Kind über weiterführende Schule selbst entscheiden lassen?

vom 21.10.2017, 09:16 Uhr

Eine Bekannte von mir hat eine kleine Tochter, die jetzt in die vierte Klasse gekommen ist. Sie ist in der Schule relativ gut und die Eltern möchte, dass sie später auf das Gymnasium geht. Diese Empfehlung würde die Lehrerin auch aussprechen. Das Kind selbst möchte aber nicht auf das Gymnasium, sondern auf die Realschule.

Der Grund ist ganz einfach, die meisten Freunde des Mädchens werden wohl auf die Realschule gehen und insbesondere auch die beste Freundin. Auf das Gymnasium werden vermutlich nur Mitschüler gehen, die das Mädchen nicht besonders mag. Daher ist sie von dieser Idee nicht sehr begeistert. Meine Bekannte meinte, dass sie den Wunsch ihrer Tochter nicht berücksichtigen wird. Ihr Freund sieht das aber anders, da dieser eine Zeit lang erfolglos auf dem Gymnasium war. Seine Eltern wollten unbedingt, dass er Abitur macht.

Würdet ihr den Wunsch eures Kindes berücksichtigen, wenn es um die weiterführende Schule geht? Sollte man in diesem Fall nicht bedenken, dass es hier allein um die Freundschaft geht und das Mädchen die Voraussetzungen für das Gymnasium ansonsten bestens erfüllt? Wie würdet ihr anstelle meiner Bekannten handeln?

» Crispin » Beiträge: 14916 » Talkpoints: -0,43 » Auszeichnung für 14000 Beiträge



Natürlich würde ich dem Wunsch des Mädchens nachgehen. Auch wenn man auf der Realschule ist, kann man später, wenn sie gut in der Schule ist, aufs Gymnasium wechseln und das Abitur machen. Ich kenne einen Jungen, der den Realschulabschluss mit Qualifikation fürs Gymnasium gemacht hat und alle Noten so gut waren, dass er mit Bravour das Abitur gemacht hat und nun Medizin studiert. Das eine schließt das andere ja nicht aus.

Was bringt es der Mutter, wenn sie ein Kind auf dem Gymnasium hat was sich dort nicht wohl fühlt und schlechte Noten mit nach hause bringt. Da ist es doch besser, wenn sie ein glückliches Kind hat, welches gute Noten schreibt und später dennoch Abitur machen will. Was will die Mutter? Will sie mit dem Kind angeben, dass es ja so toll ist und auf dem Gymnasium ist? Oder will sie, dass sie ein glückliches Kind hat, welches Freude am Lernen hat, weil die Freunde alle mit auf der Schule sind.

Benutzeravatar

» Diamante » Beiträge: 41749 » Talkpoints: -4,74 » Auszeichnung für 41000 Beiträge


Ich sehe das so wie Diamante. Es gibt so viele Möglichkeiten, Abitur zu machen oder ein Studium aufzunehmen. Dazu muss man nicht zwangsläufig von Anfang an auf ein Gymnasium gehen. Ich habe das an meiner Nichte gesehen. Meine Schwägerin wollte sie direkt nach der Grundschule aufs Gymnasium stecken und hat es auch gemacht. Das Mädchen war aber total unglücklich dort und war überfordert. Im Endeffekt musste sie die 6. Klasse wiederholen und ist irgendwann dann doch in die Realschule gewechselt, wo es ihr viel besser geht inzwischen.

Ich finde, dass man dem Kind Spaß am Lernen vermitteln sollte und lernen macht keinen Spaß, wenn der Stoff zu viel oder zu anspruchsvoll ist oder man einfach unglücklich mit dem schulischen Umfeld ist. Dann schicke ich das Kind lieber auf die Realschule, wo es Spaß am lernen hat und anschließend vielleicht sogar von selbst Abitur machen möchte (wenn die Freunde entsprechend auch Abitur machen wollen sollten) und wenn das Kind danach eine Ausbildung machen wollen würde, wäre das für mich auch in Ordnung, obwohl ich Akademikerin bin.

Ich bin der Meinung, dass es viele Wege zu einem Studium gibt. Mir sind inzwischen schon einige Universitäten aufgefallen (unter anderem meine Alma Mater) wo man auch ohne Zentralabitur studieren kann. Man muss nur den Abschluss einer dreijährigen Ausbildung nachweisen und eine fünfjährige Berufserfahrung, mehr nicht. Dann wird man zum Probestudium zugelassen und wenn man das packt, darf man zu Ende studieren. Dafür braucht man kein Zentralabitur und wozu das Kind unnötig mit dem Gymnasium quälen, wenn es das nicht möchte? Ich finde, dass die persönliche Entwicklung viel wichtiger ist, als innerhalb kürzester Zeit eine Überflieger-Akademiker-Laufbahn hinzulegen.

