Deutsche Esskultur im eigenen Land eher unbeliebt?

vom 18.12.2017, 20:12 Uhr

Neulich habe ich mich mit einem ägyptischen Arbeitskollegen über die deutsche Küche unterhalten. Dieser meinte, dass die meisten Länder ihre landestypischen Spezialitäten hätten die oft noch weit über die Grenze bekannt wären. In Deutschland wäre das nicht so. Er hätte nichts über die Deutsche Küche gewusst, bevor er hergekommen wäre. Er hat schon mal was von Sauerkraut gehört. Ich musste ihn jedoch auch darüber aufklären, dass Sauerkraut in den osteuropäischen Ländern viel verbreiteter ist, als bei uns. In Polen beispielsweise steht selbst in jedem Lidl ein Fass mit Sauerkraut, bei uns gibt es den nur konserviert und vorportioniert.

Mein Arbeitskollege meinte, in Deutschland würde man eher von anderen Kulturen geprägt sein. Es gäbe kaum Deutsche Gerichte und wenn dann wären diese doch recht einseitig und einfallslos. Die meisten Deutschen im Arbeitskreis kochen asiatisch oder italienisch, mediterran. Niemand würde seinen Kochstil als typisch Deutsch bezeichnen. Deswegen hat er kaum etwas von der Deutschen Küche kennengelernt, obwohl er seit Monaten hier wohnt.

Haben die Deutschen in dem Sinne überhaupt eine typisch Deutsche Küche? Ich höre immer wieder mal von klassisch Deutschen Gerichten wie Schweinehaxe oder Sauerbraten. Tatsächlich kenne ich aber keinen der sowas kocht oder isst. Die meisten Deutschen die ich kenne orientieren sich eher an der Kochkunst anderer Länder. Diese ist oft vielseitig und auch mit Gewürzen wird sicherlich mehr gearbeitet als hierzulande. Wie seht ihr das? Wird in Deutschland generell wenig typisch Deutsch gekocht? Kocht ihr klassisch deutsche Gerichte?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Klar, die Deutschen sind eine homogene Masse und sowieso alle gleich. :lol: Ich kann nun nicht behaupten, dass bei uns ständig ausländische Gerichte auf den Tisch kommen. Berliner Löffelstich, Schmorgerichte, Sülzen und noch vieles mehr haben wir sehr häufig. Außerdem gibt es in kaum einem Land mehr Schinken und Wurst oder mehr Auswahl bei Brot und Brötchen.

Zu behaupten, dass das deutsche Essen komplett unbeliebt sei, ist sowieso ziemlich unrealistisch. Was glaubst du, wie weit deutsche im Ausland fahren, um einen deutschen Metzger, einen deutschen Bäcker oder einfach nur deutschen Kaffee zu bekommen. Den meisten fehlt woanders ganz schnell ganz viel, das bisher eine Selbstverständlichkeit gewesen ist.

» cooper75 » Beiträge: 13374 » Talkpoints: 508,93 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


Ehrlich gesagt müsste ich mich auch anstrengen, um "typisch ägyptische" Gerichte aufzählen zu können, weswegen es mich umgekehrt auch nicht wundert, wenn irgendein Ägypter sich nicht allzu viel unter deutschem Essen vorstellen kann. Man darf bei derlei kulturellen Fragen meiner Meinung nach auch nicht vergessen, dass die Deutschen verglichen mit anderen Nationen und Kulturen relativ viel "unter sich" geblieben sind, wenn man das so sagen darf.

Sprich, deutsches Essen hat weder irgendwelche Kolonien infiziert, sodass man rund um den Globus jetzt den Schweinsbraten kennt, und umgekehrt sind auch vergleichsweise wenige Deutsche auf Grund von Armut oder Bürgerkrieg, oder weil sie sich als Gastarbeiter verdingen mussten, ausgewandert, und haben ihre Essenstraditionen mitgenommen. Von daher glaube ich eher, dass es historisch bedingt ist, wenn die deutsche Küche verglichen mit manchen anderen kulinarischen Kulturen weltweit gesehen nicht so weit verbreitet ist, und dass es nicht daran liegt, dass wir nur geschmacklosen Matsch und ungesundes G'lump essen, wie hier offensichtlich impliziert wird. :D

Ich selber kenne und esse viele deutsche Gerichte, von Pfannkuchen über diverse Fleisch- und Fischgerichte (Rindsrouladen! Forelle blau!) bis hin zu Süßspeisen wie Kirschmichl. Es kommt natürlich auch darauf an, ob man einen Nudelauflauf jetzt noch als "deutsch" bezeichnet oder schon von "ausländischer Küche" spricht, wenn man zum Hackbraten Reis reicht, da dieser hierzulande schließlich nicht wächst, genauso wenig wie Kaffee und Kakao. Generell erscheint mir diese Unterscheidung nach in- und ausländischer Küche sowieso eher absurd.

