon, dass wir Frauen uns abrackern, um jedem alles recht zu machen, sodass Perfektionismus eher gefördert und unterstützt wird ("Sie machen doch wieder die Deko für die Betriebsfeier, Frau Gerbera? Sie können das so toll, auf den Herrn Birkenstock ist da einfach kein Verlass! Der nimmt beige Servietten!") als Schlendrian und Entspannung, weil die Arbeit ja sonst liegenbleiben bzw. jemand anderem aufgehalst werden würde. Da würde die Welt zwar auch nicht untergehen, aber so ist es in jedem Fall bequemer.

» Gerbera » Beiträge: 11335 » Talkpoints: 53,75 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Perfektionismus ist nichts anderes als ein sogenannter "Stressor". Egal ob bei der Arbeit oder in der Freizeit kann dieser Stressor mit gewisser Wahrscheinlichkeit zum Stress werden. Das ist aber menschenspezifisch. Aber meiner Meinung nach ist die Wahrscheinlichkeit echt hoch. Gerade wenn man sehr auf die Perfektion achtet, obwohl man ganz genau weiß dass man nicht die Fertigkeiten und Fähigkeiten besitzt die eine oder andere Sache perfekt zu vollenden. :idea:

» White42 » Beiträge: 26 » Talkpoints: 5,40 »


Ich dachte du arbeitest nicht, woher kommt dann dein Stress bei der Arbeit? Bei meiner Arbeit ist ein gewisses Maß an Perfektionismus jedenfalls schon wichtig. Wenn man nicht den Anspruch hat das perfekte Ergebnis abzuliefern kann man eigentlich direkt das Feld räumen und wenn man das als zu "stressig" empfindet macht man besser auch etwas anderes.

Das einzige was ich wirklich lernen musste war den Punkt zu erkennen an dem meine Arbeit perfekt ist. Also der Punkt, an dem eine vermeintliche Verbesserung nicht mehr zu einem objektiv besseren Ergebnis führen würde. Das hat aber viel mit Erfahrung zu tun und sicher nichts damit, dass ich eine Frau bin. Viele Kollegen in meinem Feld sind männlich und haben die gleichen Erfahrungen gemacht.

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» Cloudy24 » Beiträge: 27476 » Talkpoints: 0,60 » Auszeichnung für 27000 Beiträge


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