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge



Täubchen, was soll denn an der Hochschulzugangsberechtigung durch berufliche Qualifikation ist doch keine neue Errungenschaft. Das funktioniert zwar je nach Bundesland und Hochschule unterschiedlich, aber neu ist es nicht. Was sich seit seit acht Jahren geändert hat ist, dass es nun überall ziemlich einheitlich geht. Außerdem kann man das Abitur direkt mit der Ausbildung machen und auch das geht schon ewig. Da kenne ich Leute, die sind heute über 50, die das so gemacht haben. Genauso wie es das Abitur für Nichtschüler und die Begabtenprüfung schon ganz lange gibt.Mein ehemaliger Zahnarzt wäre heute über 80 und der hat Zahnmedizin mit Abitur für Nichtschüler mit Anfang 30 studiert.

Aber abgesehen von den Möglichkeiten, die es gibt, käme ich nie auf die Idee, meine Kinder ungefragt auf irgendeine Schule zu schicken. Ich bin damals gefragt worden und ich halte es ebenso. Was nützt es mir, das Kind wohin zu schicken, wo es sich nicht gut fühlt? Dann ist das Scheitern doch vorprogrammiert.

Selbst meine Mutter konnte verhandeln. Das war allerdings direkt nach dem Krieg. Die Großeltern brauchten das Geld von ihrer Putzstelle und gingen davon aus, dass sie sowieso heiraten wird. Trotzdem durfte sie die Ausbildung zur Drogistin machen, so lange sie nach Feierabend noch putzt. Das war 1950 in dem Land, in dem du nur Hausfrauen siehst. :lol: Und wenn du jetzt meckerst, dass sie kein Abitur machen durfte, das durften die Brüder auch nicht. Das Schulgeld dafür war einfach nicht vorhanden.

» cooper75 » Beiträge: 13423 » Talkpoints: 517,99 » Auszeichnung für 13000 Beiträge



@cooper: Ich danke dir vielmals für deine Ausführungen und Erklärungen. Da ich direkt nach der Schule das Abitur auf dem Gymnasium drangehängt und anschließend studiert habe, kenne ich mich mit den alternativen Möglichkeiten, die Hochschulzugangsberechtigung zu erhalten, nicht wirklich aus. Daher danke ich dir für deine Details und Aufklärung, ich hoffe, ich habe jetzt eine Wissenslücke weniger. :D

Benutzeravatar

» Täubchen » Beiträge: 33305 » Talkpoints: -1,02 » Auszeichnung für 33000 Beiträge


Ich finde den Ansatz der Mutter hier auch nicht richtig. Sicher erfüllt das Mädchen die schulischen Voraussetzungen, um auf dem Gymnasium aufgenommen zu werden. Aber das ist doch nicht alles. Wenn die Freunde des Mädchens alle auf die Realschule gehen, dann kann es sehr gut sein, dass sie sich auf dem Gymnasium unwohl fühlen wird.

Sicher muss das nicht sein und genauso gut kann sie da neue Freunde unter den Leuten finden, die sie noch nicht von der Grundschule her kennt. Aber das ist doch nicht sicher und ich würde mein Kind schon auf die Schule schicken wollen, auf der es sich wohlfühlen kann.

Und wenn das dann in dem Moment eben die Realschule ist, dann ist das doch gut. Auf keinen Fall würde ich als Mutter dann so offen sagen, dass sie dem Wunsch der Tochter nicht nachgehen wird. Das kann dann dazu führen, dass die Tochter sich absichtlich verschlechtert, beziehungsweise eben so tut, um doch nur eine Empfehlung für die Realschule zu bekommen.

Schöner ist es doch, wenn man mit dem Kind zusammen überlegt und die Tatsache, dass das Mädchen lieber auf die Realschule gehen möchte bedeutet ja noch nicht, dass es auf keinen Fall Abitur macht. Das ist doch problemlos möglich, wenn sich die guten Leistungen so fortsetzen. In dem beschriebenen Fall würde ich hoffen, dass der Freund der Mutter sich mit seiner Meinung durchsetzen kann.

» Barbara Ann » Beiträge: 28945 » Talkpoints: 58,57 » Auszeichnung für 28000 Beiträge


Eine Freundin von mir hat momentan dasselbe Problem. Hier geht es der Mutter des Kindes aber eher um die soziale Situation in der Realschule. In der Gegend in der wir wohnen ist es wirklich erstrebenswert, dass man gute Noten hat um aufs Gymnasium zu kommen, damit man quasi der Realschule entkommt, so dumm es klingen mag.

Die Mutter des Kindes ist nun auch hin und her gerissen, weil sie einerseits den Wunsch der Tochter, mit ihren Freunden zusammen zu sein, respektieren möchte. Zum anderen aber vor der sozialen Verkümmerung, die die Tochter in der Realschule erwartet, Angst hat. Würden in der Realschule normale Zustände herrschen, würde die Mutter gleich den Wunsch der Tochter respektieren.

Die Mutter selber besuchte damals lieber die Realschule und konnte trotzdem später eine höhere Schule besuchen, da sie gut in der Realschule abschnitt. Es spielen oft mehrere Faktoren bei der Schulwahl eine Rolle. Nicht nur die Noten, oder die Angst, später keinen gut bezahlten Beruf erlernen zu können.

» nordseekrabbe » Beiträge: » Talkpoints: Gesperrt »



Ähnliche Themen

Weitere interessante Themen

^