Wenn es in Deutschland gekauft, gekocht, und gegessen wird, ist es für mich deutsches Essen, egal, ob es Döner, Schaschlik oder Wiener Schnitzel heißt. Umgekehrt gehe ich ja auch nicht davon aus, dass das leckere Essen, welches mir beim "Asiaten" vorgesetzt wird, wirklich authentisch mit dem zu vergleichen ist, was die Oma der Wirtin damals in Vietnam zubereitet hat. Ist das dann schon "deutsches" Essen, oder existiert es in einem Zwischenreich?

» Gerbera » Beiträge: 11313 » Talkpoints: 47,96 » Auszeichnung für 11000 Beiträge



Ich finde, dass man das - wie so oft - nicht einfach verallgemeinern kann. Was als typisch deutsches Gericht gilt und wie oft solche Speisen wirklich gekocht werden, hängt doch sehr stark von verschiedensten Faktoren ab.

Zum einen spielt sicher die Generation eine Rolle. Die Großeltern meines Freundes kochen beispielsweise sehr viele typische deutsche Mahlzeiten wie Rouladen, Eisbein, Leberknödelsuppe, Spätzle und Co, während Angehörige unserer Generation eher der internationalen Küche und aktuellen Trend-Foods zugeneigt sind. Auch die Region übt einen Einfluss aus. Im tiefsten Bayern auf dem Dorfe sind landestypische Spezialitäten noch eher in der Tradition verankert und auf dem Speiseplan der Bevölkerung zu finden, als in einer Großstadt wie Berlin, die sich im ständigen Wandel befindet und großen interkulturellen Einflüssen unterliegt.

Dass die deutsche Küche im eigenen Land generell eher unbeliebt ist, würde ich so nicht unterschreiben. Ich kenne sehr viele Leute aller möglichen Altersgruppen, die klassische deutsche Speisen sehr schätzen und liebend gerne essen. Allerdings gibt es auch viele, denen diese Mahlzeiten zu fleischlastig, deftig und schwer sind und die sich daher beispielsweise mit der mediterranen Küche, die viel auf Gemüse und Fisch baut, mehr identifizieren können.

» MaximumEntropy » Beiträge: 8470 » Talkpoints: 987,98 » Auszeichnung für 8000 Beiträge



Gerbera hat geschrieben:Wenn es in Deutschland gekauft, gekocht, und gegessen wird, ist es für mich deutsches Essen, egal, ob es Döner, Schaschlik oder Wiener Schnitzel heißt. Umgekehrt gehe ich ja auch nicht davon aus, dass das leckere Essen, welches mir beim "Asiaten" vorgesetzt wird, wirklich authentisch mit dem zu vergleichen ist, was die Oma der Wirtin damals in Vietnam zubereitet hat. Ist das dann schon "deutsches" Essen, oder existiert es in einem Zwischenreich?

Dem stimme ich uneingeschränkt zu. Ich habe bisher noch nie beobachten können, dass Supermärkte, Imbisse oder Restaurants in Deutschland wie ausgestorben sind, weil sich keiner für das "deutsche Essen" interessiert. Gerade vor Weihnachten werden die Supermärkte total überrannt sein, ich habe jetzt schon keine Lust einzukaufen. Daher verstehe ich Crispins Logik nicht so wirklich. Was ist denn ansonsten "deutsches Essen", wenn man Gerberas Definition mal außer Acht lässt?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich finde so etwas auch immer recht schwierig zu definieren, wenn ich ehrlich bin und es ist für mich auch einfach eine Frage der Definition. Dass man in Ägypten keine deutschen Gerichte kennt, das kann ich mir vorstellen, denn auch wenn es ziemlich verbreitet auf der Welt italienische, griechische und chinesische Restaurants gibt, ist das bei Restaurants mit deutscher Küche doch nicht so wirklich häufig der Fall.

Sicher gibt es auch deutsche Restaurants im Ausland, aber doch nicht so verbreitet wie Restaurants, die die Küche anderer Länder anbieten. Ich würde aber sagen, dass in Deutschland schon auch oft typisch Deutsch gekocht wird. Wenn man mal als Beispiel den Sauerbraten nimmt, dann esse ich den schon recht gerne und auch andere Gerichte mache ich gerne, die man als typisch deutsche Küche bezeichnen könnte. Aber es ist eben auch kein Wunder, wenn sich in einer globalisierten Welt auch die Esskultur vermischt.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Woher kommen eigentlich immer diese impliziten deutschmuffeligen Themen? Ist das aus einer eigenen wie auch immer gearteten Unzufriedenheit begründet oder eine Form der Provokation? :wink: Wie dem auch sei, es ist schon insgesamt sehr auffällig, das Thema hier scheint mir auch ein wenig an den Haaren herbeigezogen worden zu sein.

