Lebenswerte Städte in Deutschland nicht vorhanden?
Heute habe ich einen Beitrag über Jan Gehl im Fernsehen gesehen. Dieser ist Städteplaner und war an der Entwicklung mehrere Städte beteiligt, die heute unter der Top 10 der lebenswertesten Städte der Welt sind. Für Deutschland hat er allerdings noch nie gearbeitet. Er meint, dass die Deutschen meist mit irgendwelchen Unternehmen argumentieren die sich in den Städten angesiedelt haben und daher meinen, dass diese Unternehmen genug Leute anziehen werden und man nichts an der Stadt ändern muss.
Kopenhagen ist eine der lebenswertesten Städte der Welt. Betonklötze und hässliche Hochhäuser gehören nicht ins Stadtbild. Viele Kopenhagener beschreiben ihr Leben in der Stadt wie das Leben auf dem Dorf, nur viel geselliger und mobiler. Es ist wunderschön dort und natürlich fahren alle Fahrrad während es von Jahr zu Jahr weniger Autoparkplätze gibt, um die Autos aus der Stadt zu drängen.
Jan Gehl meinte außerdem, dass er sehr froh darum wäre, dass es in Dänemark keine Autoindustrie gibt. Die Politiker wären daher nicht von der Lobby beeinflusst und es ist so möglich die Autos zu verdrängen. Das wäre in Deutschland nicht denkbar. Ähnliche Konzepte autofreier Städte wie es sie in Dänemark, der Schweiz und einigen Teilen Skandinaviens gibt wären bei uns nicht denkbar.
Warum sind berühmte Städteplaner wie Jan Gehl bisher nicht in Deutschland aktiv? Ich war bereits mehrfach in Kopenhagen und finde es wunderschön dort. Im Gegenzug dazu sind die deutschen Städte furchtbar. Haben die Deutschen kein Interesse an schönen und lebenswerten Städten? Stattdessen ist derzeit Verdichtung angesagt, dass heißt Abreißen und möglichst hoch neu bauen, Grünflächen verschwinden auch überall. Das kann doch nicht die Zukunft sein.
Aha, weil der Mann nicht in Deutschland arbeitet, muss es mies sein? Das ist eine tolle Argumentation. Nimmt man eine andere Untersuchung, liegt Melbourne auf Platz 1 und Hamburg auf Platz 10. Zumal nicht jeder den gleichen Lebensstil gut finden muss. Ich habe keine Lust, mein ganzes Einkommen für eine genormte winzige Wohnung auszugeben, zwangsweise zu radeln, weil es selbst für Doppelverdiener nicht zum Auto reicht und immer bloß nicht aufzufallen.
Ich mag übrigens weder Melbourne noch Hamburg. Dagegen mag ich Wien, was weit vorne liegt. Und ich mag tatsächlich das Ruhrgebiet, das jeder schrecklich findet, ich mag Cork, London und Glasgow. Dublin oder Paris stehen weniger hoch im Kurs. Nicht jeder hat den gleichen Geschmack und die gleiche Idee von Lebensqualität.
Kopenhagen ist ziemlich teuer und damit schon mal nicht für jeden lebenswert. Das erklärt vielleicht auch die vielen Fahrradfahrer - die Leute können sich einfach kein Auto leisten, weil das Geld für Miete und die restlichen Lebenshaltungskosten drauf geht. Auch in Deutschland gibt es sehr fahrradfreundliche Städte und das sind in der Regel Universitätsstädte. Da liegt auch der Gedanke nahe, dass die Leute nicht alle aus Spaß an der Freude aufs Rad steigen sondern weil sie kein Auto haben.
Lebensqualität ist wirklich subjektiv und "die Deutschen" gibt es eh nicht, weil jeder seine eigenen Vorstellungen hat. Die Mehrheit würde sich aber wahrscheinlich gegen eine durchgeplante Stadt und für eine bezahlbarere Miete entscheiden. Dein Städteplaner wird nämlich nicht umsonst arbeiten und eine "wunderschöne" Stadt gibt es auch nicht kostenlos. Irgendwer muss das bezahlen, sehr wahrscheinlich die Bewohner durch höhere Mieten.
Ich mag das Ruhrgebiet übrigens auch und habe da sehr gerne gewohnt. Wesentlich grüner als viele denken, aber die nächste Stadt ist fast nie weit entfernt. Es war kulturell auch immer sehr viel geboten, was mir jetzt wichtiger ist als einen wunderschönen Fahrradweg direkt vor der Tür zu haben.
Cloudy24 hat geschrieben:Kopenhagen ist ziemlich teuer und damit schon mal nicht für jeden lebenswert.
Eine Freundin von mir lebt seit 2 Jahren in Dänemark und sie meint, dass es extrem teuer dort ist. Die Mietverträge sind alle befristet, sodass man gezwungen ist, ungefähr alle zwei Jahre umzuziehen. Wer dauerhaft irgendwo wohnen bleiben möchte, muss sich eine Eigentumswohnung kaufen und die sind nicht zu bezahlen. Gerade das ganze Umziehen stelle ich mir sehr umständlich vor, wenn man eine Familie gründen möchte oder schon eine hat. Lebensqualität stelle ich mir da anders vor.
Ob der Mann berühmt ist weiß ich nicht, aber vielleicht ist er einfach kein Deutscher und hat keine Arbeitserlaubnis in Deutschland? Oder er will hier gar nicht arbeiten? Wenn er so negativ über deutsche Städte spricht dann wird er wohl kaum ein Interesse daran haben hierher zu ziehen.
Außerdem meine ich, dass es in Deutschland ziemlich viele Studenten gibt, welche Stadtplanung und Stadtentwicklung studieren, aber es gibt kaum freie Stellen. Wer in Deutschland auf dem Dorf wohnt wird wohl auch kein Interesse an schönen und lebenswerten Städten haben. Jedenfalls ist es mir egal wie es in Berlin oder München aussieht.
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