Werden Gehörlose in der Gesellschaft vergessen?

vom 17.12.2017, 21:45 Uhr

Ein Kumpel von mir ist gehörlos und arbeitet in einer Einrichtung für gehandicapte Menschen, weil ihn kein anderer Arbeitgeber einstellen wollte. Wohl bemerkt ist er studierter Webdesigner und irgendwas mit Informatiker in Anwendungen oder wie der Berufsstand heißt. Also schon etwas, was man wirklich benötigen kann. Trotzdem schreckten die meisten Arbeitgeber bisher zurück und haben ihn nicht angenommen, sondern abgelehnt.

Mein Kumpel sagt, dass dies ein gesellschaftliches Problem vieler Menschen mit Behinderung ist, aber gerade auch Gehörlose komplett vergessen werden. Sie bekommen noch weniger Unterstützung als andere mit einem Handicap und das bekommt er in seinem Arbeitskreis wohl auch entsprechend mit, wo ihn Berater etc. dann immer helfen müssen, weil sich Gesprächspartner von Krankenkassen bis Jobs doof anstellen, als sei er vollkommen weggetreten.

Er spricht im Übrigen die Gebärdensprache, kann Lippen sehr gut lesen und eben natürlich schreiben. Er war nicht immer gehörlos, sodass er auch reden kann, aber eben nicht mehr hören. Ob es nun um Themen wie Wohnung anmieten, Arbeit bekommen, Alltag & Co geht, ständig steht er vor Problemen und sagt, die Gesellschaft hat es verpasst, sich auch auf diese Art der Behinderung richtig einzustellen.

Ich muss jetzt als Außenstehende sagen, ich sehe viele Bahnübergänge mit Hilfsvorrichtungen für Blinde usw. Durchsagen am Bahnhof hören Gehörlose aber natürlich nicht und teilweise funktionieren die örtlichen LED-Anzeigen auch nicht. Ich kann mir also schon vorstellen, dass er sich gesellschaftlich nicht so richtig abgeholt fühlt.

Welche Beobachtungen macht Ihr beim Thema Gehörlose und Gesellschaft? Findet Ihr, dass es dort zu wenig Hilfe im Alltag von Seiten der Politik, Kommunen und Pflege- sowie Krankenkassen gibt? Oder denkt Ihr, dass es alles so schon seine Richtigkeit hat?

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



Haben Menschen mit Handicap nicht generell ein Problem damit, Arbeit zu finden? Ich habe eine Kollegin, die von Geburt an blind ist und auch wenn sie nur eine Ausbildung absolviert hat, wird ihr Beruf hier sehr stark nachgefragt, sodass immer jemand mit dieser Qualifikation benötigt wird. Trotzdem war sie 3 Jahre lang arbeitslos bevor sie bei uns anfangen durfte. Zur Zeit arbeitet sie nur Teilzeit und der Vertrag läuft nächstes Jahr aus. Sie bangt auch schon, dass sie einen Folgevertrag bekommt, weil sie wieder eine Arbeitslosigkeit von mehreren Jahren fürchtet.

Sie hat einen speziellen Rechner, den nur sie benutzen kann und bekommt ab und an so eine Betreuerin an die Seite gestellt, die helfen soll, dass meine Kollegin mit neuen Situationen und Aufgaben besser zurecht kommt. Auch muss sie immer entsprechende Schulungen machen, wenn es darum geht, den Arbeitsweg sich einzuprägen, was ja auch schwer ist bei dem komplexen Gebäude und dem Anfahrtsweg mit Bus und Bahn. Blindenfreundlich ist bei uns leider auch nicht alles von der Stadtplanung her gesehen.

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Also ich habe nicht das Gefühl das es Gehörlose schwerer in der Gesellschaft als andere Menschen mit einem Handicap. Denn wo dem einen Schilder oder generell etwas schriftliches fehlt weil er nicht hören kann, dort fehlt dem anderen vielleicht die gesprochene Durchsage weil er nicht sehen kann. Ich glaube das es gehandicapte Menschen generell schwer haben in der Jobsuche. An was genau das liegt kann ich natürlich nicht sagen. Vielleicht haben viele Arbeitgeber eine gewisse scheu gegen die Anstellung eines gehandicapten Person. Denn so eine Anstellung ist nicht nur mit (teilweise) mehr Arbeitsaufwand verbunden sondern geht auch mit einer gewissen Verantwortung einher.

Außerdem wird in manchen Berufen so viel von den Arbeitern gefordert das man oft keine Zeit hat sich um gehandicapte Mitarbeiter zu „kümmern“. Das hört sich vielleicht hart an aber wenn wir zum Beispiel bei deinem Freund bleiben. Ich kann mir schon vorstellen das es im Alltag leichter ist einem Kollegen mal schnell etwas zuzurufen als extra zu ihm zu gehen, seine Aufmerksamkeit Erlangen usw. Mag jetzt eine Kleinigkeit sein und dies mag kein Grund sein jemanden nicht einzustellen. Aber es gibt nun mal sich Behinderungen die nicht so leicht in den Arbeitsalltag integrierbar sind.

Eine Freundin von mir kann sich krankheitsbedingt Dinge extrem schlecht merken. Sie braucht viele Wiederholungen bis etwas (wie ein bestimmter Arbeitsablauf) sitzt. Sie hat viele Jahre gebraucht um endlich eine Festanstellung zu bekommen weil viele Arbeitgeber heutzutage einfach keine Zeit haben um solchen Menschen genug Geduld entgegen zu bringen die Sie brauchen.

» Anijenije » Beiträge: 2730 » Talkpoints: 53,02 » Auszeichnung für 2000 Beiträge



Also ich denke, dass Gehörlose genau so wie andere Menschen mit Beeinträchtigungen mehr oder minder vergessen werden. Auffallen tut es meistens erst dann, wenn die nicht Hörenden, wie sie ja neuerdings genannt werden wollen, an etwas scheitern, was die Gesellschaft eben nicht bedacht hat. Also wenn sie in ihrer Beeinträchtigung eben noch mehr beeinträchtigt werden, weil man keine Rücksicht genommen hat.

Wenn jemand nicht gehen kann ist es eben offensichtlicher, als wenn jemand nicht hören oder sehen kann. Deshalb gibt es wahrscheinlich offensichtlicherweise mehr Vorrichtungen und Hilfsmittel für Menschen, die im Gehen eingeschränkt sind, als für Menschen, die im Hören eingeschränkt sind.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



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