Wenn man viele hier traditionell typische Gerichte nicht als deutsche Esskultur wahrnimmt, könnte es auch an der Normalität und ständigen Verfügbarkeit liegen. Ich wette, jeder hier isst oder trinkt einige extrem charakteristische Sachen täglich, wie diverse Brot- und Backwaren, Frikadellen, Pfannkuchen, Fleischgerichte, Bratwürstchen, Bier, Lauch oder Kartoffeln (!) in allen möglichen Variationen, ohne sich auch nur im Ansatz im Klaren zu sein, wie typisch das für dieses Land ist.

Wir nehmen das vielleicht nicht als typisch deutsch wahr, weil es uns so banal und alltäglich erscheint und assoziieren wieder viel zu kompliziert nur wenige komplexe Hausmannsgerichte altdeutscher Art mit der landestypischen Küche. Und wenn die eigene Esskultur so unbeliebt wäre, würde man nicht in jedem Landgasthof oder allen Raststätten die immer gleichen Gerichte finden. Es kommt einem alles nur so banal vor, weil man es von klein auf kennt. Auf Dauer würden mir im Ausland zum Beispiel die geschmorten Zwiebelringe mit Bratkartoffeln, Lauch und Kohl und all die ganze Brotsorten jedenfalls schrecklich fehlen.

» Verbena » Beiträge: 4921 » Talkpoints: 0,32 » Auszeichnung für 4000 Beiträge



Dass sich ein Ägypter nicht besonders viel unter deutschem Essen vorstellen kann, wundert mich ehrlich gesagt nicht. Immerhin kann ich mir ja auch nichts unter ecuadorianischem oder eben ägyptischem Essen vorstellen. Das heißt ja aber gar nicht, dass das entsprechende Essen schlecht ist, sondern einfach nur, dass die Küche nicht so weit verbreitet ist, wie beispielsweise die italienische oder chinesische, die man mittlerweile in abgewandelter Form so gut wie überall bekommt.

Du siehst doch hier auch in Deutschland kaum polnische oder tschechische oder eben ecuadorianische Restaurants - genauso wird das in vielen anderen Ländern auch sein. Trotzdem ist das entsprechende landestypische Essen doch gut, nur eben nicht so bekannt. Von daher kann man doch nicht sagen, dass das deutsche Essen unbeliebt ist, nur weil es nicht jeder kennt.

Mir fallen auf Anhieb jedenfalls extrem viele deutsche Gerichte an, die sehr beliebt sind. Schupfnudeln mit Sauerkraut sind der Klassiker auf dem Weihnachtsmarkt, die deutsche Currywurst ist doch absolut berühmt. Auch Milchreis, Grießbrei und Germknödel werden hier oft gegessen, genauso wie Schweinshaxe oder Sauerbraten. Die deutschen Knödel sind doch auch sehr bekannt, genauso wie das typische Gericht, welches aus Kartoffeln, Spinat, Spiegelei und Fischstäbchen besteht. Auch die deutsche Weihnachtsgans mit Klößen und Rotkraut ist doch ganz typisch.

Ich kenne sehr viele, die so etwas alles gerne essen und ich zähle da auch teilweise dazu. Ich kenne auch viele Leute, die nicht aus Deutschland stammen und das lieben - in meinem Studium habe ich beispielsweise zahlreiche chinesische Kommilitonen, die das deutsche Essen sehr gerne mögen.

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» Prinzessin_90 » Beiträge: 35273 » Talkpoints: -0,01 » Auszeichnung für 35000 Beiträge


Klar haben wir eine deutsche Küche. Und wenn du mal nach Bayern gehst dann wirst du sehen wie viele Leute Schweinehaxe oder Sauerbraten essen. Und so Sachen wie Bratkartoffeln, Brot, Currywurst oder Schwarzwälder Kirchtorte isst ja wohl fast jeder Deutsche. Ich koche durchaus auch öfters was typisches Deutsches, aber dann eben einfache Sachen wie Bratkartoffeln, Frankfurter Kranz, Weihnachtsplätzchen oder die berühmte Weihnachtsgans mit Rotkohl.

» Sternenbande » Beiträge: 1860 » Talkpoints: 70,16 » Auszeichnung für 1000 Beiträge


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