Sind Jungen grundsätzlich Bildungsverlierer?
Eine Nachbarin ist froh, dass sie keinen Sohn hat. Denn sie ist der Ansicht, dass die Jungen ja eh zu den Bildungsverlierern in diesem Land gehören würden und dass sie damit eben nicht zurechtkommen würde. Ich finde diese Aussage ziemlich pauschal und schon krass.
Man sagt zwar, dass Mädchen besser in der Schule sind und fleißiger, aber die Jungen deswegen als "Verlierer" zu bezeichnen finde ich arg übertrieben. Wie seht ihr das? Kann man wirklich so weit gehen und die Jungen als Bildungsverlierer bezeichnen?
Als Junge muss man auch nicht automatisch schlechter in der Schule sein, letztendlich kann jeder die Leistung erbringen, die er möchte. Mein Bruder hat beispielsweise ein Abitur mit 1,0 und auch im Studium mit Bestnoten abgeschlossen. Er hat einfach etwas gefunden, was ihm Spaß macht und dann auch sein Ziel verfolgt. Jungs sind grundsätzlich nur Verlierer, wenn sie sich dazu machen lassen, denn auch ein Junge kann lernen und auch einen Jungen kann man sehr gut fördern.
Aus erster Hand kann ich zwar nicht beurteilen, wie die heutige Schul- und Bildungslandschaft in Bezug auf Gender funktioniert, da meine eigenen Erfahrungen schon Jahrzehnte zurückliegen. Aber ich habe auch schon aus unterschiedlichen Quellen mitbekommen, dass Mädchen mit dem überkommenen Schulsystem bis hinauf zur Uni besser zurechtkommen und entsprechend bessere Noten einfahren. Aber meiner Erfahrung nach bekommen die Buben dennoch in der Regel ganz ordentliche Jobs, die oft besser bezahlt sind und bessere Aufstiegschancen bieten als die "Traumberufe" ihrer weiblichen Klassenkameradinnen.
Von daher würde ich mir keine Gedanken machen, dass der kleine Jürgen, wenn er in der Siebten nur Dreier und Vierer heimbringt, nicht doch noch auf die Füße fällt und in 15 Jahren der Vorgesetzte der kleinen Madeleine mit ihren Einsern und Zweiern sein wird. In meinen Augen sind Schulnoten für das spätere Vorankommen somit viel weniger wichtig als die allgegenwärtige Diskriminierung basierend auf Faktoren wie Herkunft, sozialem Status und eben auch Geschlecht.
Auch finde ich, dass die Erziehung hier eine gravierende Rolle spielt, was schon bei kleinen Kindern mit "Mach dich nicht schmutzig" bzw. "Mein Sohn ist Verteidiger in der F-Jugend!" anfängt. Wenn man von frühester Kindheit an darauf getrimmt wird, brav zu sein und entsprechend Leistung zu bringen, dann schlägt sich das natürlich auch auf die Schulnoten nieder. Und ich habe nach wie vor den Eindruck, dass Leistung in den typischen schulischen Zusammenhängen eher von Mädchen verlangt wird, während ein Bub, der z.B. gerne liest oder bastelt, erstens eher schief angeschaut wird, wenn er kein Interesse an typischen Jungsaktivitäten zeigt und zweitens eher Anerkennung für seine bloße Existenz erhält, während es immer noch nicht ausreicht, "nur" ein Mädchen zu sein.
Man muss schon ein braves, fleißiges Mädchen sein, das sich gut benimmt und gute Noten bekommt, während es bei männlichen Kindern schon eine Leistung darstellt, sich die Hose nicht zu zerreißen oder vor lauter Fußball nicht sitzenzubleiben. So zumindest mein subjektiver Eindruck.
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