Ist das Jobcenter Schuld an Obdachlosigkeit im Land?

vom 27.11.2017, 05:42 Uhr

Laut einer Studie der Humboldt-Universität zufolge sind in Berlin die Jobcenter neben den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften die "Motoren von Verdrängung und Zwangsräumungen". In Berlin beläuft sich deren Zahl auf 5000-7000 pro Jahr. Die Jobcenter wären dafür verantwortlich, weil sie arbeitslosen Bedürftigen Gelder zu spät oder auf falsche Konten zahlten oder Bewilligungen ganz verweigerten. Auch würden die Beiträge für die Mieten nur unzureichend an die realen Mietsteigerungen angepasst werden, sodass die Betroffenen irgendwann nicht mehr zahlen könnten und auf der Straße säßen.

Was haltet ihr davon? Kann man Jobcentern wirklich alleine die Schuld an der Obdachlosigkeit im Lande geben? Betrifft das nur Berlin oder lässt sich das auf alle Regionen Deutschlands übertragen? Ich habe bisher nur Bafög erhalten und das kam immer pünktlich und dann auch noch auf dem richtigen Konto an. Gibt es da so viele Probleme durch die Jobcenter oder wird das nur medial aufgebläht?

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» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Jobcenter die Hauptschuld an den vielen Obdachlosen in Deutschland hat. Ich habe einmal eine Doku über Obdachlose in Deutschland gesehen und dort wurden viele Interviewt. Nur wenige haben angegeben, dass sie für das Geld vom Amt keine Wohnung finden können, die meisten haben sich aus eigenen Stücken dazu entscheiden auf der Straße zu leben. Viele aus Protest und weil sie sich der Gesellschaft nicht mehr zugehörig fühlen. Es sind auch oftmals Ausländer dabei, die illegal nach Deutschland gekommen sind und hier keine Stütze beziehen.

Generell würde ich aber unterschreiben, dass man in Großstädten für das Geld vom Amt vermutlich nur schwer eine Wohnung finden kann. Die Mieten sind dort einfach sehr teuer und bei Mietern sind Hartz IV Empfänger auch sehr unbeliebt. Da hilft nur der Ausbau von Sozialwohnungen.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge


Crispin, dir ist aber schon klar, dass der größte Teil der Wohnungslosen in Deutschland eben nicht auf der Straße lebt? Von den rund 860.000 Menschen ohne Wohnung leben nur etwa 52.000 auf der Straße. Aber Hauptsache du hast eine Doku gesehen. Das ist übrigens ganz besonders ein Problem von Frauen, die sich prekäre Wohnsituationen mit sexuellen Gefälligkeiten begeben, um nicht auf der Straße zu landen. Hier gibt es beispielsweise ein komplettes Heim für Männer und nur zwei Betten mit ganz viel Bevormundung für Frauen. Da ist ein schmieriger Kerl angenehmer.

» cooper75 » Beiträge: 13429 » Talkpoints: 519,52 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



Ich drücke mich mal so aus, ich kenne beruflich bedingt und durch den Alltag viele Obdachlose. Einige davon leben wirklich von morgens bis abends auf der Straße. Sie bekommen aber Leistungen, weil sie sich bei einer Obdachlosen-Unterkunft beziehungsweise den Einrichtungen wie einer Meldestelle der Diakonie regelmäßig melden, die unweit ihrer Abhängstätte in der City zu finden ist. Das kriegen viele mittlerweile glücklicherweise hin, aber das Geld ist natürlich nur für die Überlebenschancen etwas besser, wohnen usw gibt es nicht.

Wir haben auch nur noch sehr wenige Unterkünfte, wo Obdachlose oder obdachlose Jugendliche (das alleine regt mich schon tierisch auf) unterkommen können. Die nicht genutzten Container für Flüchtlinge werden nicht einmal zweckentfremdet, weil sie teilweise noch 2 Jahre bezahlt sind, um Obdachlosen hier eine Unterkunft zu bieten, wenn sie sowieso Geld vom Amt bekommen. Schade eigentlich.

Ich kann schlecht sagen, dass das Job Center an allem Schuld ist, aber man darf auch mal fair sagen, dass sie es vielen nicht gerade einfacher machen. Die Leute, die dort Geld wollen müssen sich nackig machen. Im wahrsten Sinne des Wortes jetzt bitte nicht zu ernst nehmen. Doch was Job Center teilweise von Menschen verlangt, offen gelegt haben möchte und mehr, ist der hammer. Um jetzt mal auf Juris Zug aufzuspringen, aber anderen ohne Nachweise, Pässe usw Geld in den Rachen stecken. Doch ich möchte hier keine Polemik beginnen.

Viele Obdachlose bemängeln eine mangelhafte Beratung und werden nur abgespeist. Ihnen wird die rechtliche Lage kaum offen gelegt. Dann gibt es aber auch Obdachlose, die Suchtkrank sind und Menschen die an Hygieneproblemen zu leiden haben. Das diese kaum eine Wohnung bekommen, dürfte klar sein. Dazu muss man sie auch unterstützen, aber bis auf Duschen, Kleiderkammer in der Diakonie und die Meldeadresse gibt es bei uns kaum so viele Stellen, wie hier hilfebedürftige Obdachlose sind.

Das Job Center aber immer in die Verantwortung zu nehmen, halte ich für falsch. Das Job Center hat seine Regeln, die es einhalten muss. Dann gibt es wirklich auch „Arschlöcher“ unter den Mitarbeitern, die wirklich zu spät die Überweisungen oder Checks anweisen, die Bescheide länger dauern als üblich, rechtlich schlecht beraten wird oder auch einfach mal immer alles angeblich nicht eingereicht wurde. Ich kenne auch Ottonormalos, die nur aufstocken und da regelmäßige Probleme haben.

Obdachlos bedeutet für mich aber auch ein gewisses Staatsversagen. Es ist ohne auf polemische Weise den Flüchtlingen nichts gönnen zu wollen ( die es verdient haben, gönne ich alles Glück der Welt, wobei Asylheime kein wahres Glück sind )aber bezeichnet, dass für Flüchtlinge auf einmal etliche Container bereitgestellt wurden. Hotels gebucht wurden und mehr.

Im Gegenzug steigen die Zahlen der Obdachlosen immer weiter und da wird sowas nicht gemacht. Berlin und Hamburg zeigen wenigstens mit vielen Suppenküchen und Unterkünften etwas Herz, aber anderswo in DE ist das nicht so ein sauberes Bild, um die Leute zu überdachen und das finde ich wirklich bezeichnend und auch irgendwie seltsam.

Da muss auch mal von staatlicher Seite mehr getan werden. Es gibt so viele Ehrenamtler, die gerne für solche Unterkünfte tätig sind, den Leuten bei Anträgen helfen würden usw. Eine Unterkunft würde viel vereinfachen, aber das passiert leider. Job Center vereinfachen das Geschehen nicht, aber an allem Schuld? Nun ja das weiß ich nicht. Kann ich mir nicht vorstellen.

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» Kätzchen14 » Beiträge: 6121 » Talkpoints: 1,40 » Auszeichnung für 6000 Beiträge



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