Übergewichtigen Menschen keine Selbstdisziplin unterstellen?

Ein Freund meinte mal in einem Gespräch, dass übergewichtige Menschen allgemein keine Selbstdisziplin hätten. Zumindest Menschen, die selbst unzufrieden mit ihrem Übergewicht seien hätten keine Selbstdisziplin um abzunehmen, wobei er das auch noch auf andere Lebensbereiche bezog. Er meinte, dass solche Menschen sicherlich auch vieles schleifen lassen würden, was sie sich vorgenommen hätten, wenn es denn schon nicht klappen würde, sich vom vielen Essen abzuhalten.

Er meinte dabei nun keine Menschen, die aufgrund von Krankheiten übergewichtig sind und auch nicht solche, die zufrieden mit sich und ihrer Figur sind, sondern nur solche, die es über Jahre einfach nicht schaffen abzunehmen, obwohl sie es eigentlich wollen. Würdet ihr sagen, dass diese Menschen allgemein in allen Lebensbereichen viel undisziplinierter und daher vielleicht auch weniger erfolgreich sind als andere?

Verallgemeinern kann man das sicher nicht. Ich habe zum Beispiel mindestens fünf ernsthafte Versuche unternommen mit dem Rauchen aufzuhören bevor ich es endlich geschafft habe. Ich habe in meiner Zeit als Raucherin studiert und nebenher gearbeitet und ohne Disziplin wäre das nicht möglich gewesen, weil mein Studium auch praktische Teile beinhaltet hat, für die man schon mal bis spät Abends und am Wochenende in der Uni war.

Ich kenne allerdings Geschichten von ehemals dicken Menschen, die meinten, dass sie abgenommen haben nachdem sie es endlich geschafft haben andere Dinge in ihrem Leben auf die Reihe zu bekommen. Eine Bekannte hat sich zum Beispiel aus einer ungesunden Beziehung befreit und hatte dann wieder die Motivation gefunden sich um sich selber zu kümmern.

Ich kann mir schon vorstellen, dass das auf manche Menschen so auch zutrifft, aber verallgemeinern würde ich das nicht. Nur weil man es nicht schafft abzunehmen, auch wenn man das möchte, muss das für mich nicht heißen, dass man auch keinen guten Job bekommt oder ähnliches, wofür man eine gute Disziplin braucht.

Vielleicht wird dann dem Thema um das Abnehmen doch nicht ganz so viel Bedeutung beigemessen oder die Person wird eben doch immer schwach, wenn es um gutes Essen geht, hat aber in anderen Lebensbereichen schon viel Disziplin. Darum würde ich nie so weit gehen und sagen, dass übergewichtige Menschen keine Selbstdisziplin haben.

Oft unterstellen wir unseren Mitmenschen Schwächen und Charakterfehler, die wir an uns selber nicht wahrhaben können oder wollen. Das nennt man Projektion, aber das nur nebenbei. Ich selber gehe bei dicken Menschen davon aus, dass diese Leute, wie viele von uns, standardmäßig mehr Kalorien zu sich nehmen, als sie verbrennen.

Warum, wieso, weshalb, und welche Eigenschaften und Erfahrungen sie dazu bringen, ist mir eigentlich egal, wenn ich ehrlich bin. So sehr interessiert mich das Innenleben meiner Mitmenschen nicht, und ich sehe auch keinen Sinn darin, immer gleich vom Schlechtmöglichsten auszugehen und über irgendwelche Mitmenschen harte Charakterurteile zu fällen, nur weil sie Speck auf den Hüften haben. Es gibt auch dünne Arschgeigen und athletische Sackgesichter.

Ich bin selber nicht dünn, und ich kann mir vorstellen, dass es wie für alle anderen Eigenheiten des Menschen auch hier unzählige Gründe gibt, die bei Weitem nicht alle darauf zurück zu führen sind, dass die Leute einfach nicht genügend Charakterstärke zu haben, um das Essen weitgehend aufzugeben und dafür schlank, schmal und schön zu sein. Das können erlernte Kindheitsmuster sein (Hallo, Oma!), Bewältigungsstrategien für seelische Probleme, Bewegungsmangel, oder einfach nur eine tiefe Liebe zu Kohlehydraten, wie sie andere Leute vielleicht für ihren erstgeborenen Sohn empfinden. Letzteres ist noch am ehesten mein Problem.

Dazu kommt noch, dass ich von gesellschaftlich aufoktroyierten Schönheitsidealen schon lange nichts mehr halte und lieber meine Beziehung zu Pasta und Thai Curry pflege, als mir Sorgen um meine Oberschenkel zu machen. Dass so mancher Mitmensch mir deswegen alle möglichen charakterlichen Mängel unterstellt und mich im Extremfall sogar für moralisch minderwertig hält, weil ich mich nicht an die Spielregeln halte, ist mir eigentlich auch egal.

Ich sehe das so wie Cloudy und finde, dass man das im Gesamtkontext betrachten sollte. Ich kenne einen übergewichtigen Menschen, der aber sehr viel Disziplin hat, da er erfolgreicher Unternehmer ist und das geht ja schlecht ohne Disziplin. Von nichts kommt nichts, logischerweise.

Ich kenne aber auch einen Fall, wo ich echt keine Selbstdisziplin sehe, in keinerlei Hinsicht. Eine Bekannte von mir ist Hausfrau, geht nicht mal jeden Tag mit den Hunden raus und lässt diese in den Garten, weil sie zu faul ist. Da wird auch nicht jeden Tag geputzt, sondern den ganzen Tag ferngesehen und gejammert. Dann beschwert sie sich andauernd, dass sie abnehmen möchte und zu dick sei, stopft sich aber gleichzeitig jeden Tag mit Süßkram voll und meckert dann, dass sie dadurch noch dicker wird. Zu Sportkursen ist sie zwar angemeldet, geht aber aus Faulheit eher selten hin.

Beruflich hat sie auch nie was auf die Reihe bekommen und gerade so die Ausbildung abgeschlossen, wobei sie aber nie wirklich gearbeitet hat. Angeblich wegen gesundheitlicher Gründe, ich halte das aber für eine Masche um Geld vom Staat zu kassieren. Kinder sind auch keine vorhanden. Also da sehe ich in allen Lebensbereichen keinerlei Selbstdisziplin und sie ist ein sehr sprunghafter Mensch, der heute so denkt, morgen so und übermorgen will sie wieder was anderes. So kann man Ziele aber nicht konsequent verfolgen. Für mich ist das eine gescheiterte Existenz und ich habe nur Mitleid für sie übrig.