Deutschland letztes EU Land mit dualem Gesundheitssystem?

vom 01.11.2017, 09:38 Uhr

Neulich habe ich im Fernsehen den Beitrag ''Kassen- oder Privatpatient - Wer ist besser dran?'' gesehen. Es hat mich sehr überrascht, dass Deutschland tatsächlich das letzte Land in der EU ist, welches dieses duale Gesundheitssystem überhaupt noch hat. Viele Länder hatten es mal, haben es aber schon längst abgeschafft, da es einfach unfair ist. Privatversichert sind in der Regel auch viele wohlhabende Menschen, so dass die Privatkassen mehr Geld zur Verfügung haben, als die gesetzlichen Krankenkassen. Man spaltet die Menschen in zwei Gruppen und benachteiligt die gesetzlich versicherten.

Wie genau so eine Benachteiligung aussieht wurde in der Dokumentation auch erläutert. Die Wartezeiten sind für Privatpatienten deutlich kürzer, sie bekommen die besseren Zimmer in Krankenhäuser, das bessere Essen, mehr Komfort und dürfen sich mitunter sogar den Operateur aussuchen. Gerade das ist ein großer Vorteil, denn es ist immer besser sich jemanden auszusuchen, der die Operation schon zig mal durchgeführt hat, anstatt eines Neulings. Privat- und Kassenpatienten wissen um ihre Vor- und Nachteile und werden daher in Wartezimmern auch gezielt getrennt, damit es nicht zu Streit kommt.

Warum ist Deutschland in der EU noch das einzige Land, welches so ein duales Gesundheitssystem hat und dadurch systematisch Patienten benachteiligt? Sollten wir nicht endlich mal aus anderen Ländern lernen und etwas ändern? In Holland gibt es schon seit längerem eine Art Bürgerversicherung und das hat nicht nur den Patienten, sondern sogar den Ärzten sehr genutzt.

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Und was ist an den anderen Systemen besser? Ja, in den Niederlanden muss jeder eine Basisversicherung haben. Und was ändert das? Damit ist die grundlegende Versorgung gesichert, wer mehr Geld hat, der versichert sich besser. Denn mit der Grundversorgung bist du bei weitem nicht abgesichert.

Dazu kommt, dass du in den Niederlanden keine freie Arztwahl hast. Du musst dich auf einen Hausarzt festlegen, der mit deiner Versicherung zusammenarbeitet. Der entscheidet, ob du einen Facharzt brauchst. Die meisten Frauen in den Niederlanden sehen zum ersten Mal einen Gynäkologen, wenn sie über 40 sind. Folglich gibt es zwar keine generell privat versicherten, aber wer gut verdient, der ist viel besser versichert.

In Großbritannien sieht es nicht viel anders aus. Sicherlich ist der National Health Service für alle da. Aber wer Geld hat, der versichert sich tunlichst privat zusätzlich. Die besseren Krankenhäuser, in denen man nicht Monate oder Jahre auf einen Termin wartet, sind privat. Ebenso wirst du bei Bedarf kaum einen NHS-Termin beim Zahnarzt bekommen. Wer nicht mit akuten Zahnschmerzen sechs Monate warten will, zahlt selbst oder ist besser versichert. Auch hier gibt es keine Privatversicherung neben der Bürgerversicherung, aber es gibt eine ausgeprägte Zweiklassenmedizin.

In Irland steht allen Iren und allen im Land lebenden EU-Bürgern eine staatliche Grundversorgung zu. Die ist so super, dass die Hälfte der Iren nämlich jeder, der es sich leisten kann, privat versichert ist. Es ist vollkommen aberwitzig zu behaupten, dass nur in Deutschland die Gesellschaft in zwei Klassen gespalten ist. Das ist sie in den genannten Ländern ebenso. Wer es sich leisten kann, versichert sich privat.

» cooper75 » Beiträge: 13411 » Talkpoints: 515,76 » Auszeichnung für 13000 Beiträge


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